Ausgelassene Kindheitstage oder verdrängte Traumata?
Keine ReueKEINE REUE
Roman
Rezensionsexemplar
Barbara Maienfeld lebt mit ihrem Mann in einer wunderschönen Stuttgarter Altbauwohnung. Eigentlich könnte sie nicht glücklicher sein. Doch die Fassade bröckelt, als ...
KEINE REUE
Roman
Rezensionsexemplar
Barbara Maienfeld lebt mit ihrem Mann in einer wunderschönen Stuttgarter Altbauwohnung. Eigentlich könnte sie nicht glücklicher sein. Doch die Fassade bröckelt, als sich die Geldprobleme der beiden nicht mehr verstecken lassen und sie auf Hilfe angewiesen sind. Das Unglück beginnt Jahre zuvor in den 80ern, als das Ehepaar noch mit seinen drei Kindern in ländlicher Idylle zurückgezogen in der Eifel lebten. Nach außen hin genossen sie die Ruhe und das Glück, doch eigentlich versteckten sie sich hier vor dem Verfassungsschutz.
Ellen Sandberg erzählt die Geschichte, wie gewohnt, auf zwei Zeitlinien aus verschiedenen Perspektiven. Die Wechsel sind klar gekennzeichnet und wunderbar zu folgen. Die Sprünge machen das Buch abwechslungsreich.
Mit Barbara hatte ich bis zur letzten Seite Probleme zu sympathisieren: Sie tritt als kühle, starke Frau auf, die sich als Anwältin beruflich für andere einsetzt. Ihre drei Kinder überlässt sie jedoch sich selbst. Sie sieht dies als Vertrauensbeweis, durch den Perspektivwechsel werden die dadurch ausgelösten Schmerzen bei den Kindern sehr deutlich. Nach und nach wird das Ausmaß dieser (von ihren Kindern genannte) Gleichgültigkeit klar.
Es war unglaublich interessant mehr und mehr zu verstehen, wie unterschiedlich die Kinder als Erwachsene auf ihre früheren Tage zurückblicken:
Der Älteste, Ben denkt an ausgelassene Tage draußen in der Natur. Die Erinnerung seiner jüngeren Zwillings-Geschwister Leon und Luise wird jedoch von Vernachlässigung und fehlendem Interesse ihrer Eltern überschattet. Durch einen Unfall wird klar, dass Ben Traumatisches und Unangenehmes verdrängt und sich daran nicht mehr erinnern kann.
Abgesehen von den für mich hartem Thema der Vernachlässigung der Kinder war es für mich sehr schwer, das Buch zu beenden. Die große politische Komponente der Geschichte ist absolut nichts für mich. Vermutlich bin ich nicht die richtige Zielgruppe, finde das Thema um die RAF insgesamt jedoch gut aufgegriffen.
[…] Charlie hatte sich die mehrteilige Dokumentation über die RAF komplett angesehen und war seither fasziniert von der 3. Generation, um die sich einige Verschwörungstheorien rankten. Die Gruppe hatte aus etwa zwanzig Personen und ihren Unterstützern bestanden. Doch namentlich kannte man nur wenige. Die übrigen waren Phantome. Sie hatten etliche Anschläge verübt, und bis heute waren die meisten Morde nicht aufgeklärt, die man ihr zurechnete. […] (Seite 237)
Abgesehen von dem politischen Thema, das mir nicht zusagte, ist das Buch sensationell geschrieben und die Geschichte um die Familie interessant.