We were there – Wir waren dort.
Viele Filme, Bücher und Zeitungsartikel beschäftigen sich mit Vietnam-Veteranen und/oder ihrer aktiven Zeit im Krieg. Gekämpft haben dort ausschließlich Männer. Und so sieht man, wenn man von Veteranen ...
Viele Filme, Bücher und Zeitungsartikel beschäftigen sich mit Vietnam-Veteranen und/oder ihrer aktiven Zeit im Krieg. Gekämpft haben dort ausschließlich Männer. Und so sieht man, wenn man von Veteranen spricht, männliche Gesichter vor seinem geistigen Auge. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn in den Feldlazaretten und provisorischen Krankenhäusern waren über die gesamte Zeit des Vietnamkriegs auch insgesamt 10.000 Frauen beschäftigt – vorrangig als Krankenschwestern, wenige als Ärztinnen. Sie wurden von der Geschichte weitestgehend vergessen, obwohl sie nicht weniger durchgemacht haben als die Soldaten, die im Dschungel gekämpft haben. Ihnen, den vergessenen Frauen von Vietnam, verleiht Kristin Hannah in diesem Buch eine Stimme.
Demzufolge sollte man sich als Leser darauf einstellen, dass dies keine weichgespülte Kriegsromanze ist, die hier auf über 500 Seiten ausgebreitet ist. Gerade in der ersten Hälfte des Buches, die sich dem aktiven Dienst von Protagonistin Frances „Frankie“ McGrath widmet, braucht man ein dickes Fell. Denn man ist mittendrin in dieser heißen, stinkenden Hölle und an Frankies Seite, wenn „MASCAL“s (Massenanlieferungen von Verletzten) das Krankenhaus überschwemmen, wenn routinemäßig Triage erfolgt und oftmals die Knochensäge das Mittel der Wahl ist.
Kein Wunder, dass die Krankenschwestern völlig traumatisiert von ihrer Stationierungszeit zurückkehren. Doch als sich herauskristallisiert, dass die US-Regierung die Nachrichten beschönigt, Angriffe auf Zivilisten verschweigt und einen Krieg verteidigt, der eigentlich nicht mehr zu gewinnen ist, kehrt sich die öffentliche Meinung und die zurückkehrenden Soldaten und humanitären Helfer werden für ihren Einsatz nicht mehr gewürdigt, sondern verachtet. Als Frankie völlig erschöpft, aber in der Gewissheit, gute Dienste geleistet zu haben, nach Hause zurückkehrt, wird sie beschimpft und geschnitten.
Kaum jemand beachtet die junge Frau, die dringend Hilfe benötigt um das Erlebte zu verarbeiten. Selbst in der eigenen Familie wird ihr Militärdienst totgeschwiegen. Frankie beginnt in einer Spirale aus Medikamenten, Alkohol und Zigaretten zu versinken – genau wie so viele männliche Soldaten. Doch anders als diese wird sie bei Veteranentreffen vor die Tür gesetzt. „Es gab keine Frauen in Vietnam.“ war die lapidare Begründung. Lange Zeit hat Frankie keine Kraft, sich aufzulehnen und ihre Rolle im Krieg zu verteidigen. Dass sie es letztlich doch schafft verdankt sie vor allem ihren Freundinnen und Kolleginnen aus ihrer aktiven Zeit, die das gleiche durchgemacht haben wie sie und sich gegenseitig Halt und Hilfe geben. Erst durch vehementen Protest, Demonstrationen und Kundgebungen werden sie langsam sichtbar: die Frauen des Vietnamkriegs.
Kristin Hannahs Roman hat mich tief berührt und über große Teile wütend gemacht. Wie konnte eine so stolze Nation diejenigen vergessen, die maßgeblich daran beteiligt waren, dass es nicht noch mehr Kriegsopfer gegeben hat? Wie konnte man ihre Rolle einfach verschweigen, sie ignorieren und selbst, als sie sich zeigten, die Augen vor ihnen verschließen? Und es bleibt die Frage, ob sich zwischenzeitlich gesellschaftlich genug verändert hat, dass so etwas nicht mehr passieren könnte.
Der Autorin ist hier ein wichtiger und aufrüttelnder Roman gelungen, dem ich den kleinen Ausrutscher in den Kitschtopf auf den letzten 3 Seiten gerne verzeihe.