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Veröffentlicht am 10.10.2024

"Das Buch Hanna"

Ein anderes Leben
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Mit dem aufschlussreichen Titel “Das Buch Hanna“ bezeichnet Caroline Peters die Erinnerungen ihrer Mutter. Denn Hanna hat ihre eigene Sicht auf ihre Vergangenheit, die bisweilen erheblich von der ihrer ...

Mit dem aufschlussreichen Titel “Das Buch Hanna“ bezeichnet Caroline Peters die Erinnerungen ihrer Mutter. Denn Hanna hat ihre eigene Sicht auf ihre Vergangenheit, die bisweilen erheblich von der ihrer Töchter abweicht.
Sehr sensibel spürt die Autorin dem Leben ihrer Mutter nach. Sie begegnet deren Wünschen, die oft im Widerspruch zu den Erwartungen der bürgerlichen Gesellschaft der Siebziger Jahre stehen, mit dem Verständnis der inzwischen erwachsenen Tochter und begreift, wie stark die Doppelrolle der Frauen jener Zeit ihre Mutter belastet hat. Hausfrau, Ehefrau, Mutter und eine Karriere als Schriftstellerin - das ist kaum in Einklang zu bringen.
Erst am Grab ihres Vaters ist Peters bereit, über Hanna nachzudenken, die zu jener Zeit schon einige Jahre nicht mehr am Leben ist. Sie erzählt in leichtem Ton, wunderbar lesbar und sehr humorvoll, doch der Leser spürt die leichte Wehmut dahinter.
Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich hier auf eigene Weise. Aus dem „Buch Hanna“ und den oft konträren Erinnerungen der drei Schwestern setzt sich schließlich ein Bild ihrer Mutter zusammen: einer klugen Frau, die den gesellschaftlichen Erwartungen ihrer Zeit entsprechen, aber ebenso sehr ein autarkes Leben als Künstlerin führen will und beinahe daran zerbricht.
Einfühlsam und nachdenklich - ein überzeugendes Romandebüt von Caroline Peters!





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Veröffentlicht am 24.07.2024

"Wir drei sind eins"

Kleine Monster
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Pia, Jakob und Luca: eigentlich leben sie als glückliche Familie zusammen – bis eines Tages ein Vorfall in der Schule ihre heile Welt erschüttert. Der siebenjährige Luca soll einer Klassenkameradin etwas ...

Pia, Jakob und Luca: eigentlich leben sie als glückliche Familie zusammen – bis eines Tages ein Vorfall in der Schule ihre heile Welt erschüttert. Der siebenjährige Luca soll einer Klassenkameradin etwas angetan haben.Was genau passiert ist, bleibt allerdings im Ungewissen. Luca bestreitet die Beschuldigungen, seine Eltern wollen ihn schützen, doch bei Pia schleichen sich leise Zweifel ein. Ist er wirklich unschuldig? Oder können nicht auch Kinder hinterhältig und "kleine Monster" sein?
Auf raffinierte Weise schildert die Autorin, wie sich Stück für Stück Pias Misstrauen aufbaut,
die Harmonie in der Familie Risse bekommt. Sie nutzt dazu zwei Handlungsebenen; die Ereignisse der Gegenwart lassen in Pia dramatische Erinnerungen an ihre eigene Kindheit wach werden. Aus der Sicht der Erwachsenen, die nun selbst Mutter ist, bewertet sie die Geschehnisse (und ihre eigene Rolle darin) neu. Sind Linds Formulierungen anfangs nur vage, so werden sie im Verlauf der Geschichte immer deutlicher und erzeugen eindrucksvolle Bilder der vergangenen und aktuellen Geschehnisse. Dabei erzählt sie in einem schlichten Stil, ohne jedes Pathos, und lässt den Leser einen tiefen Blick in Pias Psyche und die Familienstrukturen werfen.
„Wir drei sind eins“ - das galt für Pia und ihre zwei Schwestern in der Vergangenheit. Auch für ihre kleine Familie in der Gegenwart erwartet sie das. „Eine glückliche Familie. Bis wir es nicht mehr sind."

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Veröffentlicht am 03.07.2024

Ohne Scheuklappen

I walk between the Raindrops. Stories
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Nein, es sind keine netten kleinen Geschichten zum Zeitvertreib, die Boyle uns in seinem neuen Buch serviert. Auf seine gewohnt hintergründige Art konfrontiert er den Leser in dreizehn Kurzgeschichten ...

Nein, es sind keine netten kleinen Geschichten zum Zeitvertreib, die Boyle uns in seinem neuen Buch serviert. Auf seine gewohnt hintergründige Art konfrontiert er den Leser in dreizehn Kurzgeschichten mit aktuellen Problemen und menschlich-allzu menschlichen Reaktionen. Seine Thematik reicht weit, von ultramoderner Technik über Epidemien bis zu Umweltkatastrophen.
Jede seiner Kurzgeschichten widmet sich kurz und prägnant einem anderen Thema. Als aufmerksamer Beobachter bringt der Autor die Problematik eindringlich auf den Punkt. Klug verpackt und in Boyles markantem flüssigen Stil verfasst, lesen sich die Geschichten ungemein gut. Auch sein bissiger Humor lockert das Unbehagen ein wenig, das beim Lesen entsteht. Doch die teilweise drastische Wortwahl lässt keinen Zweifel an dem Ernst, der hinter seinen Geschichten steckt. Boyle will aufrütteln; er will bewusst verstören, um den Leser zum Nachdenken über seine Umwelt - vor allem aber über sich selbst - zu animieren.
„I walk between the raindrops” ist, so finde ich, eine anspruchsvolle Lektüre für Leser, die bereit sind, auch einmal den Blickwinkel zu ändern und "über den Tellerrand“ zu schauen.


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Veröffentlicht am 18.02.2024

Stillverliebt...

Der Wortschatz
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… habe ich mich in dieses wunderschöne Buch. Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger haben ein Kunstwerk geschaffen, fröhlich, farbenfroh, fantasievoll, das mit wenig Text auskommt, dem Leser aber eine ...

… habe ich mich in dieses wunderschöne Buch. Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger haben ein Kunstwerk geschaffen, fröhlich, farbenfroh, fantasievoll, das mit wenig Text auskommt, dem Leser aber eine immense Menge an (Eigenschafts-)Wörtern beschert. In großformatigen Bildern voller Witz und ebenso humorvollen kurzen Textpassagen begleiten wir den Jungen Oscar auf seinem Weg; wir erleben seine Verwirrung zu Beginn seines Fundes - eine Schatztruhe voller Wörter! - und deren recht wahllose Verwendung - bis er ganz „wortlos" dasteht. Zum Glück gibt es die poetische Louise, die ihn zum Entdecken und Sammeln neuer Wörter anleitet.
Und tatsächlich macht dieses quietschvergnügte, lebendige Bilderbuch Lust darauf, sich mehr auf eine ausdrucksvolle, schöne Sprache zu konzentrieren, aus ihrem Reichtum zu schöpfen und sie mit allen Sinnen zu erleben, so wie Oscar.
Doch das Buch des Autoren- und Illustratorenpaares hebt nicht nur den Spaß an Wörtern hervor, sondern macht ebenso darauf aufmerksam, wie wichtig ein vernünftiger, behutsamer Umgang mit Sprache ist.
Übrigens gibt es für Pädagogen zusätzlich Begleitmaterial für den Schulunterricht, das kostenlos erhältlich ist.

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Atmosphärisch dicht

Das Philosophenschiff
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Ausgerechnet einem Schriftsteller, „dem man nicht glaubt, was er schreibt“, vertraut die berühmte Architektin Anouk Perlemann-Jacob ihre Geheimnisse an, Ereignisse aus ihrem immerhin hundert Jahre währenden ...

Ausgerechnet einem Schriftsteller, „dem man nicht glaubt, was er schreibt“, vertraut die berühmte Architektin Anouk Perlemann-Jacob ihre Geheimnisse an, Ereignisse aus ihrem immerhin hundert Jahre währenden Leben, die sie keinem ihrer Biografen bisher erzählt hat.
Und genau darauf darf sich der Leser dieses Romans auch einstellen: Was an Anouks Bericht entspricht der Wahrheit, was ist Fiktion?
In seiner gewohnt virtuosen Art verflicht Köhlmeier die fesselnde Biografie einer erfolgreichen Frau mit historischen Geschehnissen in Russland aus einhundert Jahren. Sie reichen vom Sturz des letzten Zaren bis in die Gegenwart. Allerdings konzentriert sich die Erzählung hauptsächlich auf die Begebenheiten auf einem der sogenannten „Philosophenschiffe“, mit denen Lenin 1922 unbequeme Intellektuelle, die dem Bolschewismus kritisch gegenüber standen, deportieren ließ. So auch die Perlemann-Jacobs und die damals 14jährige Anouk.
Der Autor versteht es wunderbar, die Stimmung auf dem Schiff, die Gedanken und Ängste der erwachsenen Exilanten und der jungen Anouk wiederzugeben. Er tut das auf so intensive Weise, dass der Leser hautnah und sehr intensiv etwas von der düsteren Atmosphäre jener Zeit selbst miterlebt, den Schrecken und Terror des Regimes. Und ohne sich nur auf die Berichte Perlemann-Jacobs zu verlassen, recherchiert der (fiktive) Autor/Köhlmeier auf eigene Faust und konfrontiert die Erzählerin mit weiteren Fakten…

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