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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.10.2024

So geht Spannung!

Tod am Nussdorfer Wehr
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„...Ein Notfall. Sturz vom Balkon, aus dem vierten Stock. Grund derzeit ungeklärt. Er konnte sich ausmalen, was ihn erwartete...“

Gegen vier Uhr in der Früh hatte ein Klingeln deshalb Grohsman aus dem ...

„...Ein Notfall. Sturz vom Balkon, aus dem vierten Stock. Grund derzeit ungeklärt. Er konnte sich ausmalen, was ihn erwartete...“

Gegen vier Uhr in der Früh hatte ein Klingeln deshalb Grohsman aus dem Schlaf gerissen. Da er nicht weiß, ob es Mord ist, ruft er Joe erst einmal nicht an.
Die Autorin hat erneut einen fesselnden Krimi geschrieben. Ich mag den feinen unterschwelligen Humor der Geschichte. Der Schriftstil ist sehr fein ausgearbeitet. Es gibt Sätze, auf die muss man erst einmal kommen. Nehmen wir zum Beispiel die folgende Formulierung:

„...Joe war eine sichere Autofahrerin. Man konnte ihr nicht nachsagen, dass sie den Verkehr aufhielt. Sogar seine Hündin winselte, wenn sie Joes giftgrünen Golf sah...“

Der Wiener Dialekt sorgt für die lokale Authentizität.
In der Wohnung des Toten fand in der Nacht eine Party statt. Dementsprechend findet die Kriminaltechnik Unmassen an Fingerabdrücken und Zigarettenstummeln. Deren Kommentar klingt so:

„...Das wird ein Gaudi, die Zuordnung. Na ja, andere spielen Sudoku, wir puzzeln mit Tschicks...“

Die erste Frage ist, ob es ein Unfall, ein Suizid oder ein Mord war. Die Antwort ändert sich immer mal wieder. Es gilt, in alle Richtungen zu ermitteln. Bei der großen Anzahl der Beteiligten sind die Befragungen nicht gerade einfach. Mir gefällt der Gedanke, die Figuren wie beim Schachspiel zu gruppieren.

„...Schach ist wie das Leben. Das Spiel entscheiden nicht immer die stärksten Figuren. Und manchmal muss man eine Figur opfern, um zu gewinnen...“

Ab und an lässt mich die Autorin an den Gedanken des Täters teilnehmen. Sie sind in kursiv gesetzt. Sie lassen allerdings mehr Fragen offen, als sie beantworten. Das sieht auch die Kriminalpsychologin Nicky so, bei der er schon länger wegen Depression in Behandlung ist.
Der Tote gehörte nicht gerade zu den sympathischen Zeitgenossen. Er hat sich mehr Feinde gemacht, als es für ein Leben gut ist. Er hat aber ebenso die Tiefen des Lebens kennengelernt.
Mir gefällt der Ermittlungsansatz, auf den Grohsman sein Neffe Lukas gebracht hat. Es geht darum, Muster zu erkennen. Das brauchen sie schon, um den Gesichtern der Partyfotos einen Namen zuordnen zu können.
Das Buch lebt von seiner ausgefeilten Sprache, den überraschenden Wendungen, die genauso unerwartet auftauchen wie neue Namen, und den Spiel mit Möglichkeiten.
Der Krimi hat mich ausgezeichnet unterhalten. Mehr davon!

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Veröffentlicht am 17.10.2024

Berührende Pferdegeschichte

Lauf wie der Wind, Sky!
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„...Meine erste Erinnerung ist der Klang von Wasser. Die Wärme der Sonne. Der Geruch meiner Mutter. Die Berührung ihrer Zunge auf meiner Haut und der Horizont als großer Kreis um mich herum...“

Mit diesen ...

„...Meine erste Erinnerung ist der Klang von Wasser. Die Wärme der Sonne. Der Geruch meiner Mutter. Die Berührung ihrer Zunge auf meiner Haut und der Horizont als großer Kreis um mich herum...“

Mit diesen Zeilen beginnt ein berührendes Tierbuch.
Die Autorin lässt das Hengstfohlen Sky seine Geschichte selbst erzählen. Der Schriftstil ist gut ausgearbeitet. Außerdem steht zu Beginn jedes Kapitels Ort und Jahr klein am oberen Rand der Seite.
Sky wird im Herbst 1856 in Nevada geboren. Die Pferdeherde ist gemeinsam mit einer Gruppe von Eseln unterwegs. Schön wird beschrieben, wie die Fohlen von den anderen umsorgt werden. Neben Sky gibt es noch Storm, eine einjährige Stute. Die benimmt sich gar nicht so, wie die älteren Tiere es von einem Stutenfohlen erwarten. Sie ist lebhaft und abenteuerlustig. Deutlich wird, welche Gefahren auf die Pferde lauern. Nach einer Geburt zum Beispiel sind die Wölfe schnell zu Stelle. Eine Regel begreift Sky bald:

„...Die Stutenfohlen bleiben und die Hengstfohlen kämpfen oder ziehen fort...“

Doch Sky will nicht kämpfen. Er achtet den Leithengst der Herde. Deshalb reitet er fort, als das Wasser für alle knapp wird. Doch er kommt nicht weit. Er trifft auf Menschen und wird mit dem Lasso eingefangen. Amüsant finde ich seine Meinung über die Menschen.

„...Menschen sind in der Mitte sehr biegsam und schneller, als sie aussehen. Für so dürre und krallenlose Wesen sind die Menschen echt nicht leicht zu erschrecken...“

Die Autorin bindet in die Handlung gekonnt historische Fakten ein. So erlebe ich durch Sky, wie die Ponny-Post-Route funktioniert. Gleichzeitig werden in den Stationen Kinder der indigenen Völker wie Sklaven gehalten.

„...Niemand hat den Hengstfohlen-Menschen gefüttert, den ganzen Morgen nicht. Was ist das hier nur für eine Herde? Meine Familie füttert die Fohlen immer zuerst...“
Sky möchte nur eines: seine Freiheit wieder haben. Aus den Gesprächen mit anderen Pferden und Maultieren lernt er, wie er mit den Menschen umgehen muss, um ihr Vertrauen zu erlangen.
Dann bietet sich ihm die Chance zur Flucht. Wird sie gelingen? Wird er seine Herde wieder finden?
Viele gut ausgearbeitete Schwarz-Weiß-Zeichnungen illustrieren das Buch.
Ein umfangreiches Nachwort vertieft die historischen Fakten. Außerdem enthält es eine Karte über Skys Weg.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 14.10.2024

Berührende Novellen

Jenseits des Nadirs
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„...Wie Clara wohl inzwischen aussehen wird? Ob sie einen Freund hat? Wie es wohl nder Schule für sie läuft? Ob sie schon Pläne für ihre Zukunft hat?...“

Diese Fragen stellt sich ein Vater in der ersten ...

„...Wie Clara wohl inzwischen aussehen wird? Ob sie einen Freund hat? Wie es wohl nder Schule für sie läuft? Ob sie schon Pläne für ihre Zukunft hat?...“

Diese Fragen stellt sich ein Vater in der ersten Novelle. Er wartet auf seine Tochter. Es ist fünf Jahre her, dass er sie das letzte Mal gesehen hat. Damals war sie 10 Jahre alt. Die Geschichte wird allein aus Sicht des Vaters erzählt. Das hat natürlich zur Folge, dass einige Dinge offen bleiben. Gleichzeitig werden die Selbstzweifel,aber auch die Hoffnung des Vaters deutlich.

„...Hier habe ich damals mit Marlene getankt. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Es war ein heißer Sommertag – genauso wie heute...“

Ein Großvater wiederholt mit seiner Enkelin die Reise in die USA, die er einst mit seiner Frau unternommen hat. Christa, die Enkelin, will in die Fußstapfen ihres Großvaters treten und Medizin studieren. Die Reise der beiden wird sehr stimmungsvoll erzählt. Dann aber kommt die große Wende. Der Großvater hat seine Zuckertabletten nicht genommen und viel zu viel gegessen. Im Krankenhaus entwickelt sich ein in die Tiefe gehendes Gespräch zwischen den beiden. Es ist getragen von gegenseitiger Zuneigung.

„...Darauf erklärte er mir, dass ein Mediziner nur die Zahlen und Fakten kennt. Aber der Arzt hat auch einen Blick auf den ganzen Patienten...“

Schwester Christina ist in Ronald verliebt. Er studiert Medizin und macht gerade ein Praktikum im Krankenhaus.Die obige Aussage stammt von ihm. Als aber ein dementer Patient eingeliefert wird, der nur noch wenige Stunden zu leben hat, zeigt sich, dass Ronald in der Praxis ganz anders tickt. Ihm fehlt es an Empathie.

„...Ich bin auf der Suche nach meinem Freund. Kannst du mir helfen, ihn zu finden?...“

Diese Frage stellt der Junge einen Astronomen. Der empfiehlt ihm, ihm beim Nadir zu suchen, weil das der entfernteste Punkt ist. Auf der Reise lernt der Junge verschiedene Personen kennen. Keiner kann ihm helfen. Doch dann steht er seinem Freund gegenüber, der ihm sagt, dass er ihm immer nah war. Er hat den Weg zu Jesu gefunden.
Die vier Novellen haben gemeinsam, dass es in jeder um menschliche Befindlichkeiten geht. Letztendlich spielt es vor allem in den ersten drei Gschichten die Frage eine Rolle, wie wir miteinander umgehen. Das klingt in den verschiedenen Begegnungen auch in der letzten Erzählung an.
Der Autor bleibt seinem gewohnten Schriftstil treu: kurze Sätze, pointierte Aussagen, klar gegliederte Absätze.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 12.10.2024

Bewegender und emotionaler Jugendroman

Das Verhalten ziemlich normaler Menschen
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„...Meine Mutter ist gestorben und alle sagen, dass ich nicht gut damit umgehe. Ich finde, man müsste sich Sorgen machen, wenn es anders wäre...“

Mit diesen Zeilen beginnt ein bewegende Jugendroman. Der ...

„...Meine Mutter ist gestorben und alle sagen, dass ich nicht gut damit umgehe. Ich finde, man müsste sich Sorgen machen, wenn es anders wäre...“

Mit diesen Zeilen beginnt ein bewegende Jugendroman. Der Schriftstil ist etwas Besonderes. Asher erzählt seine Geschichte selbst, manchmal in kurzen Sätzen, manchmal in Großbuchstaben, manchmal in Worten, die einzeln untereinander stehen.
Der 17jährige Asher hat seine Mutter durch einen Verkehrsunfall verloren. Zwar war der Fahrer des Sattelschleppers betrunken, kam aber trotzdem ungeschoren davon. Asher hat sich im Internet über den Unfallverursacher und seine Familie informiert.

„...Grace ist in meinem Alter, und Connor ist so alt wie Chloe, also praktisch genau umgekehrt wie bei uns. Nur, dass ihre Mutter nicht tot ist wie meine. Und mein Dad ist nicht betrunken Auto gefahren wie ihrer...“

Asher nimmt im Krankenhaus an zwei Trauergruppen teil. Bei einer lernt er Henry kennen, der schon über 80 Jahre ist und seine Frau verloren hat. Bei der anderen, in der sich nur Teenager treffen, trifft er auf Will, der um seinen kleinen Bruder trauert und auf Sloane, die ihren Vater durch Krebs verloren hat.
Asher lädt die drei ein, ihn nach Memphis zu begleiten. Henry wollte mmt seiner Frau gern Graceland, das Vermächtnis von Elvis besuchen. Asher weiß, dass der Unfallfahrer in Memphis lebt. Auch Will und Sloane sagen zu. Beide haben ihren eigenen Grund, der sie nach Memphis führt.
Die Reise wird zu einem Roadtrip durch die eigene Gefühlswelt. Gleichzeitig lernen sie sich besser kennen. Asher betrachtet Sloane.

„...Ich sehe über das Kaputte und das Hübsche, das Zerbrechliche und Verletzliche hinweg und suche nach dem, was darunter liegt und in ihr steckt...“

Heftig sind immer wieder Ashers Alpträume. Noch ahnt er nicht, was sich wirklich dahinter verbirgt. Das kommt erst, als ihn eine kurze Begegnung auf einen Spielplatz triggert.
Die wichtigste Szene für mich ist das Gespräch zwischen Will und Asher vor dem Haus des Unfallverursachers. Will weiß, was Asher vor hat. Doch er denkt weiter, da er als Außenstehender nicht befangen ist.

„...Weil Rache nur ein sehr kurzes Vergnügen ist. Rache fühlt sich nur wenige Sekunden lang gut an. Vielleicht. Sie ist es einfach nicht wert...“

Das Buch spielt gekonnt mit Emotionen. Es gibt Szenen der Trauer, Momente des Lachens und manchmal sogar eine Prise Romantik. Keiner kehrt so von der Reise zurück, wie er losgefahren ist.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es bewegt und berührt.

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Veröffentlicht am 11.10.2024

Raffiniert gestrickter Roman

Der lange Schatten
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„...Aber Ivor ist tot. Ivor kümmert es nicht, wann du heimgehst. Ihn wird nie wieder etwas kümmern. Du kannst gehen, so früh es dir passt...“

Schon diese Zeilen im ersten Kapitel lassen vermuten, dass ...

„...Aber Ivor ist tot. Ivor kümmert es nicht, wann du heimgehst. Ihn wird nie wieder etwas kümmern. Du kannst gehen, so früh es dir passt...“

Schon diese Zeilen im ersten Kapitel lassen vermuten, dass die Ehe von Imogen kein reiner Sonnenschein war. Seit zwei Monaten ist sie nun Witwe. Das ist in Gesellschaft nicht immer einfach. Ivor war ein bekannter Professor.
Die Autorin hat einen fesselnden Roman im Stile der englischen klassischen Spannungsliteratur geschrieben. Der Schriftstil ist sehr fein und raffiniert ausgearbeitet. Er vermittelt eine subtile Spannung. Nach außen hin geschieht nicht viel. Doch es sind die tausend Nadelstiche, die für Unruhe sorgen.
Auf der Veranstaltung von Myrtle wird ihr Terry vorgestellt. Sie kann dem jungen Mann nichts abgewinnen. Wenige Tage später allerdings konfrontiert er sie mit einem Verdacht.

„...Denn schauen Sie, Mrs. Barnicott, ich weiß zufällig recht viel über Ihren Mann und die Umstände seines Todes. Zum Beispiel, dass es kein Unfall war. Und Sie wissen das auch...“

Imogen lässt ihn abblitzen. Imogen ist die dritte Frau von Ivor gewesen.
Kurz vor Weihnachten steht Robin, der Sohn aus erster Ehe, vor der Tür und möchte einziehen. Er ist wieder einmal arbeitslos. Er hat eine Freundin mitgebracht, die gerade eine Unterkunft sucht. Seine Schwester Dot erscheint mit ihren beiden kleinen Söhnen wenig später und belegt ebenfalls ein Zimmer. Herbert, ihr Mann, folgt ihr. Und auch Cynthia,die zweite Frau von Ivor, steht bald auf der Matte, um Imogen in ihrer Trauer beizustehen. Wie hatte Imogen vor kurzem noch gedacht?

„...Das war das Wunderbarste daran, dass sie das Haus endlich für sich alleine hatte: Sie fiel niemanden auf die Nerven. Welche Wohltat, treppauf und wieder treppab stromern zu können, hinein in die Küche und wieder heraus, ohne das jemand fragte: Wonach suchst du, Liebes?...“

Die komplexen Beziehungen der Protagonisten sorgen für eine unterschwellige Spannung. Außerdem blitzt an vielen Stellen ein feiner Humor auf. Dazu kommen aber noch ungewöhnliche Vorkommnisse im Haus. Wer von den Bewohnern erlaubt sich diese fiesen Späße?
An Abreise dachte jedenfalls keiner. Imogen kommen dazu fast philosophische Gedanken.

„...Denn alles Vorübergehende trägt den Samen seiner eigenen Zerstörung in sich. Wenn es bleibt, wird es dadurch dauerhaft, verwandelt sich hinterrücks in eben den Feind, gegen den es eigentlich Schutz bieten sollte...“

Kurz vor Schluss gibt es eine dramatische Wendung. Plötzlich lösen sich alle Fragen auf.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Hier wird auf gekonnt raffinierte Art ein hoher Spannungsbogen aufgebaut.

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