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Veröffentlicht am 21.10.2024

Mutterschaft und Selbstverwirklichung: Gaia Manzini über die Komplexität des Lebens

Für uns gibt es keinen Namen
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Gaia Manzinis Roman Für uns gibt es keinen Namen erzählt die Geschichte der jungen Ada, die mit 17 Jahren Mutter wurde und ihre Tochter Claudia bei den Großeltern am Lago Maggiore aufwachsen ließ. Während ...

Gaia Manzinis Roman Für uns gibt es keinen Namen erzählt die Geschichte der jungen Ada, die mit 17 Jahren Mutter wurde und ihre Tochter Claudia bei den Großeltern am Lago Maggiore aufwachsen ließ. Während Claudia nach ihrem Studium in Mailand Fuß fasst und dort den charmanten, aber homosexuellen Alessio kennenlernt, entwickelt sich zwischen ihnen eine unkonventionelle Freundschaft. Der Roman beleuchtet die schwierigen Beziehungen zwischen Ada, ihrer Tochter und den Menschen in ihrem Umfeld und stellt Fragen nach Identität, Mutterschaft und Selbstfindung. Gaia Manzini, eine vielfach nominierte italienische Autorin, ist für ihren mutigen und facettenreichen Schreibstil bekannt.

Worum geht's genau?

Der Roman entfaltet sich um das komplexe Leben von Ada und ihrer Tochter Claudia, die beide auf unterschiedliche Weise versuchen, ihren Platz in der Welt zu finden. Ada, die sich nach ihrer frühen Mutterschaft von der Gesellschaft distanziert fühlt, kämpft darum, ihre Rolle als Mutter mit ihrem Wunsch nach Selbstverwirklichung zu vereinen. Claudia hingegen steht vor der Herausforderung, ihren eigenen Weg zu gehen, ohne sich von ihrer schwierigen Kindheit definieren zu lassen. Die Beziehung zwischen den beiden ist von Spannungen geprägt, während Claudia in ihrer Freundschaft mit Alessio einen Menschen findet, der ihr nahesteht, jedoch nie die klassische Rolle eines Partners einnehmen kann.

Meine Meinung

Ich habe den Roman im Rahmen einer Leserunde erhalten, die jedoch leider nicht zustande kam. Dennoch habe ich das Buch selbstständig gelesen. Der Einstieg fiel mir leider ziemlich schwer, aber ich bin froh, dass ich drangeblieben bin. Die Geschichte hat dann nämlich fahrt aufgenommen und mir doch noch sehr gut gefallen. Die Charaktere, insbesondere Ada, sind vielschichtig und ihre Suche nach Identität und Selbstakzeptanz zieht sich wie ein roter Faden durch die Erzählung. Adas Reise zu sich selbst und ihre inneren Konflikte wirkten sehr authentisch und berührend.

Einige sprachliche Konstruktionen haben jedoch meinen Lesefluss gestört. Ich vermute, dass dies der Übersetzung geschuldet ist (bspw. wenn von Flugplatz statt Flughafen die Rede ist). Trotz dieser sprachlichen Hürden vermittelt der Roman eine starke emotionale Tiefe. Manzini nutzt eine distanzierte, nüchterne Sprache, um Adas Zerrissenheit und Einsamkeit darzustellen, die sich aus der Spannung zwischen beruflichem Erfolg und ihrer Rolle als alleinerziehende Mutter ergibt. Besonders beeindruckend ist, dass die Autorin dieses Szenario nicht romantisiert, sondern realistisch und wertungsfrei schildert. Das macht den Roman gerade im katholisch geprägten Italien zu einem mutigen und wichtigen Werk.

Die Vielfalt der thematisierten Beziehungen, die fernab klassischer Normen existieren, gibt dem Roman eine besondere Relevanz. Manzini zeigt auf, dass es im Leben keine einfachen Antworten auf Fragen der Identität und Mutterschaft gibt. Allerdings war es für mich durch die erzählerischen Sprünge nicht immer leicht, der Geschichte zu folgen, was hin und wieder zu Verwirrung führte.

Das Cover des Buches konnte mich nicht überzeugen. Ich fand es eher unscheinbar und denke, dass es in einer Buchhandlung nicht meine Aufmerksamkeit erregt hätte. Es ist schade, denn ich wäre beinahe an einem Werk vorbeigegangen, das inhaltlich sehr viel zu bieten hat. Ähnlich ging es mir auch mit einem anderen Buch des Verlags, "Und dann sind wir gerettet" von Alessandra Carati, das ebenfalls thematisch stark und lesenswert ist.

Fazit

Für uns gibt es keinen Namen ist ein tiefgründiger Roman, der auf einfühlsame Weise das Leben einer Frau zwischen Mutterschaft und Selbstfindung beschreibt. Gaia Manzini gelingt es, gesellschaftliche und persönliche Konflikte authentisch darzustellen, auch wenn sprachliche Stolpersteine und narrative Sprünge den Lesefluss gelegentlich behindern. Ein lesenswerter Roman, der 4 von 5 Sternen verdient.

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Veröffentlicht am 21.10.2024

Ein Roman der inhaltlich/sprachlich/stilistisch nicht leicht zu lesen ist, es aber in sich hat!

Zitronen
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Valerie Fritschs Roman "Zitronen" erzählt die bewegende und verstörende Geschichte von August Drach, einem Jungen, der in einem Umfeld aufwächst, das sowohl Hölle als auch Paradies ist. In einem Haus am ...

Valerie Fritschs Roman "Zitronen" erzählt die bewegende und verstörende Geschichte von August Drach, einem Jungen, der in einem Umfeld aufwächst, das sowohl Hölle als auch Paradies ist. In einem Haus am Dorfrand, geprägt von den Grauen des Missbrauchs durch seinen Vater und der manipulativen Liebe seiner Mutter, lernt August, mit den Widersprüchen von Zärtlichkeit und Gewalt umzugehen. Valerie Fritsch, geboren 1989 in Graz, ist eine gefeierte Autorin und Künstlerin, die bereits mit mehreren Preisen, darunter dem Brüder-Grimm-Preis, ausgezeichnet wurde. "Zitronen" ist Teil der übermorgen Buchreihe, die sich auf moderne, spannende und tiefgründige Literatur konzentriert und darauf abzielt, die Vielfalt und Qualität der Gegenwartsliteratur hervorzuheben.

Worum geht's genau?

In "Zitronen" entfaltet sich die Geschichte von August Drach, der in einem emotional instabilen Umfeld aufwächst. Sein Vater ist enttäuscht von seinem Leben und zeigt nur Zuneigung zu den Hunden, während seine Mutter, zunächst liebevoll, ihm heimlich Medikamente ins Essen mischt, um ihn zu kontrollieren und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Als August schließlich in der Lage ist, aus dem Griff seiner Mutter auszubrechen und ein eigenes Leben zu führen, bleibt die Frage, wie er die Narben seiner Kindheit überwinden kann. Der Roman thematisiert die Komplexität von Liebe und Grausamkeit und lädt dazu ein, über die Auswirkungen von Kindheitstraumata nachzudenken.

Meine Meinung

Die Diskussion um das Buch in meiner Instagram-Buchbubble war äußerst polarisiert. Während einige begeistert von der Erzählweise waren, konnten andere nicht viel damit anfangen. Da das Buch für den Österreichischen Buchpreis 2024 nominiert wurde, wollte ich mir selbst ein Bild davon machen. Der Umschlag ist ein wahrer Blickfang: Er symbolisiert die Zerrissenheit der Geschichte – auf den ersten Blick aufgeräumt und in strahlenden Farben, offenbart sich bei genauerem Hinsehen eine zerbrochene, scharfe Ordnung. Der Titel „Zitronen“ weckt Assoziationen von Sommer, hat aber auch eine herbe, saure Note.

Der Einstieg in die Geschichte fiel mir anfangs nicht leicht. Der sehr eigenwillige und beschreibende Stil der Autorin erforderte etwas Eingewöhnungszeit, aber der Inhalt entpuppte sich als faszinierend. Während die Erzählung zu Beginn etwas gemächlich verläuft, zieht das Tempo gegen Ende plötzlich an – für mich persönlich fast zu abrupt. Ich habe viele Stellen im Buch markiert, die besonders eindrucksvoll waren.

Fritsch thematisiert eindrucksvoll die Koexistenz von Grausamkeit und Fürsorge sowie von Gewalt und Zärtlichkeit in einer kühlen, distanzierten Sprache, die die Erlebnisse des Protagonisten noch bedrückender erscheinen lässt. Sie verzichtet auf übertriebene Dramatik oder sentimentale Ausbrüche und bleibt neutral, während sie die Geschichte in einem fast chronologischen Stil präsentiert, der durch kraftvolle Metaphern aufgebrochen wird.

Inmitten dieser dunklen Erzählung stellen die Zitronen einen Hoffnungsschimmer dar, der in der traurigen Geschichte leuchtet. Das Zitronensymbol zieht sich durch das gesamte Werk, bleibt dabei jedoch unaufdringlich und voller Bedeutung. Besonders eindrucksvoll wird es in der Beschreibung eines Urlaubs in dem Land, wo die Zitronen blühen, in dem August schließlich aufblüht und das Leben neu entdeckt. Das Bild der Zitronen begleitet ihn sein ganzes Leben lang.

Fritsch thematisiert schwierige Themen wie Kindesmissbrauch und deren verheerende Folgen, die an manchen Stellen kaum auszuhalten sind. Einige Episoden sind detailreich, während andere lückenhaft bleiben, was die fragmentierte Natur von Augusts Erinnerungen widerspiegelt.

Insgesamt hat mir das Buch gefallen, auch wenn es nicht leicht zu verdauen ist. Valerie Fritsch schafft es, ein komplexes Thema mit einer eindringlichen Sprache zu verbinden und hinterlässt beim Leser einen bleibenden Eindruck. Dennoch hätten einige Aspekte der Erzählweise, insbesondere der abrupte Wechsel im Tempo, verbessert werden können.

Fazit

"Zitronen" von Valerie Fritsch ist eine bewegende und tiefgründige Erzählung über die Auswirkungen von Kindesmissbrauch und die Komplexität von Liebe und Grausamkeit. Trotz des eigenwilligen Stils und des teilweise abrupten Tempos verdient das Buch eine Bewertung von 4 von 5 Sternen, da es auf eindringliche Weise auf wichtige Themen aufmerksam macht.

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Veröffentlicht am 21.10.2024

Populismus verstehen und begegnen: Ein wichtiger Leitfaden für unsere Zeit

Was Populisten wollen
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Marcel Lewandowskys "Was Populisten wollen" ist ein fundiertes Sachbuch, das die Methoden, Strategien und Erfolgsfaktoren des Populismus analysiert. Mit klaren Beispielen aus der internationalen Politik ...

Marcel Lewandowskys "Was Populisten wollen" ist ein fundiertes Sachbuch, das die Methoden, Strategien und Erfolgsfaktoren des Populismus analysiert. Mit klaren Beispielen aus der internationalen Politik erklärt Lewandowsky den Aufstieg populistischer Bewegungen und bietet wertvolle Einblicke in ihre Ideologien. Der Autor, ein erfahrener Politikwissenschaftler, bringt seine langjährige Forschung zu Demokratie und Populismus in dieses Buch ein. Es ist Teil der essayistischen übermorgen-Reihe, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen auseinandersetzt und Diskussionen über die Zukunft anstößt.

Worum geht's?

In sechs logisch aufgebauten Kapiteln geht Marcel Lewandowsky auf die wesentlichen Aspekte des Populismus ein. Er beschreibt, wie Populist:innen ihre Anhänger:innen zur "schweigenden Mehrheit" stilisieren, die Eliten als Feindbild nutzen und die Demokratie als permanent gefährdet darstellen. Populisten bieten ihren Wählern das Versprechen einer "wahren" Demokratie, in der das Volk direkt und ungehindert herrscht. Anhand von Beispielen wie Giorgia Meloni in Italien, Donald Trump in den USA oder der AfD in Deutschland zeigt Lewandowsky, wie Populist:innen Identitäten konstruieren, sich als Widerstandsbewegung inszenieren und das politische System verändern. Ein zentrales Thema des Buches ist auch, wer die Wähler:innenschaft der Populist:innen ist und warum diese Menschen sich als die "wahren Demokraten" sehen. Abschließend bietet Lewandowsky Gegenstrategien, um der populistischen Welle zu begegnen und Pluralismus zu verteidigen.

Meine Meinung

Das Buch beschäftigt sich mit einem Thema, das viele gerne umgehen würden, aber in der heutigen Zeit einfach zu wichtig ist, um ignoriert zu werden. "Was Populisten wollen" richtet sich sowohl an Einsteiger:innen als auch an Leser:innen, die sich bereits mit dem Thema Populismus auseinandergesetzt haben. Ich schätze besonders, dass Lewandowsky nicht nur die Hintergründe des Populismus darstellt, sondern auch Taktiken und Strategien beschreibt, die zum Erfolg der Populisten beigetragen haben. Er illustriert dies mit mehreren konkreten Fallbeispielen aus unterschiedlichen Ländern, was dem Buch eine internationale Dimension verleiht und zeigt, dass der Populismus kein rein nationales Phänomen ist.

Der Aufbau des Buches ist sehr strukturiert und nachvollziehbar. Die sechs großen Kapitel behandeln wichtige Aspekte wie das Demokratieverständnis der Populisten, ihre Inszenierungsstrategien und die Frage, wer sie wählt. Besonders hilfreich finde ich, dass Lewandowsky die Unterschiede zwischen Populismus und Faschismus klar herausarbeitet – eine Unterscheidung, die oft verschwimmt. Die Kapitel bauen logisch aufeinander auf und machen es leicht, dem Argumentationsverlauf zu folgen.

Lewandowskys wissenschaftlicher Hintergrund ist im Buch stets spürbar, aber er bleibt dabei immer zugänglich. Sein Stil ist eingängig und anschaulich, ohne an Tiefe zu verlieren. Gerade für ein Thema wie Populismus, das oft emotional aufgeladen ist, empfinde ich seine nüchterne, aber trotzdem lebendige Analyse als sehr wohltuend. Trotz des theoretischen Inhalts wird das Buch nie trocken oder langweilig, weil Lewandowsky es schafft, den Leser:innen durch Beispiele und klar strukturierte Argumente ein verständliches Bild zu vermitteln.

Dennoch hätte ich mir an manchen Stellen noch tiefere Einblicke gewünscht. Auch wenn die Analyse überzeugend ist, fehlte mir teilweise der Fokus auf konkrete Handlungsmöglichkeiten, wie man im Alltag gegen die populistischen Tendenzen vorgehen kann.

Fazit

"Was Populisten wollen" bietet eine gut strukturierte und verständliche Analyse eines der drängendsten politischen Themen unserer Zeit. Marcel Lewandowsky schafft es, die komplexen Mechanismen des Populismus zu entschlüsseln und bietet dabei nützliche Ansätze für den Umgang mit diesem Phänomen. Einige vertiefende Ansätze hätten das Buch noch wertvoller gemacht, dennoch empfehle ich es als wichtige Lektüre für alle, die sich mit der politischen Landschaft auseinandersetzen wollen. 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 12.10.2024

Historie trifft Gegenwart

Lupus
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Tibor Rodes Thriller "Lupus" führt die Leser:innen in eine düstere Welt, in der mysteriöse Jäger-Verschwinden und brutale Wolfsangriffe auf den ersten Blick miteinander verbunden scheinen. Tibor Rode, ...

Tibor Rodes Thriller "Lupus" führt die Leser:innen in eine düstere Welt, in der mysteriöse Jäger-Verschwinden und brutale Wolfsangriffe auf den ersten Blick miteinander verbunden scheinen. Tibor Rode, ein in Deutschland erfolgreicher Thriller-Autor, der bereits mit seinem Bestseller Der Wald große Erfolge feierte, gelingt es in Lupus, ein facettenreiches Geflecht aus Spannung, Wissenschaft und Geschichte zu weben.

Worum geht's?

In den deutschen Wäldern häufen sich mysteriöse Angriffe von Wölfen, während Jäger spurlos verschwinden – so auch der Vater von Jenny Rausch. Während die Tierärztin nach Antworten sucht, stößt Staatsanwalt Frederik Bach auf merkwürdige Daten, die von einer KI-überwachten Schutzanlage aufgezeichnet wurden. Es stellt sich die Frage, ob die Jäger den Wölfen zum Opfer fielen oder ob es sich um gezielte Morde handelt. Gemeinsam machen sich Jenny und Frederik auf die Suche nach der Wahrheit, die sie in die Vergangenheit führt, wo die düsteren Kapitel der Nazi-Zeit und DDR-Diktatur eine Rolle spielen. Gleichzeitig wird Jenny mit Geheimnissen aus ihrer eigenen Familie konfrontiert. Die Spur führt schließlich auf eine gefährliche Insel, die den Schlüssel zu den Rätseln der Gegenwart und Vergangenheit birgt.

Meine Meinung

Ich hatte Lupus schon länger im Blick, war jedoch anfangs von der stattlichen Seitenzahl von 515 Seiten etwas abgeschreckt - konnte mich dann aber zum Glück überwinden :D Man wird schnell in die Handlung hineingezogen, und auch die Charaktere sind gut nachvollziehbar. Besonders gut gefallen haben mir die kurzen Kapitel, die das Tempo des Buches beschleunigen und es mir leicht machten, zügig durch die Geschichte zu kommen. Auch der Schreibstil ist interessant und bringt durch die häufigen Rückblenden, die mal Jahrzehnte und mal nur Wochen zurückreichen, eine besondere Erzählstruktur mit sich. Diese Rückblenden sind eher berichtartig verfasst, was dem Buch eine abwechslungsreiche, fast dokumentarische Note verleiht – das hat mich positiv überrascht.

Inhaltlich schneidet Rode eine Vielzahl an Themen an: Tierschutz, Künstliche Intelligenz, Rassismus, DDR-Vergangenheit, Nazis, das Jagen und die Politisierung des Wolfes. Diese Themenvielfalt sorgt für Tiefe und verleiht dem Thriller eine gesellschaftspolitische Dimension, die mich persönlich sehr angesprochen hat. Dass viele dieser Themen auf wahren Begebenheiten beruhen, macht die Geschichte umso eindringlicher und schockierender. Dennoch fand ich die Länge des Buches etwas übertrieben – gerade gegen Ende zog es sich für mich etwas in die Länge, und es hätte gut 100-150 Seiten kürzer sein können.

Die Geschichte ist spannend erzählt, auch wenn es am Anfang etwas Geduld erfordert, bis die Handlung richtig in Fahrt kommt. Rode versteht es jedoch, eine anhaltende Spannung aufzubauen, die mich immer wieder dazu brachte, weiterlesen zu wollen. Was mich jedoch irritiert hat, war, wie einfach Jenny als Tierärztin und Wolfsbeauftragte in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hineingezogen wurde. Dass sie trotz einer eigenen Verdächtigung weiterhin aktiv an den Ermittlungen teilnimmt, war für mich nicht ganz schlüssig.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Sprache im Buch: Es wird leider nicht gegendert, und Begriffe wie "Flüchtlingsströme" oder "Selbstmord" finde ich problematisch und nicht zeitgemäß. Zudem ist mir im Lektorat ein Fehler aufgefallen: An einer Stelle wechselt die Ansprache zwischen den Protagonist:innen plötzlich vom „Sie“ ins „Du“ und dann wieder zurück, was für Verwirrung gesorgt hat.

Fazit: Lupus ist ein spannender Thriller, der durch seine komplexe Verstrickung von historischen und aktuellen Themen besticht. Trotz kleinerer Schwächen in der Logik und einem etwas überlangen Ende ist die Geschichte fesselnd und regt zum Nachdenken an. Die Themenvielfalt und die gelungene Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart machen das Buch zu einem lesenswerten Thriller. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 06.10.2024

Eine Fluchtgeschichte im Spiegel der Gesellschaft

Ankommen
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"Ankommen" von Vedran Džihić ist ein autobiografisches Werk, das sich mit seiner Flucht aus dem vom Krieg zerrütteten Bosnien nach Österreich beschäftigt. Džihić schildert seine Ankunft im Flüchtlingslager ...

"Ankommen" von Vedran Džihić ist ein autobiografisches Werk, das sich mit seiner Flucht aus dem vom Krieg zerrütteten Bosnien nach Österreich beschäftigt. Džihić schildert seine Ankunft im Flüchtlingslager Traiskirchen und den steinigen Weg, den er als Migrant und später als Wissenschaftler in Österreich gegangen ist. Neben der persönlichen Erzählung thematisiert er auch gesellschaftliche Fragen: Wie fühlt es sich an, in einem neuen Land anzukommen? Und was braucht es, um sich wirklich zugehörig zu fühlen? Das Buch ist Teil der „übermorgen“-Reihe des Kremayr & Scheriau Verlags, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen beschäftigt. Džihić, ein gefragter Balkan-Experte und Politikwissenschaftler, verbindet in seinem Werk seine eigenen Erfahrungen mit philosophischen und sozialwissenschaftlichen Überlegungen.

Worum geht's?
Vedran Džihić beginnt seine Geschichte im Januar 1993, als er mit seiner Familie nach Österreich flüchtet. Im Flüchtlingslager Traiskirchen erlebt er eine Mischung aus Sicherheit und Ausgrenzung. Seine Integration in die neue Gesellschaft ist von Herausforderungen geprägt, doch durch harte Arbeit und Bildung gelingt ihm ein bemerkenswerter Aufstieg: Vom Flüchtling wird er zu einem anerkannten Wissenschaftler. Doch während Džihić seine eigene Geschichte erzählt, richtet er den Blick auch auf das größere Bild: den gesellschaftlichen Umgang mit Migranten, die Zunahme von Populismus und die Politik der Ausgrenzung, die sich in Europa ausbreitet.

Meine Meinung
"Ankommen" von Vedran Džihić ist ein schmaler, schön gestalteter Band aus der „übermorgen“-Reihe, der sich mit den aktuellen Herausforderungen der Migrationsgesellschaft auseinandersetzt. Džihić reflektiert darin geschickt seine eigene Vergangenheit und die Fluchtgeschichte seiner Familie. Besonders gelungen ist die Verknüpfung seiner persönlichen Erlebnisse mit wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnissen, die er aus den Werken von Autor:innen wie Judith Kohlenberger, Michel Friedmann und Hannah Arendt zieht. Diese Reflexionen bereichern das Buch und verleihen ihm eine besondere Tiefe, die über die reine Erzählung der Flucht hinausgeht.

Mit knapp 100 Seiten ist das Buch eine kompakte, aber inhaltsreiche Lektüre, die ich in einem Rutsch durchgelesen habe. Der klare und zugängliche Stil macht es für jede:n geeignet. Besonders im Vergleich zu anderen autobiografischen Werken, wie etwa „Ein schönes Ausländerkind“ von Toxische Pommes, fällt auf, dass Džihićs Buch mehr aus einer Metaperspektive arbeitet. Während „Ein schönes Ausländerkind“ mich emotional stärker berührt hat, weil es durchgehend aus der persönlichen Perspektive erzählt wird und ernste Themen und Kritik am System implizit mitschwingen, analysiert Džihić immer wieder aus einer wissenschaftlichen Distanz. Dieser Wechsel zwischen Erzählung und Analyse kann etwas Distanz schaffen, aber er passt gut zum essayistischen Charakter des Buches.

Ein besonders starker Aspekt von „Ankommen“ ist die Verknüpfung von persönlichen Erinnerungen mit philosophisch-essayistischen Betrachtungen über Themen wie Emigration, Exil und Vertreibung. Das Buch bietet einen breiteren Rahmen für die Diskussion über Migration und den Umgang mit vermeintlich „Fremden“. Diese Reflexionen sind tiefgründig, aber nicht zu abstrakt, sodass sie für jede:n Leser:in nachvollziehbar bleiben. Auch wenn das Buch nicht durchgängig emotional packend ist, hebt es sich durch seine intellektuelle Tiefe und seine politische Relevanz ab.

Fazit
"Ankommen" von Vedran Džihić ist ein eindringliches und kluges Werk, das persönliche Erfahrungen mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen verknüpft. Die Mischung aus autobiografischer Erzählung und philosophischer Reflexion macht es zu einer zugänglichen und trotzdem gehaltvollen Lektüre für alle, die sich mit Migration und Integration auseinandersetzen möchten. Auch wenn das Buch emotional nicht durchgängig packend ist, bietet es interessante Einblicke und wichtige Denkanstöße. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

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