Sprachgewaltig
Ein zehnjähriger Junge flieht mit seinen Eltern aus Iran nach Deutschland. Sie kommen in den 1990ern in einem Plattenbau in Bochum an. Die Abschlüsse der Eltern werden nicht anerkannt, sodass die Mutter ...
Ein zehnjähriger Junge flieht mit seinen Eltern aus Iran nach Deutschland. Sie kommen in den 1990ern in einem Plattenbau in Bochum an. Die Abschlüsse der Eltern werden nicht anerkannt, sodass die Mutter wieder studiert und der Vater Geld als Taxifahrer verdient. Der Junge wächst im Plattenbau auf, erlebt diverse Gewalt mit und muss seinen eigenen Platz in diesem ihm fremden Land finden.
Behzad Karim Khani erzählt in kurzen Kapitel sehr deutlich, manchmal knapp und verkürzt vom Ankommen und dem Erleben des Jungen. Es geht neben dem Ankommen auch (und vermutlich vor allem) um Identität, Familie, Freundschaft, Trauer, Gewalt, Drogenkonsum, Kränkung, Abwertung und um Wut. Behzad Karim Khani vermittelt mir sehr deutlich, wie viel Wut der Protagonist in sich trägt, wie wenig er dort sein will, wo er ist, und wie sehr er den Weg daraus finden möchte. Die Mutter ist beharrlich in ihrem Glauben an ein gutes Ankommen und das Weiterkommen in Deutschland, der Vater wirkt ernüchtert, frustriert und der Junge vor allem wütend und aufbegehrend - gibt sich der Gewalt hin und passt sich so an das Umfeld an.
Behzad Karim Khani schreibt sprunghaft, manchmal fragmentarisch und roh, fast schon schroff. Es gibt keine Chronologie oder einen roten Faden in der Handlung, es handelt sich vielmehr um eine Aneinanderreihung an Erinnerungen, Rückblenden und prägende Erlebnisse des Protagonisten.
"Als wir Schwäne waren" habe ich sehr gern gelesen und muss bedauerlichwereise sagen, dass sich von den beschriebenen Szenen aus den 1990ern bis heute für ganz viele Menschen kaum etwas geändert hat.