Realismus vor Fiktion
Morgen war ein schöner Tag.Da Gedanken bekanntlich frei sind, ist es Autoren möglich, im Rahmen der schriftstellerischen Freiheit auch spezielle Gedankenexperimente zu Papier zu bringen. Der Polit-Thriller “Morgen war ein schöner ...
Da Gedanken bekanntlich frei sind, ist es Autoren möglich, im Rahmen der schriftstellerischen Freiheit auch spezielle Gedankenexperimente zu Papier zu bringen. Der Polit-Thriller “Morgen war ein schöner Tag” von Christian Eckl ist ein sehr gutes Beispiel dafür.
Eckl verbindet reale Persönlichkeiten und historisch belegte Fakten mit einer Art alternativen Geschichtsschreibung und schafft eine spannende, fiktionale Geschichte, die im Berlin des Jahres 1989 ihren Ausgang nimmt.
Zur ungewollten Schlüsselfigur wird der junge Berthold Grün, als er zufällig zwei Mal Zeuge eines beziehungsweise mehrerer Morde wird. Auch wenn es bis zum Mauerfall nicht mehr weit ist, macht er sich in Verhören durch seine Ehrlichkeit selbst das Leben schwer. Dadurch bietet er sich den Mächtigen für ihre Ränkespiele geradezu freiwillig an und gerät folglich ins Visier des einflussreichen Generaloberst Markus Wolf.
Grün wird folglich knapp vor dem Ende der DDR verurteilt. Nach einem Zeitsprung von mehr als 30 Jahren kommt er frei und ist nicht nur mit einem vereinten Deutschland, sondern mit gesellschaftlichen wie auch technologischen Änderungen konfrontiert.
Dieses “Intermezzo” ist teilweise witzig gemacht, treibt die Geschichte zwischendurch aber wenig voran. Spannend wird es erst wieder, als die immer noch Mächtigen im Hintergrund (wieder) auf Berthold Grün aufmerksam werden und ihm endgültig nach dem Leben trachten.
Auf rund 330 Seiten versucht der Autor, die jüngere deutsche Vergangenheit anhand des fiktiven Einzelschicksals seines Protagonisten so “umzubauen”, dass wir dennoch in derselben Gegenwart landen, wie wir sie kennen. Die Zukunft (von 1989 aus gesehen) ändert sich nicht, lediglich der mögliche Weg dorthin.
Das Buch an sich ist nicht blutig, Action ist nur ganz dosiert im Einsatz. Vielmehr läuft das meiste über die psychologische Komponente, was gut zum Ausgangspunkt DDR passt. Auch wenn ich mir generell noch etwas mehr “Agenten-Thrill” erwartet hätte, punktet der Thriller mit anderen Qualitäten. Im stetigen Kampf von Fiktion und realen Ereignissen hat hier ganz bewusst die Realität die Nase vorne.