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Veröffentlicht am 20.10.2024

Die Diva der Modewelt

Coco und die Revolution der Mode
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„Mit dem Nähen konnte Gabrielle Geld verdienen, mit ihrer Stimme wollte sie berühmt werden.“ (S. 97)
Nachdem sich ihre Mutter im wahrsten Sinne des Wortes totgearbeitet und ihr Vater sie und ihre Schwestern ...

„Mit dem Nähen konnte Gabrielle Geld verdienen, mit ihrer Stimme wollte sie berühmt werden.“ (S. 97)
Nachdem sich ihre Mutter im wahrsten Sinne des Wortes totgearbeitet und ihr Vater sie und ihre Schwestern einfach in ein Waisenhaus abgeschoben hat, steht für Gabrielle Chanel klar, dass sie später mal reich und berühmt werden will – eine Diva. Bei den Nonnen lernt sie Nähen und Singen, aber so sehr sie auch übt, sie ist einfach nicht gut genug, um professionelle Sängerin zu werden. „Talent hast du keines, dafür Charme.“ (S. 112)
Als ihre Tante ihr bei bringt, wie man aus Rohlingen Hüte fertigt, stellt sie fest, dass Gabrielle ein besonderes begabt ist. Im Gegensatz zu den üblichen überladenen Modellen, zeichnen sich ihre durch zurückhaltende Eleganz aus. Diesen Stil übernimmt sie später für ihre Mode. Kleidung soll schön sei, aber auch praktisch und ihre Trägerin nicht einengen oder behindern.

Cocos Anfänge auf dem weiten Weg zur gefeierten Designerin beschreibt Lena Johansson in „Coco und die Revolution der Mode“. Sie zeichnet das Bild einer jungen Frau, die es besser haben will als ihre Mutter. Dabei denkt sie immer an ihre große, weitläufige Familie, stellt einzelne Mitglieder ein oder unterstützt sie mit Geld. Lenas Gabrielle ist eine träumende, zielstrebige junge Frau, die sich nicht unterkriegen lässt und mit Fleiß, Disziplin und Zielstrebigkeit ein Imperium aufbaut. Aus der kleinen Näherin, wird durch jahrelange harte Arbeit eine selbstbewusste Künstlerin.

Gabrielle hat kein Geld, sieht aber gut aus und verdreht den Männern mit ihrer offenen und unkonventionellen Art den Kopf, so wie dem jungen Offizier und Erbe Étienne Balsan. Sie zögert lange, sich mit ihm einzulassen, da er ihr von vornherein klarmacht, dass er sie zwar unterstützen, aber nicht heiraten würde. Er finanziert ihre Hutmacherei, sieht das aber nur als Hobby und nicht als Berufung oder gar Kunst – er musste noch nie Geld verdienen, das Konzept scheint ihm fremd zu sein. Als er Gabrielle Boy Chapel vorstellt, knistert es sofort zwischen ihnen, wahrscheinlich, weil Boy ebenfalls ein Arbeitstier ist und versteht, was sie antreibt. Aber ist er auch ein Partner fürs Leben?

Lena Johansson hat mich von der ersten Seite an in Cocos Bann gezogen. Sie schreibt extrem mitreisend über deren Leben zwischen Hunger und Überfluss, harter Arbeit und Jetset, Étienne und Boy. Ich habe das Buch an nur 2 Abenden regelrecht „durchgesuchtet“. Übrigens, falls ihr wissen wollt, wie es nach dem Ende des Buches weitergeht, kann ich Euch „Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe“ von Michelle Marly empfehlen.

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Veröffentlicht am 15.10.2024

Zuckersüße Köstlichkeiten

Wiener Zuckerbäckerei
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Ich kann mich noch gut an meinen ersten (und bisher leider auch einzigen) Besuch in Wien erinnern. Das war im Sommer 1990 während der Wende (ich stamme aus der DDR). Wir haben haben in einer Jugendherberge ...

Ich kann mich noch gut an meinen ersten (und bisher leider auch einzigen) Besuch in Wien erinnern. Das war im Sommer 1990 während der Wende (ich stamme aus der DDR). Wir haben haben in einer Jugendherberge in einer alten Kirche geschlafen, alle möglichen Sehenswürdigkeiten und Cafés besucht und natürlich Sachertorte, Marillenknödel und Palatschinken gegessen. Seitdem ist Wien für mich untrennbar mit dem Genuss von zuckersüßen Köstlichkeiten verbunden.

Bernadette Wörndl hat jetzt die handschriftlichen Rezepte ihrer Vorfahren vom Beginn des 19. Jahrhunderts in die heutigen Maßangaben und zeitgemäße Verhältnisse übersetzt und ein echtes Kleinod geschaffen. Schon beim Betrachten der Fotos und Durchlesen der Rezepte läuft einem das Wasser im Mund zusammen und man weiß nicht, welches man zuerst nachbacken möchte.

Ich kann Euch z.B. die Linzertorte empfehlen. Das Rezept ist kinderleicht, weil der Kuchen aus nur einer Sorte Teig für den Boden und das Gitter besteht. Auch bei der Marmelade kann man rumprobieren und eigentlich nichts falsch machen.

Die Mohntorte hat meine Familie besonders begeistert, vor allem die zitronige Note. Und auch sie verzeiht kleine (Anfänger)Fehler bei der Zubereitung.

An was denkt Ihr eigentlich, wenn Ihr „Hausfreunde“ hört? Hab ich es mir doch gedacht … Dabei sind das Kekse, die Cantuccini ähneln, aber viel weicher sind. Sie werden mit gehackten Nüssen, in Rum eingelegten kandierten Früchten und Rosinen verfeinert. Außerdem ist Anis und bittere Schokolade dran, das klingt ungewöhnlich, schmeckt in Kombination aber echt lecker.

Und wenn ein Rezept perfekt zum Titel des Buche passt, dann sind es die extrem flaumigen Topfenknödel mit Zwetschgenröster. Die Knödel werden nach dem Kochen in einer Zuckerbrösel-Mischung gewälzt, die so richtig schön knackt beim Draufbeißen. Sie sind auch recht schnell gemacht, aber Vorsicht, sie gehen im Topf extrem auf, also wirklich einen großen nehmen.

Knapp 80 Rezepte sind in diesem Buch vereint, aufgeschlüsselt nach Kuchen & Tartes, Torten, Schnitten & Rouladen, Teegebäck, Mehlspeisen, Weihnachtsgebäck und Puddings, Cremes & Eingekochtes. Dazu gibt es den perfekten Wiener Eiskaffee und ein Glossar für die Österreichischen Begriffe.

Hab ich Euch jetzt Appetit gemacht? Dann besorgt Euch das Buch und werft den Backofen oder Herd an. Gutes Gelingen und guten Appetit.

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Veröffentlicht am 13.10.2024

Spannende Jagd auf einen Serienmörder

Die weiße Stunde
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„Was hat die Frau nur getan, um so zu enden?!“ Kriminalinspektor August Emmerich und sein Mitarbeiter Ferdinand Winter haben ja schon einiges gesehen, aber die tote Marita Hochmeister erschreckt sie trotzdem. ...

„Was hat die Frau nur getan, um so zu enden?!“ Kriminalinspektor August Emmerich und sein Mitarbeiter Ferdinand Winter haben ja schon einiges gesehen, aber die tote Marita Hochmeister erschreckt sie trotzdem. Ihre Zugehfrau hat sie zugedeckt im Bett gefunden, darunter war Marita nackt und blutverschmiert, alle Glieder wurden verrenkt und ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Dabei hat der Täter keine Spuren hinterlassen, scheint nicht eingebrochen zu sein, hat nichts gestohlen und sich auch nicht an ihr vergangen. War es einer der Gäste, die am Vorabend Maritas Geburtstag mit ihr gefeiert haben?
Während Emmerich und Winter erste Überlegungen anstellen, mischt sich Heinrich Wertheim, der ehemalige Leiter der Abteilung Leib und Leben, in ihre Ermittlungen ein. Sein letzter Fall vor der Pensionierung vor 10 Jahren war ein Frauenmörder, der auf genau die gleiche Art und Weise dreimal getötet hat. Es gab damals einen Verdächtigen, dem sie die Taten allerdings nie nachweisen konnten und der dann plötzlich verschwunden war. Wertheim ist überzeugt, dass er jetzt zurückgekehrt ist und es nicht bei der einen Toten bleiben wird. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Doch das ist nicht Emmerichs einziges Problem. Er hat beim letzten Fall endlich herausgefunden, wer sein Vater war, und ihn auch beerbt. Leider stellt sich die Villa als Fass ohne Boden heraus. Emmerich fehlt das Geld für den Unterhalt des alten Gemäuers. Seine ganze Hoffnung liegt auf einem Schlüssel, der mit zum Erbe gehört und ihm hoffentlich die Tür zu einem Schatz öffnet – wenn er sie nur endlich finden würde.
Außerdem hängt ihm sein alter Freund Veit Kolja im Nacken. Der Schwarzhändler ist inzwischen in der Politik und wird (vermutlich von den Hakenkreuzler) wegen seiner Vergangenheit bedroht. Emmerich soll die Beweise dafür vernichten, dann sagt ihm Kolja, wo der Schlüssel passt …

Winter hat es ebenfalls nicht leicht. Seine Großmutter will ihn endlich unter die Haube bringen und trifft einfach Verabredungen für ihn. Das wiederum findet Emmerich gut. Die Damen sind nämlich aus besseren Kreisen und kannten Marita, Winter könnte also das (Un-)Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. „Aber bei dem Gedanken, ein Rendezvous für solche Zwecke auszunutzen, fühle ich mich schmutzig, bissl wie … eine Hure.“

Auch „Die weiße Stunde“, der 6. Fall von August Emmerich, ist wieder wahnsinnig spannend. Wertheim fokussiert sich auf den Täter von damals und mischt sich dauernd in die Ermittlungen ein, die Emmerich und Winter in die High Society von Wien, in die sich Marita hochgearbeitet hatte, und auf den Friedhof der Namenlosen führen. Denn mit einem hatte Wertheim recht, es folgen weitere tote Frauen. Ich hatte mich übrigens auch irgendwann auf einen Täter eingeschossen – und lag grandios daneben. Chapeau, wie Alex Beer den Fall am Ende aufgelöst hat, die literarische Referenz hat mir sehr gut gefallen. Außerdem will ich nach dem Cliffhanger natürlich wissen, wie es in Emmerichs Leben weitergeht.

Ich mag auch die Einbindung der privaten Hintergründe der Ermittler und wie sie von den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen beeinflusst werden. 1923 beherrscht die Hyperinflation den Alltag und Emmerich und seine kleine Familie versuchen sich als Selbstversorger.

Auch dieser Band wurde wieder grandios von Cornelius Obonya eingelesen. Er schafft es, jeder Figur ihre ganz eigene Stimme zu geben und die charakterlichen Merkmale herauszuarbeiten. Das ist ganz großes Hör-Kopf-Kino.

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Veröffentlicht am 07.10.2024

Herausragender historischer Roman

Am Fluss der Zeiten
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„Lieber Gott, warum hast du diese Welt erschaffen? Warum kann man gegen jemand anderen getauscht werden, als wäre er ein Stück Vieh oder eine Truhe? Ich bin doch ein Mensch…, nur dass ich eigenbehörig ...

„Lieber Gott, warum hast du diese Welt erschaffen? Warum kann man gegen jemand anderen getauscht werden, als wäre er ein Stück Vieh oder eine Truhe? Ich bin doch ein Mensch…, nur dass ich eigenbehörig bin…“ (S. 470)
Lüdinghausen 1551: Elze wächst als Eigenbehörige auf dem Kalmule-Hof ihrer Familie auf. Ihr Leben ist eng mit der Natur verbunden und scheint vorbestimmt zu sein. Die Familie bewirtschaftet den Hof schon seit mehrere Generationen, nach ihrem Vater Heinrich wird ihn Drees, der älteste Sohn übernehmen. Die anderen Söhne können dann entweder auf anderen Höfen einheiraten (wenn sie das Geld dafür aufbringen), oder, was wahrscheinlicher ist, bleiben ihr Leben lang als ledige Knechte auf dem Hof des Bruders. Bei den Töchtern ist es ähnlich, wenn sie keinen Hoferben heiraten, bleiben sie als Mägde zu Hause. Und noch hegt Elze keine Ambitionen in diese Richtung.

Elze lernt von klein auf alles, was eine Frau damals können und wissen muss. Angefangen beim Kochen, Backen und Haltbarmachen, über Hausarbeiten wie Nähen, Stopfen, Weben, bis zum Versorgen der Tiere und der Feldarbeit, bei der alle mitarbeiten müssen. Sie sind Selbstversorger, müssen aber von allem, was sie erwirtschaften, immer einen Teil an ihren Grundherren abgeben, egal, ob der Ertrag das hergibt oder nicht.
Ein wichtiger Pfeiler im Leben sind der Glauben, der erst vor wenigen Jahrzehnten reformiert wurde, und leider auch der Aberglaube.

Ulrike Renks „Am Fluss der Zeiten“ ist seit langem mal wieder ein historischer Roman, der aus der Masse heraussticht. In klaren Worten und völlig ungeschönt berichtet sie vom harten und entbehrungsreichen Leben der Bauern zur damaligen Zeit, von ihrer Abhängigkeit vom Grundherren und wie sie den Launen der Natur ausgesetzt sind. Dabei kommt sie ganz ohne Klischees, romantische Verklärung oder eine dramatische Liebesgeschichte aus, das Leben war auch so aufregend genug.

Eigenbehörige sein bedeutet, dass sie unfreie Bauern sind, die einem Gutsherren gehören und theoretisch an einen Hof gebunden sind, aber ein „Gesindejahr“ für ihren Herren ableisten müssen, das überall sein kann. Außerdem können sie gegen andere Hörige getauscht werden.
So passiert es auch Elze. Sie wird für ihr Gesindejahr nach Münster zu einem Domherren geschickt, aber schon nach einem halben Jahr zurück nach Hause berufen, allerdings nicht auf ihren Hof, sondern in Sichtweite auf die Burg Kakesbeck, um die sich eine gruselige Sage rankt. Schon ihr ganzes Leben hat sie Angst vor der Burg, in dessen Keller angeblich ein Ungeheuer lebt. Und jetzt muss sie für immer hier leben, es sei denn, ihr Herr tauscht sie nochmal ein. Wie es zu diesem ungewöhnlichen Schicksal kommt, Hörige von Höfen wurden nämlich nur selten vertauscht, verrate ich Euch natürlich nicht.

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Veröffentlicht am 30.09.2024

Bibliophiler Liebesroman

Winterzauber auf dem kleinen Bücherschiff
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„Dass ausgerechnet sie als Landratte einmal ein Schiff ihren Hafen nennen würde, hätte sie auch nicht gedacht.“ (S. 36)
Miris und Katjas Plan ist aufgegangen und das kleine Bücherschiff im Hamburger Hafen ...

„Dass ausgerechnet sie als Landratte einmal ein Schiff ihren Hafen nennen würde, hätte sie auch nicht gedacht.“ (S. 36)
Miris und Katjas Plan ist aufgegangen und das kleine Bücherschiff im Hamburger Hafen nicht mehr wegzudenken. Die Freundinnen haben sich ihren Traum erfüllt, als nächstes steht Miris Hochzeit an. Natürlich lässt es sich Katja als Trauzeugin nicht nehmen, alles zusammen mit dem Trauzeugen Mathis zu organisieren. Dumm nur, dass der nichts von starren Plänen und Zeitabläufen hält und sich die Meetings als Dates entpuppen. Der gutaussehende Steinmetz hat einen Narren an ihr gefressen, und auch sie ist nicht abgeneigt. Doch sie ist noch nicht über die Kontrollsucht und Erniedrigungen ihres Ex-Mannes hinweg. Dass Mathis oft einfach über sie bestimmt, um sie zu überraschen, erinnert sie stark an diese ungesunde Beziehung. Dann kommt auch noch Post von der Sparkasse, dass sie endlich ihren Kredit abbezahlen soll, sonst wird das Bücherschiff gepfändet – sie hat aber gar keinen aufgenommen?!

Der zweite Band des Bücherschiffs dreht sich um Katja. Die gelernte Floristin liebt es zu planen und organisiert für ihr Leben gern. Dass daran das Trauma, das ihr Ex-Mann verursacht hat, schuld ist, versteht sie erst spät und schämt sich, es Miri und Mathis zu sagen, was zu einigen Missverständnissen führt.

Das Flair der schwimmenden Buchhandlung mit ihren Stammgästen und Lesungen als Kaperfahrten kommt wieder sehr gut rüber. Dazu nistet sich noch ein kleiner Kater über den Winter im Bücherschiff ein und bringt das Herz aller zum Schmelzen.

Bibliophile Leser werden sich freuen, dass viele reale Bücher und Schriftsteller erwähnt werden und man mehr über sie erfährt. In einer Szene kommt ein berühmter Koch vor, dessen Namen zwar geändert ist, aber versierte Kochsendungsfans erkennen ihn garantiert.

„Winterzauber auf dem kleinen Bücherschiff“ ist eine schöne Liebesgeschichte mit winterlichem Flair. Mich hat nur gestört, dass Katja zu problembeladen ist und sich und ihrem Glück oft selbst im Weg steht. Fast alle ihre Gedanken drehen sich nur um ihre Konflikte mit ihrem Ex-Mann und ihre Angst, es Miri und Mathis sagen zu müssen. Das hätte man m.E. nicht so oft so ausführlich erwähnen müssen.

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