Berührende wahre Geschichten aus dem Berufsalltag einer Hospizschwester
Zwischen den Welten"Zwischen den Welten" von Hadley Vlahos ist ein ganz besonderes Buch einer mutigen und einfühlsamen jungen Frau, das in mir sicher noch lange emotional nachwirken hat und transformiert hat, wie ich über ...
"Zwischen den Welten" von Hadley Vlahos ist ein ganz besonderes Buch einer mutigen und einfühlsamen jungen Frau, das in mir sicher noch lange emotional nachwirken hat und transformiert hat, wie ich über den Prozess des Sterbens und damit das Ende des Erfahrungsprozesses im menschlichen Körper und den Übergang in ein unbekanntes Danach denke.
Sterben und der Tod - das sind Themen, mit denen sich viele Menschen lieber nicht so genau befassen, solange sie es nicht müssen. Und die uns doch immer wieder im Leben einholen, in Form geliebter Menschen, die wir durch den Tod verlieren, bis wir schließlich selbst an der Reihe sind. Hadley Vlahos wurde schon jung mit heftigen Themen konfrontiert: als Jugendliche hat sie den plötzlichen Tod eines guten Freundes miterleben müssen, dann wurde sie im Alter von 20 Jahren ungeplant alleinerziehende Mutter, hatte mit sozialer Ausgrenzung durch ihre sehr religiöse Familie und mit Armut zu kämpfen, und musste ihr Studium abbrechen, um ganz alleine für ihren Sohn zu sorgen.
Das ursprünglich von ihr geplante Studium und ihre ursprünglichen Berufswünsche (einer davon Schriftstellerin - wie schön, dass sie sich dem mit diesem Buch doch noch annähern konnte) ließen sich erst einmal nicht mehr realisieren... aber was möglich war, war die Ausbildung zur Krankenschwester und schließlich zur Hospizschwester. Im jungen Alter von 22 begann Hadley also, als Hospizschwester sterbenden Menschen zur Seite zu stehen, ihre Schmerzen zu lindern, für sie da zu sein und für einen möglichst angenehmen, sanften und selbstbestimmten Übergang aus diesem Leben zu sorgen.
Sehr persönlich und berührend erzählt Hadley in dem Buch sowohl aus ihrem eigenen Leben als auch aus ihrem Berufsalltag. Dazu schildert sie insgesamt etwa zwölf Fälle von sterbenden Menschen, die sie als Hospizschwester begleitet hat, meistens zu Hause bei den jeweiligen Menschen, gelegentlich auch im Spital. Wir erleben die Begleitung dieser Menschen hautnah mit, ab dem ersten Kontakt, den Hadley als Hospizpflegerin mit ihnen hatte, über die laufenden Kontakte bis zu ihrem Tod.
Dabei wird deutlich, wie einfühlsam, menschlich und mutig Hadley ist, wie sie mit all diesen Menschen eine nahe Beziehung eingeht und sich berühren lässt, aber gleichzeitig auch sich selbst reflektiert und daran arbeitet - zeitweise auch mit therapeutischer Unterstützung - an diesem fordernden Beruf, den die meisten nach kurzer Zeit wieder verlassen, zu wachsen statt auszubrennen.
Wir erleben mit, wie Hadley aus jeder Begegnung etwas für sich persönlich mitnimmt, daran wächst und reifer wird und wie sie es am Ende auch schafft, gegen Ungerechtigkeiten und unnötige Formalismen und Hierarchien aufzubegehren und sich bedingungslos für das Wohl ihrer Schützlinge einzusetzen.
Auf der einen Seite kann das Buch also auch als Memoir über Hadley und ihren persönlichen Entwicklungs- und beruflichen Emanzipationsprozess gesehen werden.
Auf der anderen Seite vermittelt es aber auch über die Fallgeschichten viel Wissen über den Sterbeprozess und über die teilweise unerklärlichen Phänomene, die dabei immer wieder auftreten, unabhängig von vorigen religiösen Überzeugungen der Sterbenden: so gibt es zum Beispiel bei sehr vielen Sterbenden aller möglichen religiösen Hintergründe und auch bei Atheisten und Atheistinnen das Phänomen, dass diese am Ende ihres Lebens den Eindruck haben, von wohlmeinenden schon verstorbenen Angehörigen begleitet, getröstet und abgeholt zu werden, und zwar in einer Form, die sich von sonstigen Halluzinationen oder Wahnvorstellungen deutlich abgrenzt.
Und wir erfahren auch, dass der Tod, wenn er auf natürlichem Weg eintritt, oft ein gradueller Prozess ist, ein Immer-Weniger-im-Leben-sein, ein schrittweiser Abbau von Körperfunktionen und Bewusstsein, bis schließlich der tatsächliche Tod eintritt. Und dass dieser Prozess oft zeitlich relativ genau eingrenzbar ist: für mit dem Thema Erfahrene gibt es oft eindeutige Zeichen, dass der Sterbeprozess begonnen hat und der Tod sehr wahrscheinlich innerhalb der nächsten ca. 72 Stunden eintreten wird.
Es ist also ein in vielerlei Hinsicht lehrreiches und berührendes Buch, das wertvolle Informationen für alle bietet, die bereit sind, sich nicht nur intellektuell, sondern auch emotional (ich habe beim Lesen der Geschichten immer wieder weinen müssen) auf ein zwar dunkles und tiefgehendes, aber doch auch transformatives Thema einzulassen, das uns früher oder später alle betrifft. Absolute Leseempfehlung für alle, die mutig genug für diese Konfrontation sind!