Körper, Ängste, Kälte und Freundschaft
9 Grad"9 Grad" von Elli Kolb erzählt die Geschichte von Josie, Rena, Anton und Lee.
Josie hat Probleme mit ihrem Körper, ihre beste Freundin Rena ist plötzlich krank. Dazu stößt Lee, den Josie über Tinder kennengelernt ...
"9 Grad" von Elli Kolb erzählt die Geschichte von Josie, Rena, Anton und Lee.
Josie hat Probleme mit ihrem Körper, ihre beste Freundin Rena ist plötzlich krank. Dazu stößt Lee, den Josie über Tinder kennengelernt hat, doch die junge Liebe wird belastet von Lees Depressionen.
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Josie erzählt. Der Schreibstil an sich ist recht angenehm und gut zu lesen, mir fehlte aber irgendwie etwas mehr Tiefe. Die Protagonisten blieben mir auf unerklärliche Weise leider irgendwie immer etwas fern.
Das Buch war ganz nett, konnte mich aber leider trotz der an sich sehr interessanten Thematik nicht komplett überzeugen. Es war mir auch etwas zu klischeehaft (schwuler bester Freund, Essstörungen, Tinder-Dates, Depressionen, ...); aber alle Themen wurden nur oberflächlich umgesetzt, nichts wurde ausreichend vertieft.
Ein paar gute Ansätze gab es aber:
"... und las nebenbei ein Buch, von dem ich wusste, dass ich selbst in irgendeiner Form darin vorkam. Ich hatte immer das Gefühl, mich selbst irgendwo suchen zu müssen, als wäre ich nicht genug präsent, um von mir oder anderen bemerkt zu werden."
"Wir müssten jederzeit leistungsfähig sein, das sei das eine Problem, aber wenn man einmal nicht leistungsfähig sei, dann bitte wegen etwas Geschlechtsneutralem wie Kopfschmerzen. Seine Periode zu haben, durfte dagegen nur in einem absolut vertraulichen Kontext geäußert werden, als sei es ein Verbrechen, dass man Schmerzen hatte, die man kaum beeinflussen konnte und für die der einen Hälfte der Menschheit die praktische Erfahrung fehlte, um sie richtig einordnen zu können."
" Plötzlich verstand ich, was Rena damit gemeint hatte, dass ich mir meinen Körper zurückholen musste. Ich musste ihn wieder zu etwas machen, was nur mir gehörte - nicht den Blicken anderer, nicht wie, nicht dem Schmerz, der allein daraus entstand, sich getrennt von der Welt zu fühlen weil man das einzige, was man sagen wollte, nicht sagen konnte.
...
Was wollte ich sagen, auch wenn niemand zuhörte und vor allem dann? Wie war es, wenn man sich selbst endlich nicht mehr als Foto in den Augen der anderen sah, sondern als etwas, dass das Gegenteil eines Produkts war: ein Lebewesen, dessen innere Welt mehr zählte als alles andere?"
"Und in diesem Moment wurde es mir schlagartig klar: es war nicht mein Fehler, wenn ich mich dafür verurteilte, wie ich aussah. Ich war Teil eines Systems, vor dessen blicken ich mich kaum schützen konnte, weshalb ich darauf reagieren musste."
Für mich bleibt ein Buch, das zwar ganz nett zu lesen war, aber trotz guter Ansätze leider keinen wirklich bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen wird.