Flucht aus der DDR im Sommer 1989
Ich habe schon einige Bücher der Autorin, die sie unter dem Pseudonym Juliana Weinberg veröffentlicht hat, sehr gern gelesen. Auch „Als wir nach den Sternen griffen“ hat meine Erwartungen erfüllt.
1987, ...
Ich habe schon einige Bücher der Autorin, die sie unter dem Pseudonym Juliana Weinberg veröffentlicht hat, sehr gern gelesen. Auch „Als wir nach den Sternen griffen“ hat meine Erwartungen erfüllt.
1987, Halle/Saale: Tobias‘ Frau Doreen ist Leistungsschwimmerin und nimmt an Wettbewerben im In- und Ausland teil. Während eines Aufenthalts in München, bleibt sie im Westen. Tobias gerät daraufhin ins Visier der Staatssicherheit, wird tagelang verhört, verliert seinen Job als Fotograf und muss aus der Wohnung ausziehen. Von nun an ist er alleinerziehender Vater der gemeinsamen Tochter Jasmin.
Juni 1989: Als die Grenzen nach Ungarn und in die Tschechoslowakei im Zuge von Perestroika und Glasnost durchlässig werden, beschließt Tobias, sich mit der dreijährigen Jasmin in den Westen abzusetzen. Die beiden gehören zu den Ersten, die in der Botschaft der Bundesrepublik in Prag Zuflucht suchen.
Judith, 30, ist vom Auswärtigen Amt an die Botschaft in Prag entsandt. Die BotschaftsmitarbeiterInnen stehen bald vor der großen Herausforderung, sich um die täglich steigende Zahl an DDR-Flüchtlingen zu kümmern. Schon bald platzt die Villa Lobkowicz, der Sitz der Botschaft, aus allen Nähten, es werden Zelte im Garten aufgestellt. Tobias und Jasmin schlafen in Judiths Büro, auch die anderen BotschaftsmitarbeiterInnen stellen ihre Büros den Flüchtlingen zur Verfügung. Bald muss in Schichten geschlafen werden. Aus der BRD kommen Lastwagen mit Lebensmitteln, Kleidung und Hygieneartikeln an. Es gibt kaum Waschgelegenheiten und nur wenige Toiletten. Die umliegenden Straßen sind mit Trabis und Wartburgs zugeparkt, die Anwohner beschweren sich über den Lärm, den die Menschenmassen verursachen.
Neben der Situation in der Botschaft steht die Liebesgeschichte zwischen Judith und Tobias im Fokus des Romans. Als Doreen in der Botschaft auftaucht und Zeit mit ihrer Tochter verbringen will, will Tobias ihr diesen Wunsch nicht verwehren. Judith denkt über ihre Zukunft mit Tobias nach und wie sich die Beziehung mit ihrem Beruf vereinbaren lässt, der von ihr abverlangt, dass sie alle drei Jahre in einem anderen Land arbeitet.
Am 30. September 1989 ist es endlich soweit. Außenminister Genscher teilt den DDR-Flüchtlingen, mit, dass sie mit Sonderzügen in die BRD gebracht werden.
Judiths und Tobias Geschichte hat mich sehr berührt, die Autorin hat mich in die mit Flüchtlingen überfüllte Botschaft versetzt, unfassbar, was die Menschen auf sich genommen haben, um in den Westen zu kommen. Die Autorin hat sowohl das Leben der Flüchtlinge in der Villa Lobkowicz als auch die Ost-West-Liebesgeschichte sehr lebendig und emotional beschrieben. Gut gefallen haben mir auch die vielen Nebencharaktere wie Botschafter Huber mit seiner Frau Jacqueline, der Pförtner Walter Edel und Judiths Kollegin Anke Wegener. Sie alle haben alles Menschenmögliche getan, um die Versorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten. Es gab sogar eine Einschulung mit Zuckertüten für die I-Dötzchen. Diesen schönen Liebesroman mit historischem Hintergrund der jüngsten deutschen Geschichte empfehle ich sehr gerne weiter.