Rückzugsort vom Alltagsstress
Die Abende in der Buchhandlung MorisakiImmer wieder gerät man an japanische Übersetzungen, die sich vor allem durch ihre schnörkellose Schreibweise auszeichnen, und in leisen Tönen das Leben einfacher Bürger einzufangen versuchen. Ähnlich wie ...
Immer wieder gerät man an japanische Übersetzungen, die sich vor allem durch ihre schnörkellose Schreibweise auszeichnen, und in leisen Tönen das Leben einfacher Bürger einzufangen versuchen. Ähnlich wie in den Romanen von beispielsweise Yoko Ogawa oder Hiromi Kawakami erzählt auch Satoshi Yagisawa in „Die Abende in der Buchhandlung Morisaki“ nicht etwa von Drama oder weltbewegenden Ereignissen, sondern lässt den Leser am Alltag seiner Protagonistin Takako teilhaben, dessen Lebensmittelpunkt die antiquarische Buchhandlung ihres Onkels bildet. Die Handlung knüpft unmittelbar an die Ereignisse des Vorgängers „Die Tage in der Buchhandlung Morisaki“ an, den man als Leser jedoch nicht zwingend gelesen haben muss, denn auch ohne Vorkenntnisse ist der Einstieg in die Geschichte problemlos möglich.
Auf eine Story im üblichen Sinne wird weitestgehend verzichtet, im Grunde bildet der Roman einen Abriss von Takakos Leben, der den Lesern in Form von mehreren aufeinanderfolgenden Impressionen präsentiert wird. Man erfährt einiges über ihr Liebesleben, ihrer Beziehung zu ihrem Onkel, und der magischen Anziehungskraft, welche die Buchhandlung stets auf sie ausübt. Der Laden ist ein wichtiger Rückzugsort, um sich von den Strapazen des Alltags zu erholen. Zufällige Bekanntschaften mit den Kunden ihres Onkels und Momente der Stille gehören gleichermaßen zu den Erfahrungen, die Takako dort sammelt. Somit ist die Buchhandlung ein echter Rückzugs- und Wohlfühlort in einer schnelllebigen Welt, in der Augenblicke der Einkehr immer seltener werden.
Yagisawa gelingt es im allgemeinen recht gut, literarisch die Besinnlichkeit zu transportieren, welche das Antiquariat verströmt. Zweifelsohne liegt der Sinn und Zweck des Romans darin, den Leser einzuladen, sich zurückzulehnen und die Seele baumeln zu lassen. Jedoch gibt es japanische Autoren, die diesen leichten, schnörkellosen und zuweilen melancholischen Schreibstil weitaus besser beherrschen. Auch die Dialoge wirken hin und wieder etwas gestelzt. Atmosphäre und Stimmung sind vorhanden, reichen jedoch nicht vollends an die Qualität der Umschlagillustration von Elisa Menini heran, was ich mir insgesamt erhofft hatte. Im Allgemeinen kommt es ziemlich selten vor, dass ein japanischer Roman nicht von Ursula Gräfe übersetzt wird, dabei ist dieses Buch nahezu prädestiniert dafür. Ob es nun an der Übersetzung oder dem Autor liegt, dass der Roman in Sachen Flair und Charme einige Chancen ungenutzt lässt, ist jedoch schwer zu beurteilen.
Dennoch: Mit „Die Abende in der Buchhandlung Morisaki“ ist dem Autor eine freundliche und herzliche Geschichte gelungen, die sich hervorragend als eine seichte Lektüre für Zwischendurch eignet.