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Veröffentlicht am 06.10.2024

Mann am Wendepunkt

Black Romeo
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Biografien von Künstler:innen finde ich interessant, auch wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass nur wenige ein wirklich stimmiges Bild von sich zeichnen können. Auch Osiel Gouneo, der hier mit Thilo ...

Biografien von Künstler:innen finde ich interessant, auch wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass nur wenige ein wirklich stimmiges Bild von sich zeichnen können. Auch Osiel Gouneo, der hier mit Thilo Komma-Pöllath zusammenarbeitete, schafft das nicht. Es gibt Aspekte, über die man gut nachdenken kann, aber ich habe kein Gefühl für die Person dahinter bekommen.

Worum geht es?

Osiel Gouneo wuchs in Kuba als Nachfahre ehemaliger Sklav:innen auf, was seine Familiengeschichte prägte. Später ging er ins Norwegische Nationalbalett, landete schließlich an der Bayrischen Staatsoper. Eine wichtige Rolle im Buch spielen seine Kindheit und die Beziehung zu den Eltern, einschließlich dem Wandel vom trotzigen Kind zum disziplinierten Schüler. Außerdem Rassismus, seine Verletzungen, der finanzielle Druck im Ballett und die Verflechtungen von Politik und Ballett sowie neue Wege des Balletts.

Wie gefiel mir das Buch?

Im ersten Fünftel geht es um Osiels Familiengeschichte, die eher tragisch ist. Die Erfahrungen seiner Vorfahren prägten ihn. Das macht das Buch im ersten Teil eher düster. Später liest man, wie sich die Eltern trennten, er sich aber trotzdem geliebt und geborgen fühlte. Erst das Ballett-Internat, auf das ging, bricht die Beziehung auf, glücklich ist er trotzdem. Das Buch schlägt den Bogen zur Familie am Ende wieder in Form eines Baumes, der im Innenhof steht. In der Mitte liest man viel Biografisches, bevor das Buch im letzten Drittel gesellschaftskritischer wird. Die Schwerpunkte dort sind Politik, Rassismus, Erneuerung des (klassischen) Baletts. Aus diesem Teil habe ich viel mitnehmen können, besonders, wenn es um Choreografen geht.

Was mir gefehlt hat, sind die Mechanismen des Balettbetriebs, die nur angerissen werden. Beispielsweise erlitt Osiel zweimal einen Ermüdungsbruch, ohne, dass es jemandem aufgefallen ist. Dass in einer Welt, die stark auf Körper und Ausdruck fixiert ist, nicht auffällt, wenn Künstler:innen unter Schmerzmitteln auftreten, verwundert mich. Außerdem wurde mir nicht klar, warum Balletttänzer:innen auf Gala-Auftritte angewiesen sind. Vieles im Buch hätte ich mit etwas mehr Hintergrundwissen besser verstanden. Und obwohl Osiel seine Auffassung von Kunst darlegt, waren die Passagen zu kurz, um ein Gefühl für den Künstler zu bekommen. Auf mich wirkte das Buch oft, als hätte man aus (sehr ausführlichen) Interviews versucht, ein Buch zu basteln. Allerdings verstehe ich, dass ein Tänzer kein Autor ist und auch als öffentliche Person Grenzen hat, Dinge, über die er/sie nicht sprechen will.

Osiel ist ein Mensch mit Prinzipien, der, aus meiner Sicht, manchmal in seiner Blase lebt.

Beispielsweise kritisiert er zu flache (künstlerische) Hierarchien in Balettcompanies. Es war für ihn beim Norwegischen Nationalballett eine Umgewöhnung, dass Solotänzer:innen Rollen in der "Menge" tanzen, und umgekehrt Tänzer:innen aus der "Menge" auch Solorollen übernehmen. Er drückt das nett aus, es wirkt aber wie eine Kritik.

Wenn es um Stücke geht, deren Spannung auf Machtverhältnissen basieren und die Frau als schwächeres Glied darstellen, z.B. Dornröschen oder "Le Corsaire", spricht Osiel von "hypersensiblen und hyperemanzipierten Zeiten". Als Überbau dient ihm die Kritik an der Cancel Culture, später spannt er den Bogen zu Rassismus. Aus meiner Sicht muss ein afro Tänzer keine Sklavenrollen übernehmen, sondern darf auch den Prinzen spielen - in diesem Punkt stimme ich mit ihm überein. Allerdings gehe ich mit der Kritik an Dornröschen usw. nicht mit - man könnte die Stücke mit wenigen Kniffen frauen-freundlicher gestalten oder neue Stücke schreiben.

Außerdem erwähnt Osiel, dass ein Pas de deux unter Männern im Balett nicht stattfindet. Die Gruppe um die Trocaderos tut aber genau das - wenngleich nicht im Mainstream, aber mit Erfolg. Das Projekt will dabei nicht nur queeren Figuren Raum geben, sondern Männern die Möglichkeit "auf Spitze" zu tanzen - was Männer im klassischen Balett wenig tun.

Ohnehin findet das Moderne Ballett im Buch fast nicht statt. Obwohl es, aus meiner Sicht, für die Frage wichtig ist, wie wir (klassischen) Tanz weiterhin attraktiv für das Publikum halten. Osiel sieht neue Choreografien und die Verwendung moderner Medien. Dass das Publikum mit mehrere Sinnen unterhalten wird. Ich finde den Ansatz gut, aber zu kurz. Denn Ballett ist immer noch eine Kunstform für das Bildungsbürgertum und es geht darum, es zugänglicher für alle zu machen. Das Publikum wird aber auch sensibler, achtet mehr auf Hintergründe und Mechanismen. Ich glaube, man muss an mehrere Schrauben drehen.

Auch neuen Medien scheint Osiel kritisch gegenüber zu stehen, obwohl er davon profitiert. Er hat Angst, dass die neuen Medien eher den sportlichen Aspekt des Tanzens fördern, weil Tänzer:innen perfekt ausgeleuchtet vermeintliche Höchstleistungen erbringen. Und dass dabei die künstlerischen Aspekte, das Schauspiel, untergeht. Ich denke, dass sich dabei eine Eigendynamik entwickelt und besonders junge Tänzer:innen über ihre Grenzen gehen. Da Osiel zwei mehrmonatige Verletzungspausen einlegen musste und sich als Künstler begreift, verstehe ich das. Als Konsument fällt mir aber auf, dass die Sozialen Medien die Hemmschwelle herabsetzen, ins Balett zu gehen. Es gibt Influencer:innen, die über ihre Lieblingsstücke und -tänzer:innen sprechen und die Kunstform damit am Leben erhalten. Es gibt aber auch Tänzer:innen, die das System hinterfragen, über Ernährung, Erschöpfung und Tanzen im Alter sprechen. Sie brechen damit das System auf, zeigen aber auch die Leidenschaft für den Tanz.

Was ich an Osiel bewundere, ist sein Gerechtigkeitsempfinden. Er kritisiert u.a. dass Igor Selenski, der bis 2022 das Bayrische Staatsballett leitete, diesen Posten aufgrund seiner Verflechtungen zu Russland aufgab. Ich finde es gut, dass er Fokus auf Selenski als Künstler legt, auch wenn ich den Konflikt in den Medien nicht verfolgt habe. Auch den tragischen Fall des wegweisenden Choregrafen Liam Scarlett behandelt das Buch. Scarlett wurde nach Vorwürfen sexueller Belästigung beruflich fallen gelassen und starb unter mysteriösen Umständen. Osiel zieht hier Parallelen zu Kevin Spacey, der schließlich rehabilitiert wurde. Er kritisiert, dass Scarlett diese Chance nicht hatte.

Ich spürte, dass sich Osiel in einer Phase befindet, in der er seine Stimme nicht nur für die Kunst, sondern für die Gesellschaft einsetzen will. Als afro-kubanischer Künstler hat er mehr erreicht als andere und ist damit ein Vorbild für viele junge Tänzer:innen. Ich verstehe, dass er jetzt etwas bewegen will. Und ich mag diesen Ansatz. Aus meiner Sicht hätten dem Buch aber ein paar Jahre Reife gut getan, etwas mehr Weitblick.

Übrigens habe ich im Buch wenige Tippfehler gefunden, die Rechtschreibung ist sehr gleichmäßig auf einem hohen Niveau. Das habe ich selten erlebt.

Fazit

Osiel Gouneo ist ein Tänzer, der viel zu sagen hat und wenn man sich darauf einlässt, kann man besonders im letzten Drittel viel mitnehmen. Mir war das Buch anfangs zu negativ und für mich kam der Tänzer als Künstler etwas zu kurz. Auch mehr Hintergrundinformationen zum Balletbetrieb wären schön gewesen. Das Buch ist definitiv keine verschwendet Zeit, für mich aber nicht ganz rund.

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Veröffentlicht am 08.08.2024

Gut geordnet

Furchtlose Frauen und wie sie die Welt eroberten
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An diesem Buch hat mich gereizt, dass es weniger um die gesellschaftliche Stellung von Frauen geht, sondern um eine Leistung als Abenteurerinnen. Ich hatte mich auf lebhafte Geschichten gefreut und das ...

An diesem Buch hat mich gereizt, dass es weniger um die gesellschaftliche Stellung von Frauen geht, sondern um eine Leistung als Abenteurerinnen. Ich hatte mich auf lebhafte Geschichten gefreut und das habe ich bekommen. Dennoch fehlte mir etwas. Wahrscheinlich die Einordnung ins Große Ganze.

Inhalt und Gliederung

Armin Strohmeyr zeichnet das Leben von 12 Frauen nach, beginnend im 16. Jahrhundert, endend im 20. Jahrhundert. Er unterscheidet Frauen, die zur See gefahren sind, auf dem Landweg ferne Länder erkundet haben und Pionierinnen des Fliegens.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Jede Frau bekommt ca. 30 Seiten, jeder Abschnitt ca. 100 Seiten. Interessant ist, dass sich die Porträts unterschiedlich lang anfühlen: Die unendlichen Wege der Alexine Tinne wirkten sehr lang, durch den Abschnitt über Amelia Earhart war ich schnell durch.

Interessant fand ich die unterschiedlichen Motive der Frauen: Die Seefahrerinnen des 16. und 18. Jahrhunderts folgten häufig ihren Männern auf Reisen oder waren als "Beruf" als Räuberinnen aktiv. Außerdem wurden sie häufig von ihren Ehemännern oder Vätern unterrichtet. Sie mussten also auch häusliche Pflichten verrichten. Im 19. und 20. Jahrhundert erkundeten die Frauen aus eigenem Interesse oder als Begleitung ihres Mannes. Die Flugpionierinnen taten das entweder aus eigenem Interesse am Fliegen oder für das Prestige, weil Frauen im Flugsport etwas Besonderes waren. Die Geschichte der Frauen ist (leider?) immer auch eine Geschichte der Männer, die sie forderten und förderten.

Was im Buch erwähnt wird, verstärkt im dritten Abschnitt, ist das Thema "Werbung". Frauen haben ihre Abenteuer vermarktet, um Sponsoren zu sammeln und später, um davon zu leben.

Leider reduziert Strohmeyr die Frauen auf ihre Reisen und zeichnet sie weniger als Personen. Alexine Tinne war z.B. auch Fotografin. Andererseits betont er, wieviel die Frauen auf ihre Reisen mitgenommen haben. Ich hatte das Gefühl, dass hier eher eine Rolle dargestellt wird als die Vielseitigkeit der Person. Ich kann das verstehen, weil man bei soviele Informationen aussortieren muss, wenn man nur 30 Seiten hat. Und es gibt sicher Leser:innen, die genau diesen Fokus mögen. Ich fand es etwas schade.

Was mir auch gefehlt hat, war der gesellschaftliche Kontext. Strohmeyr umreißt gut die historischen Verhältnisse, wie die Welt geordnet war. Ich fand es sehr beeindruckend, dass die USA vor über 150 Jahren noch nicht von Ost nach West durchfahrbar waren, sondern man um Südamerika herumfahren musste. Welche Stellung Frauen zu dieser Zeit hatten, wie sie organisiert waren und wie all die Erkenntnisse und Errungenschaften der Frauen einzordnen sind, das kommt etwas zu kurz.

Dafür spart das Buch nicht mit fetzigen Zwischentiteln und Appetithäppchen am Anfang jedes Abschnitts. Mithilfe griffiger Zusammenfassungen und Kapitelüberschriften will es den Leser weiterlocken, das ist aber nur plumpe Deko, die man überlesen kann.

Auch an Bildmaterial fehlt es.

Immerhin schreibt Strohmeyr lebendig, selten kompliziert und man kommt gut durch das Buch. Nur das Wort "Chauffeurin" im Abschnitt über eine Autofahr von Blanche Stuart Scott hat mich irritiert, weil sie eine Beifahrerin hatte, die ihre Fahrt durch die USA dokumentieren sollte, aber nicht als "Chauffeurin" im eigentlichen Sinne tätig war.

Fazit

Das Buch zeichnet interessante Frauen und gibt jeder Person gleich viel Raum. Die Auswahl gefällt mir, weil die Intentionen der Frauen unterschiedlich sind. Der historische Kontext wird gut beschrieben. Trotzdem hätte ich mir mehr Gesellschaftliches gewüscht und mehr von den Frauen selbst.

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Veröffentlicht am 11.04.2024

Klischeehaft, aber Schattentheater

Zwischen uns das Licht
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Am Roman gereizt hat mich das Motorradfahren und eine Frau mit wechselndenen Frauengeschichten. Letztlich ist das Buch ein gut geschriebener, aber klischeehafter Roman mit dem Schattentheater als Schwerpunkt.

Rezi ...

Am Roman gereizt hat mich das Motorradfahren und eine Frau mit wechselndenen Frauengeschichten. Letztlich ist das Buch ein gut geschriebener, aber klischeehafter Roman mit dem Schattentheater als Schwerpunkt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Lea arbeitet bei einem Security-Service und fährt semi-professionell Motorrad. Sie kann jedoch nie gewinnen, weil sie kurz vor dem Ende abbremst - offensichtlich ein emotionales Problem. Als sie an den Ort ihrer Kindheit, einem Schattentheater, zurückkehrt, trifft sie dort die Tochter des Leiters und Schauspielerin Sophie. Die beiden verlieben sich, doch Sophie ist deutlich älter und eher unstet. Doch mit der vereinten Kraft der Liebe können sie beide Herausforderungen bewältigen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Die Autorin weiß, was sie tut. Das Buch schafft es in 222 Seiten eine Geschichte aufzubauen, interessant zu erzählen und abzuschließen. Romantisch wird es, aber leider auch ziemlich klischeehaft.

Das Schattentheater steht im Mittelpunkt und es gibt sehr rührende Szenen rund um das Thema. Leider schafft es das Buch nicht, mir ein Bild von dieser Kunstform und von der Faszination zu vermitteln, aber das liegt in der Natur der Sache. Ich bewundere aber die Energie, die in all diese Szenen geflossen ist; die Mühe dahinter wertschätze ich.

Das Motorradfahren und das Alter werden relativ kurz behandelt. Beim Motorradfahren geht es scheinbar eher ums Gewinnen, was dem sportlichen Aspekt, aber nicht dem Genuss gerecht wird. Das Thema Alter kommt erst kurz vor dem Schluss zum Tragen. Ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass der Altersunterschied Spannung verheißen soll, aber nicht erfüllt. Ich empfand beide Figuren als gleichalt, daher bin ich oft mit den Namen durcheinander gekommen. Ich hätte mir hier mehr Unterschiede gewünscht.

Schwierig fand ich auch, dass im Klappentext Leas Frauenbekanntschaften eher negativ betrachtet werden. Sie hat aber nur wenige Bekanntschaften, diese entwickeln sich - was ich erfrischend fand! - zu Freundschaften. Außerdem ist sie übertrieben ergeizig, doch das Gewinnen bringt ihr am Ende keine Erfüllung. Sophie wiederum reist gern mit ihrem Theater durch Deutschland, was Lea ihr vorwirft. Letztlich ist Sophies Drang der Abgrenzung vom Vater geschuldet. Indem sie akzeptiert, dass sie anders ist und sein Erbe nicht fortführen kann, legt sich das scheinbar. Mich frustriert, dass hier wieder der Eindruck erweckt wird, dass die Figuren Fehler haben, die durch Liebe bereinigt werden. Es gibt aber Menschen, die gern mit anderen schlafen. Oder die gern neue Eindrücke haben und oft an fremden Orten leben. Ich verstehe aber auch, dass der Roman Probleme brauchte, die gelöst werden müssen.

Mich hat's emotional nur an wenigen Stellen gepackt, oft kam mir der Roman altbacken vor. Ich kann mir aber vorstellen, dass es Leser:innen gibt, die genau das mögen.

Es gibt im Roman einige erotische Szenen, aber für mich war das Maß in Ordnung. Gut fand ich, dass sich die Szenen real angefühlt haben, was Körperstellen betraf. Es las sich nicht wie ein Porno, sondern fühlte sich liebend an. Der Schreibstil ist jedoch sehr beschreibend, über-korrekt und hölzern. Das spürte ich leider auch bei den Liebesszenen. Hier haperte es oft an der Dynamik z.B. 76 % "Sophies Hände legten sich um ihren Oberkörper, auf Leas Schulterblätter und krallten sich ungehemmt in ihre Haut."

Fazit

Für mich ist der Roman ein unterhaltsamer Text, der sich binnen einer Stunde lesen lässt. Außer dem interessanten Grundthema gibt es leider kaum Dinge, die das Werk einzigartig machen, ganz im Gegenteil: Zu oft wird hier auf Altbewärtes zurückgegriffen. Damit ist der Roman aber auch eine gute Wahl für Leute, die Berechenbarkeit mit etwas Romantik mögen. Mich hat es leider nicht umgehauen und im Zweifel eher Flop.

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Veröffentlicht am 29.03.2024

Solide Kost

Beelitz Heilstätten
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Die Heilsätten ein Beelitz sind bekannt, daher habe ich mich in das Genre des historischen Romans gewagt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Der Text schildert das Leben der Biologiestudentin Antonia ...

Die Heilsätten ein Beelitz sind bekannt, daher habe ich mich in das Genre des historischen Romans gewagt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Der Text schildert das Leben der Biologiestudentin Antonia Marquardt, die 1938 mit einem Tuberkulose-Verdacht in die Heilstätten geschickt wird und dort eine Leidenschaft für Medizin entdeckt. 1942 kehrt sie zurück und erlebt, wie sich die Lage verschärft und sterbenskranke Patientinnen in Sondereinrichtungen geschickt werden. Außerdem gibt es noch eine Flucht-Geschichte. Die letzten Seiten beschäftigen sich mit der Nachkriegszeit 1945 und dem Fortgang der Figuren.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Für jemanden, der zum ersten Mal ein solches Buch liest oder das Genre mag, ist es eine gute Wahl. Grundsätzlich aber solide Kost, bei der die Autorin die Regeln des Genres beherrscht.

Für mich war es eine klischeehafte Liebesgeschichte - bis das Nazi-Thema aufkommt. Erst dann wurde es interessant.

Die Autorin schafft gut einen Kontrast zwischen der behüteten Stimmung in Beelitz und der Realität. Die sich immer weiter verschärft.

Die Heilstätten selbst werden dabei am Anfang und Ende ausführlich beschrieben, auch wenn Worte das Flair der Einrichtung nur schwer beschreiben können.

Neben der Fluchtgeschichte gibt es verschiedene Nebenfiguren, die für Typen innerhalb der Gesellschaft stehen: Antonias Vater, der den Veränderungen betroffen gegenüber steht, aber sich für seine Gesundheit entscheidet. Einen Arzt, der für die Patienten da ist und einen Opportunisten inklusive frustrierter Geliebte. Einen Klinikchef, der seine Karriere riskiert. Eine Teeager, den das System im Griff hat und der unter den Soldaten die Kameradschaft findet, die er vermisst. Das zu lesen, das tat weh. Sein Bruder, der körperlich schwächer ist und den Krieg nicht mag. Der Vater, ehemaliger Sozialist, der deswegen mit dem Sohn aneinandergerät. Es ist ein wundervolles Kollektiv, das gut zusammengefügt ist!

Daher ist der Roman flott zu lesen.

Emotional hat es mich nur manchmal gepackt und manches war ein bisschen zu klischeehaft. Wirklich dramatisch wird es selten. Die Gefahr, der Antonia als Frau und Mitwisserin ausgesetzt ist, wird nie so groß, dass es wehtut. Und der einzige Tod, der im Buch vorkommt, war nicht schön. Aber die Autorin breitet das Leid nicht stärker aus als notwenig.

Fazit

Der Text ist ein schönes Buch für eine Zugfahrt und als historischer Roman wirklich gut. Ich hätte mich über weniger Klischees gefreut, aber so sind die Grenzen des Genres.

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Intensiv, aber es fehlt etwas

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
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Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahre 1949 steht Thomas Mann vor einer Vortragreise über Goethe und die Frage ist, ob Erika mit ihm die Termine in Deutschland wahrnimmt. Gleichzeitig erleben wir ...

Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Im Jahre 1949 steht Thomas Mann vor einer Vortragreise über Goethe und die Frage ist, ob Erika mit ihm die Termine in Deutschland wahrnimmt. Gleichzeitig erleben wir die Biografie der Frau bis zu diesem Punkt. Und dann trifft die Nachricht vom Tod des geliebten Brudes ein ...

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ich habe ihm Buch viele interessanten Fakten gelesen (z.B. die Affäre mit Bruno Walter) und ein besseres Gefühl für die Kämpferin Erika Mann bekommen. Ähnlich wie ihr Bruder war Erika stets getrieben vom Leben und dieses Rastlose spürt man im Buch gut. Es wirkt, als brauchte Erika immer einen Kampf.

Das Verhältnis zum Bruder nimmt ebenfalls viel Raum ein. Ich vermute, dass Erika in Klaus den fehlenden Teil gefunden hat, den Gefährten, aber auch jemanden, den sie beschützen konnte. Schwäche gegenüber Klaus zu zeigen, fiel ihr schwer und wahrscheinlich konnte Klaus nicht gut damit umgehen. Die Autorin schildert eine Episode, in der Erika mit dem Fahrrad fällt und Angst hat, aber ihr Bruder nicht weiß, wie er ihr seelisch beisteht. Klaus wiederum sah in ihr eine bessere Version seiner selbst, jemand, der all die Zweifel in etwas Positives verwandelte und nicht dem Abgrund so zugeneigt war wie er. Die Gewissheit der Einheit der beiden hat sie aber auch von den anderen Geschwistern abgegrenzt, was die Eltern indirekte gefördert haben. Monika Mann wurde z.B. verachtet, weil sie nicht so intelligent war. Wahrscheinlich duldeten die Geschwister auch keine Konkurrenz um den Patriachen Thomas Mann, der ohnehin nur geschrieben hat.

Auch das Verhältnis zum Vater ist interessant. Erika war die Lieblingstochter und war später Sekräterin und Verwalterin für den Vater. Ähnlich wie Sigmund Freunds Tochter Anna war sie eine Partnerin auf intellektueller Ebene. Sie versuchte immer, den diplomatisch agierenden Vater zu klaren Aussagen und Taten zu bewegen.

Letztlich passte sie wohl auf beide Männer auf und ich stelle mir diese Bürde sehr anstrengend vor.

Auch ihr Kampf um Deutschland und die Welt und vor allem der Glaube daran, dass sie mit Worten die Menschen aufklären kann, waren bewegend.

Die Umtriebigkeit Manns kommt im Buch gut raus und auch Kritik an ihrem Verhalten wird deutlich. Allerdings ist das Buch so sehr im Fluss der Ereignisse, dass die private Person außen vor bleibt. Vielleicht gibt es auch zuwenig Stoff, denn selbst in Briefen ist man nicht privat. Ich habe ein Gefühl für die Autorin Erika Mann bekommen, aber der Mensch blieb mir überwiegend verborgen.

Zwei Aspekte habe mich im Buch gestört: Die Zeitebenen werden teilweise binnen eines Absatzes gewechselt, und besonders am Anfang wusste ich oft nicht, wo ich mich gerade befinde. Später arbeitet die Autorin mit Absätzen, aber Zwischenüberschriften oder Jahreszahlen hätten mir geholfen. Das ist aber eine Geschmacksfrage.

Außerdem war für mich nicht klar, was fiktiv ist. Ob die Dialoge Zitaten entsprechen, wo sie geäußert wurden. Der Text liest sich ein bisschen belletristisch, ein bisschen sachlich und das Literaturverzeichnis ist umfangreich. Vielleicht ist das genre-typisch, aber ich hätte mich über eine Aussage gefreut, wie die Autorin arbeitet, damit ich das besser einordnen kann.

Und das sich das Buch auf einen dunklen Teil der Weltgeschichte bezieht, wird es nicht fröhlich. Fast das gesamte Buch erzählt von einer Welt am Abgrund und dem Versuch der Manns damit umzugehen. Das einen als Leser herunterziehen.

Fazit

Ich habe das Buch gern und schnell gelesen. Aber ich frage mich trotzdem, ob das Buch die Rezeption zu Erika Mann voranbringt. Es beleuchtet den wesentlichen Teil von Manns Leben, aber ich hatte das Gefühl, dass etwas fehlt. Der Text ist keine schlechte Lektüre, aber mir fehlte das Ganze.

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