Trauriger und ergreifender Roman…
Die FliedertochterDurch eine Leserunde auf wasliestdu.de bin ich auf dieses Buch gestoßen. Das Cover sprach mich sofort an, auch wenn es anderen Covern dieses Genres sehr ähnelt. Eine Frau schaut, mit dem Rücken zum Leser/zur ...
Durch eine Leserunde auf wasliestdu.de bin ich auf dieses Buch gestoßen. Das Cover sprach mich sofort an, auch wenn es anderen Covern dieses Genres sehr ähnelt. Eine Frau schaut, mit dem Rücken zum Leser/zur Leserin, zu einem alten Herrenhaus und von oben fallen Fliederblüten ins Bild. In der Hand hält sie einen Fliederstrauß. Vor ihr liegt ein Weg, der beidseitig mit lilafarbenen Blumen bewachsen ist. Ich finde das Motiv und die farbliche Gestaltung sehr gelungen und passend zur Geschichte.
Auch der Klappentext hat mich sofort gepackt. Es wird eine Geschichte über zwei Frauen bzw. deren Schicksale angedeutet, um die sich ein Geheimnis webt. Diese Konstellation hat mich neugierig gemacht. Zwei Erzählstränge in zwei verschiedenen Zeitebenen, das mag ich persönlich sehr.
Der historische Roman „“Die Fliedertochter“ von Teresa Simon ist am 11. Februar 2019 im Heyne Verlag erschienen und spielt größtenteils in Wien:
Paulina ist eine toughe, junge Frau in der heutigen Zeit, die von einer älteren Dame, die sie schon ihr Leben lang kennt, gebeten wird, nach Wien zu reisen und ein Erbstück in Empfang zu nehmen. Paulina tut der älteren Dame diesen Gefallen ohne zu ahnen, dass das Erbstück mit ihrer eigene Familiengeschichte verbunden ist und das bisher gehütete Geheimnis aufdeckt. In engem Zusammenhang mit Paulinas Geschichte steht die Geschichte um Luzie Kühn.
Luzie ist ebenfalls eine starke, junge Frau, die zur Zeit des NS - Regimes in Berlin lebt. Als Jüdin wird es aber immer schwieriger in dieser Stadt. Zu ihrem Schutz schicken ihre Großeltern sie nach Wien zu Bekannten, die dort behaupten, Luzie wäre die lange verschollene Tochter, so dass niemand ihre wahre Identität kennt. In Wien lernt sie dann einen Mann kennen, ebenfalls Jude, in den sie sich sofort verliebt. Ihre „Eltern“ warnen sie vor möglichen Konsequenzen, doch Luzie lässt sich nicht bekehren. Vor ihr liegt eine schwierige Zeit, in der sie um ihre Liebe kämpft und die geprägt ist von ihrem inneren Konflikt, die eigene Identität zu verschleiern, um seinem Schicksal zu entgehen oder offen zuzugeben wer man ist und mit den Folgen zu leben.
Gut 3 Abende habe ich für dieses Buch gebraucht, das mich aufgewühlt und bedrückt zurücklässt.
Die beiden Protagonistinnen Paulina und Luzie sind selbstbewusst und mutig. Beide wissen im Grunde, was sie wollen und arbeiten hart für ihre Ziele. Paulina ist ein Stück weit auf dem Weg der Selbstfindung, wohingegen Luzie die große Liebe und Sicherheit sucht. Doch manchmal trügt der Schein und sie muss schmerzlich feststellen, dass man auch falsche Entscheidungen trifft, dann aber mit den Konsequenzen umgehen muss.
Beide Protagonistinnen sind sehr authentisch und ihre Schicksale sehr realistisch dargestellt. Gerade Luzies Geschichte hat mich sehr bewegt, aufgewühlt, aufgeregt, bedrückt, erschrocken und traurig gemacht. Ihre zum Teil verzweifelte Situation konnte ich regelrecht spüren. Wie schlimm muss es damals für die betroffenen Menschen gewesen sein.
Auch alle anderen Figuren sind wunderbar entwickelt und gezeichnet und jede ist besonders auf ihre Art. Jede Figur hat ein eigenes Ziel und eine eigene Motivation, was mich wirklich beeindruckt hat.
Die Handlung des Buches hat mir mehr gefallen. Spannung wird stetig über das ganze Buch aufgebaut, so dass man nicht aufhören kann zu lesen. Da ging es mir mit dem Roman, wie Paulina mit dem Tagebuch von Luzie.
Man liest abwechselnd aus den Sichten von Paulina, Luzie oder Paulinas Mutter und ist dadurch immer überall dabei. Auch wenn ich weiß, wie dramatisch die damalige Zeit war, hoffte ich immer auf ein paar positive Entwicklungen, die so wie ich sie mir erhoffte natürlich nicht eintraten und so litt ich in vielen Situationen, vor allem mit Luzie mit.
Besonders die Beziehung zu ihren Großeltern und deren Schicksal sind sehr emotional beschrieben und haben mich sehr berührt.
Aber wie liest sich das Buch nun?
Es sind 23 längere Kapitel, die in der 3. Person Singular in der personalen Erzählform geschrieben sind. Die Tagebucheinträge werden jedoch aus Luzies Sicht in der Ich-Form erzählt. Beides gefällt mir sehr, denn dadurch kann man sich gut in die Figuren und Situationen hineindenken. Insbesondere die Tagebucheinträge sorgen dafür, dass man emotional gefangen wird und mitleiden muss.
Bisher habe ich noch kein Buch von Teresa Simon gelesen, was sich aber ab jetzt definitiv ändern wird. Ihr Schreibstil hat mich begeistert. Er ist sehr flüssig, bildhaft und unheimlich gefühlvoll. Sie schafft es sofort eine Atmosphäre bzw. eine bestimmte Stimmung zu schaffen, die einen in die Geschichte saugt und auch nicht mehr loslässt.
Besonders gelungen fand ich die vielen, tiefen Emotionen der unterschiedlichen Charaktere…wirklich beeindruckend!!!
Mein Fazit nach 472 Seiten im Taschenbuch:
„Die Fliedertochter“ ist ein bewegender historischer Roman, der sehr emotional zeigt, wie viele Leben die NS-Zeit zerstört, wie sie Liebende entzweit und wie sie Menschen in Angst und Schrecken versetzt hat.
Wer einen einen tiefgründigen historischen Roman aus der NS-Zeit sucht, der viele schwierige Themen wie die Judenverfolgung, die Verfolgung Homosexueller, aber auch die Unterdrückung bzw. Einschüchterung durch Gewalt thematisiert, dürfte mit diesem Buch gut beraten sein. Der Schreibstil Teresa Simons passt perfekt zu dieser Geschichte und lässt sie dadurch lebendig werden.
Von mir erhält dieses Buch eine klare Kaufempfehlung (5/5 Sternen), weil die Figuren und die Handlungen so realistisch dargestellt sind und mich wirklich aufgewühlt und nachdenklich gestimmt haben. Schon lange hat mich kein Roman mehr so berührt wie dieser und es gab mehrere Stellen im Buch, die mich zu Tränen gerührt haben. Neben dem Schicksal der Großeltern ist auch das Ende von Luzies Geschichte hoch emotional.
Insgesamt ist es ein rundum gelungener Roman, den ich ganz klar weiterempfehlen kann.
Vielen Dank an Teresa Simon für diese Geschichte.