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Monsieur

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Veröffentlicht am 13.10.2024

Rückzugsort vom Alltagsstress

Die Abende in der Buchhandlung Morisaki
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Immer wieder gerät man an japanische Übersetzungen, die sich vor allem durch ihre schnörkellose Schreibweise auszeichnen, und in leisen Tönen das Leben einfacher Bürger einzufangen versuchen. Ähnlich wie ...

Immer wieder gerät man an japanische Übersetzungen, die sich vor allem durch ihre schnörkellose Schreibweise auszeichnen, und in leisen Tönen das Leben einfacher Bürger einzufangen versuchen. Ähnlich wie in den Romanen von beispielsweise Yoko Ogawa oder Hiromi Kawakami erzählt auch Satoshi Yagisawa in „Die Abende in der Buchhandlung Morisaki“ nicht etwa von Drama oder weltbewegenden Ereignissen, sondern lässt den Leser am Alltag seiner Protagonistin Takako teilhaben, dessen Lebensmittelpunkt die antiquarische Buchhandlung ihres Onkels bildet. Die Handlung knüpft unmittelbar an die Ereignisse des Vorgängers „Die Tage in der Buchhandlung Morisaki“ an, den man als Leser jedoch nicht zwingend gelesen haben muss, denn auch ohne Vorkenntnisse ist der Einstieg in die Geschichte problemlos möglich.
Auf eine Story im üblichen Sinne wird weitestgehend verzichtet, im Grunde bildet der Roman einen Abriss von Takakos Leben, der den Lesern in Form von mehreren aufeinanderfolgenden Impressionen präsentiert wird. Man erfährt einiges über ihr Liebesleben, ihrer Beziehung zu ihrem Onkel, und der magischen Anziehungskraft, welche die Buchhandlung stets auf sie ausübt. Der Laden ist ein wichtiger Rückzugsort, um sich von den Strapazen des Alltags zu erholen. Zufällige Bekanntschaften mit den Kunden ihres Onkels und Momente der Stille gehören gleichermaßen zu den Erfahrungen, die Takako dort sammelt. Somit ist die Buchhandlung ein echter Rückzugs- und Wohlfühlort in einer schnelllebigen Welt, in der Augenblicke der Einkehr immer seltener werden.
Yagisawa gelingt es im allgemeinen recht gut, literarisch die Besinnlichkeit zu transportieren, welche das Antiquariat verströmt. Zweifelsohne liegt der Sinn und Zweck des Romans darin, den Leser einzuladen, sich zurückzulehnen und die Seele baumeln zu lassen. Jedoch gibt es japanische Autoren, die diesen leichten, schnörkellosen und zuweilen melancholischen Schreibstil weitaus besser beherrschen. Auch die Dialoge wirken hin und wieder etwas gestelzt. Atmosphäre und Stimmung sind vorhanden, reichen jedoch nicht vollends an die Qualität der Umschlagillustration von Elisa Menini heran, was ich mir insgesamt erhofft hatte. Im Allgemeinen kommt es ziemlich selten vor, dass ein japanischer Roman nicht von Ursula Gräfe übersetzt wird, dabei ist dieses Buch nahezu prädestiniert dafür. Ob es nun an der Übersetzung oder dem Autor liegt, dass der Roman in Sachen Flair und Charme einige Chancen ungenutzt lässt, ist jedoch schwer zu beurteilen.
Dennoch: Mit „Die Abende in der Buchhandlung Morisaki“ ist dem Autor eine freundliche und herzliche Geschichte gelungen, die sich hervorragend als eine seichte Lektüre für Zwischendurch eignet.

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Veröffentlicht am 18.09.2024

Eine kleine Insel im Pazifik

Das große Spiel
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In seinem neuen Roman „Das große Spiel“ widmet sich Richard Powers wieder einmal zentralen Themen des Planeten Erde. Anstelle von Bäumen wie in „Die Wurzeln des Lebens“ steht diesmal der Ozean im Mittelpunkt, ...

In seinem neuen Roman „Das große Spiel“ widmet sich Richard Powers wieder einmal zentralen Themen des Planeten Erde. Anstelle von Bäumen wie in „Die Wurzeln des Lebens“ steht diesmal der Ozean im Mittelpunkt, aber auch die Geschichte der Informatik, von den frühesten Anfängen bis hin zu aktuellen Trends wie Social Media und Künstlicher Intelligenz. Ein ambitioniertes Projekt, das Powers mit gleich vier wesentlichen Protagonisten zu bewältigen versucht. Diese sind in unterschiedlichen Bereichen beheimatet, zum einen gibt es da eine Künstlerin, die auf der Pazifikinsel Makatea an ihren Skulpturen arbeitet, einen vielversprechenden Informatiker, eine berühmte Taucherin, sowie ein Büchernarr. Zudem springt der Roman zwischen den Zeitlinien, denn bei der Nacherzählung des Werdegangs der Hauptfiguren wird mitunter auch die Kindheit und Jugend nicht ausgespart. Im Falle der Taucherin und Meeresforscherin Evie Beaulieu versetzt Powers den Leser sogar bis in die Fünfzigerjahre des vorangegangenen Jahrhunderts zurück, als ihr Vater den Keim für ihre außergewöhnliche Karriere säte. Im Anbetracht der Vielzahl an Figuren und Handlungssträngen ist es kaum verwunderlich, dass der Roman Schwierigkeiten hat, in die Gänge zu kommen. Die ersten knapp Siebzig Seiten lesen sich recht holprig, was auch an den kurzen Szenen liegen mag. Anfangs widmet Powers seinem Personal jeweils nur einige Seiten, es folgt Sequenz auf Sequenz; vermutlich wird damit der Zweck verfolgt, möglichst viele Figuren in kurzer Zeit einzuführen. Nachdem diese holprige Art des Einstiegs überwunden ist, und Powers den Charakteren längere Erzählstränge zubilligt, nimmt der Roman an Fahrt auf. Genaugenommen konnte mich der Autor mit der Kindheitsbeschreibung von Rafi Young zum ersten Mal tief in die Geschichte hineinsaugen. Ungefähr Zweihundert Seiten lang darf der Leser sich daraufhin auf vielschichtige Figuren freuen, die mehr und mehr ihren Platz in der Welt entdecken, und bei aller Eigensinnigkeit gewillt sind, dem Planeten ihren Stempel aufzurücken. Gerne hätte Powers es bei dieser Art der Erzählung belassen können, solange seine Charaktere den Mittelpunkt der Geschichte bilden, kann „Das große Spiel“ in vielerlei Hinsicht überzeugen. Leider jedoch genügt es dem Pulitzerpreisträger nicht, auf einer Mikroebene zu verbleiben. Vor allem im letzten Drittel übernimmt der Autor sich bei dem Versuch, aktuelle Trends und Entwicklungen der Gegenwart zu thematisieren. Zu den Themen Maschinelles Lernen, Social Media, Klimakrise und Meeresökologie kann er jedoch keinen neuen Gedanken beisteuern. Längst braucht es keinen Richard Powers mehr, um die Gefahren unkontrolliert agierender Computersysteme zu erkennen. Dennoch ist ihm ein durchaus lesenswerter Roman gelungen, der zwar kein Meisterstück in seinem Genre ist, aber solide erzählt wird.

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Veröffentlicht am 19.08.2024

Ehemaliger König auf Wanderschaft

Reise nach Laredo
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Nach langem Warten erscheint wieder einmal ein Roman des österreichischen Schriftstellers Arno Geiger, dessen Werk im Allgemeinen als vielseitig angesehen werden kann. Mit "Reise nach Laredo" veröffentlicht ...

Nach langem Warten erscheint wieder einmal ein Roman des österreichischen Schriftstellers Arno Geiger, dessen Werk im Allgemeinen als vielseitig angesehen werden kann. Mit "Reise nach Laredo" veröffentlicht er jedoch seine bisher ungewöhnlichste Geschichte, die im 16. Jahrhundert spielt.
Die ersten knapp vierzig Seiten, eine Art längerer Prolog, erinnern beinahe an Bücher von Gabriel García Márquez, etwa "Der Herbst des Patriarchen" oder "Der General in seinem Labyrinth", in denen ein bejahrter Regent auf seine einstige Herrschaft zurückblickt. Geigers Protagonist Karl, ein ehemaliger Kaiser und König, hat sein Amt niedergelegt und sich in ein Kloster zurückgezogen. Alt und krank erwartet er nicht mehr viel vom Leben. Literarisch bildet dieser Einstieg in den Roman den stärksten Teil des Buches, sowohl sprachlich, als auch inhaltlich. Karl wird als ein altersschwacher Mensch dargestellt, der ohne seine einstige Macht nur noch ein Schatten seiner selbst ist, und mit seinem gebrechlichen Körper kämpft. Seit der Niederlegung der Krone unterscheidet ihn nichts mehr von anderen Männern seines Alters, mit dem Verlust der Macht sind auch seine angeborenen Privilegien entschwunden, und seine Mitmenschen verhalten sich ihm gegenüber nicht mehr mit der zeitlebens gewohnten Ehrerbietigkeit.
Eines Nachts entschließt sich Karl zur Flucht. Gemeinsam mit dem elfjährigen Jungen Geronimo begibt er sich auf eine Reise, dessen erklärtes Ziel die Stadt Laredo ist. Ähnlich wie in Stephen Kings "Der dunkle Turm" ist der eigentliche Zweck des Zielorts kaum definiert. Vielmehr geht es um die Reise an sich, und um die Abenteuer, die Karl und Geronimo währenddessen erleben. Begleitet werden sie schon recht bald von dem Wegführer Honza, sowie dessen Schwester.
Mit dem Antritt der Reise verlässt der Roman nicht nur das Kloster, sondern weitestgehend auch ein sattelfestes literarisches Gebiet. Magische Reisebeschreibungen sind vor allem in der Fantasyliteratur zu finden oder Bestandteil locker fröhlicher Roadmovies- bzw- bücher, beides Genres, die mir persönlich nicht im mindesten zusagen. Auch Arno Geiger bedient sich üblicher Komponenten dieser Genre, thematisch geht es um Freundschaft, Zusammenhalt, der Suche nach Glück, aber auch Tod und Verlust.
Wie bei nahezu allen Romanen Geigers bleibt am Ende der Lektüre die Frage offen, was der Autor dem Leser mitzuteilen versucht. Der Text ist flüssig zu lesen, phasenweise unterhaltsam, und das Zweigespann aus Karl und Geronimo kann verzaubern. Darüber hinaus ist jedoch nur wenig Mehrwert zu erkennen, vor allem in literarischer, wenn gar intellektueller Hinsicht. Als Kunstwerk ist die Geschichte durchaus vielversprechend angelegt, die Handlungswelt wirkt magisch aufgeladen, das Lesen bereitet Freude, und die einzelnen Stationen der Reise werden bildreich beschrieben; nur wirkt die Handlung dabei vor allem im Mittelteil äußerst inhaltsleer und belanglos. Das Niveau der ersten Seiten kann nicht gehalten werden und entwickelt sich zu einem Abenteuerroman für ein breites Publikum.
Weiterhin ist "Unter der Drachenwand" Arno Geigers stärkster Roman. Wie die restlichen Bücher seines Werks ist "Reise nach Laredo" zwar durchaus lesbar und vergnüglich, aber als Beitrag zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vernachlässigbar.

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Veröffentlicht am 25.06.2024

Widerstand

Wir waren nur Mädchen
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An sich ist über den Zweiten Weltkrieg fast alles gesagt, allerdings beschäftigte sich die Nachkriegsliteratur vorrangig mit der männlichen Sichtweise. Vor allem in den letzten Jahren werden Historische ...

An sich ist über den Zweiten Weltkrieg fast alles gesagt, allerdings beschäftigte sich die Nachkriegsliteratur vorrangig mit der männlichen Sichtweise. Vor allem in den letzten Jahren werden Historische Romane über den Zweiten Krieg jedoch vorrangig von Autorinnen geschrieben, um einer weiblichen Hauptfigur eine Stimme zu geben. Viele dieser Texte wie "Stay away from Gretchen" oder "Wir sind doch Schwestern" etc. sind jedoch eher dem Trivialen zuzuordnen.
"Wir waren nur Mädchen" von Buzzy Jackson ist ebenfalls nicht frei vom Anspruch der Unterhaltung, behandelt jedoch ein selten angesprochenes Thema. Hannie Schaft, eine zurückhaltende Jurastudenten wird in Amsterdam geradewegs in den Widerstand hineingezogen, nachdem sie ihre beiden jüdischen Freundinnen bei sich Zuhause vor den Nazis verstecken muss. In den nächsten Jahren ist sie Mitglied in einer Gruppe von jungen Leuten, die mit allen erdenklichen Mitteln die deutsche Besatzung sabotieren. Auch der Mord an Befehlshaber gehört fortan zu Hannies Aufgaben.
Auf plausible Art und Weise gelingt es Jackson, Hannies Weg in den Widerstand zu beschreiben. Ein Mädchen, das anfangs schüchtern und zögerlich agiert, wird durch die Nazis dazu gezwungen, über sich selbst hinauszuwachsen. Als "Das Mädchen mit den roten Haaren" wird sie zu einer der meistgesuchten Personen der Besatzer. Auch ihr Leben innerhalb der Widerstandsgruppe wird anschaulich dargestellt — angefangen mit Schießübungen, bis hin zu ihrem ersten Mord und weiteren Sabotageakten. Aber auch das Menschliche steht im Fokus der Geschichte: die Liebe, Hoffnung und das Leid der Widerständler finden immer wieder Einzug in den Text. Allerdings unternimmt der Roman dadurch keine literarischen Höhenflüge. Um eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen, liest sich der Text beinahe so rasant wie ein Thriller. Den Zweiten Weltkrieg in einem Unterhaltungsroman zu verarbeiten ist grundsätzlich eine schlechte Idee, doch zum Glück gelingt der Autorin in der Gesamtheit mehr als das. Ihre Figuren sind authentisch ausgearbeitet und sensible Zwischentöne bieten Mehrwert. Jacksons offensichtliches Ziel, das Bild einer starken Frau während der Wirrungen der Kriegsjahre zu zeichnen, wurde erreicht.

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Veröffentlicht am 23.06.2024

Tod einer Kritikerin

Mord stand nicht im Drehbuch
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"Mord stand nicht im Drehbuch" ist der neueste Fall für den Ex-Polizist und Privatermittler Daniel Hawthorne, in dem auch der Autor Anthony Horowitz eine tragende Rolle spielt. Allerdings hat Anthony eigentlich ...

"Mord stand nicht im Drehbuch" ist der neueste Fall für den Ex-Polizist und Privatermittler Daniel Hawthorne, in dem auch der Autor Anthony Horowitz eine tragende Rolle spielt. Allerdings hat Anthony eigentlich gar nicht vorgehabt, ein weiteres Mal über seinen alten Freund zu schreiben. Doch dann kommt es nach dem Debüt seines jüngsten Theaterstücks zu einem unerwarteten Mord. Eine Kritikerin wird tot in ihrer Wohnung aufgefunden, nachdem sie Horowitz' Stück am Abend zuvor aufs heftigste verrissen hatte. Der Autor selbst gerät unter Mordverdacht. Um seine Unschuld zu beweisen, bittet er einmal mehr Daniel Hawthorne um Hilfe.
Das Buch steht ganz in der Tradition der britischen Kriminalliteratur, auf die Ähnlichkeit zu den Büchern Agatha Christies muss kaum eigens hingewiesen werden. Nach einigen einleitenden Kapiteln, Gipfeln im Auffinden der ersten Leiche, entwickelt sich ein engmaschiges Netz aus Fakten und Geschichten rund um den Mord, gewoben aus konventioneller Ermittlungsarbeit. Aus den Befragungen der Mordverdächtigen, die größtenteils aus der Crew von Anthonys Theaterstück stammen, tritt nach und nach des Rätsels Lösung zu Tage. Mit diesen Mitteln gelingt Horowitz ein durchweg unterhaltsamer Kriminalroman, der nicht auf atemlose Spannung setzt, sondern stattdessen mit mehreren Mosaikstücken hantiert, die am Ende ein gesamtheitliches Bild ergeben. Fast jede Figur kommt als Täter in Betracht und ist auf seine ganz eigene Weise skurril. Auch humoristische Elemente lässt Horowitz in die Geschichte einfließen, was den Unterhaltungswert steigert und zu keiner Zeit Nervenkitzel vermissen lässt.
Insgesamt ist "Mord stand nicht im Drehbuch" gewiss kein großer Wurf, doch allemal ein freundlicher kleiner Krimi für Zwischendurch, so leicht, locker und geschliffen wie man es sich von Agatha Christie häufiger gewünscht hätte.

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