In der Tiefe wartet das Grauen
Dieses Buch hatte es recht spontan auf meine Must-have Liste im April geschafft, denn ich hatte es eher kurzfristig zum Et überhaupt entdeckt. Genauso spontan war dann der Kauf (sonst verbringen Bücher ...
Dieses Buch hatte es recht spontan auf meine Must-have Liste im April geschafft, denn ich hatte es eher kurzfristig zum Et überhaupt entdeckt. Genauso spontan war dann der Kauf (sonst verbringen Bücher bei mir meist erst einige zeit auf der Wuli), was zum einen vielleicht auch am super Ebookpreis lag, aber auch weil ich einfach so richtig Lust auf einen unterhaltsamen Horrorroman hatte und das Thema “Geisterschiff” immer ganz besonders spannend finde. Doch hat sich dieser Impulsivkauf gelohnt?
Titanic goes Horror
Das Motiv des Geisterschiffs ist so alt, wie das Horrorgenre selbst, eigentlich sogar älter, wenn man den zahlreichen, schon seit Jahrhunderten auf See kursierenden Seemannsgarn von allerhand gespendeter und Geister auf den sieben Weltmeeren berücksichtigt. In der Vergangenheit mögen es die langen, oftmals rauen tage auf See gewesen sein, die die Fantasie der Seeleute beflügelt hat, doch auch heute ist die Faszination von verfluchten Schiffen und mysteriösen unbemannt dahintreibenden Booten ungebrochen. Und dann ebenso unsere heutige Faszination für die Luxusliner aus dem Anfang des 20. Jh. mit ihrer krassen Ambivalenz zwischen strenger Klassenhierarchie und Dekadenz. Und immer natürlich das Unglück der Titanic im kollektiven Gedächtnis
So oder so, diese Kombination war von Anfang an also sehr vielversprechend. Da braucht es dann tatsächlich auch gar nicht so viel Innovation im grundlegenden Handlungsverlauf. Eine Gruppe von Abenteuern/Schatzsucher/Forscher, was auch immer entdeckt ein seit Jahren verschollenes Schiff und geht auf Erkundungstour. Darcy Coates weicht hier von diesem aus diversen Horrorfilmen/Literatur bekannten Schema wenig ab, aber das muss sie auch gar nicht. Gerade weil man hier als Leser/in eine Ahnung hat, wie die Handlung verlaufen wird, steigt man schon beim allerersten Tauchgang mit der Crew schon mit erhöhtem Nervenkitzel ein, zumindest war es bei mir so. Sind unsere Protagonisten noch zunächst arglos und voller Forscherdrang, ist man selbst beim Lesen schon recht angespannt und hinterfragt jeden geschilderten Schatten, jede falsche Bewegung im Wasser argwöhnisch.
Das machte für mich das Buch von Beginn an spannend, auch wenn auf den ersten Tauchgängen gar nicht so viel passiert.
Da bleibt einem die Luft weg…
Dass auch die erste Hälfte des Buches ohne allzu viele Jumpscares unterhaltsam und spannend ist, liegt für mich auch an der hervorragenden Umsetzung des tachsettings. Man merkt zum einen, dass die Autorin entweder selbst dem Tauchsport nachgeht oder aber sehr gut recherchiert hat, jedenfalls bot das Buch bei allem Grusel auch interessante Einblicke in Techniken, Ausrüstung und Verhaltensweisen beim Tauchen, ich kann sagen, dass ich einiges gelernt habe.
Zum anderen ist besagtes Setting eben auch einfach mega beklemmend und damit nervenaufreibend. 100 Meter Wasser über sich, eine tiefe, in der man (wie gelernt) ein spezielles Gasgemisch im Tank haben muss, weil a) der Sauerstoff durch den Wasserdruck eine toxische Wirkung entfaltet und b) der in normaler Luft enthaltener Stickstoff zum sogenannten Tiefenrausch, einem betrunken ähnelnden Zustand führen kann. Von der allgemein bekannteren Taucherkrankheit mal ganz zu schweigen.
Schon ohne die übernatürlichen Vorgänge auf der Arcadia wäre also eine Erkundung des Wracks gefährlich und “intensiv” gewesen doch mit dem Schrecken, der dort unten Lauert, entfaltet sich beim Lesen eine bedrückende, doch einnehmende Atmosphäre, die einen sprichwörtlichen Sog ausübt und mich völlig in ihren Bann gezogen hat.
Der unbekannte Schrecken in der Tiefe
Bis kurz vor Schluss hätte ich dem Buch die volle Punktzahl gegeben und es wäre ein klarer Anwärter auf ein Jahreshighlight geworden. Doch leider, leider, ließ mich mal wieder das Ende eines Horrorromans in der Luft hängen. Ich liebe übernatürlichen Horror, aber eine Sache ist mir immer sehr wichtig: Ich will”s genau wissen. Ich brauche Hintergründe und Erklärungen, will immer ganz genau wissen, warum es spukt, woher der Fluch oder das Monster kommt und warum was auch immer in dem jeweiligen Roman grade Thema ist, gerade in Erscheinung tritt. Diese verborgene Geschichten und Vergangenheiten eines Ortes, von Figuren oder Objekten etc. zu erfahren, ist für mich ein großer Reiz des Genres und unabdingbar, damit mir ein Horrorroman wirklich gefällt.
Und zunächst schien From Below hier auf einem guten Weg, denn die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Zum einen die Gegenwart in der das Dokuteam das Wrack erkundet und zum anderen die Vergangenheit auf der letzten Fahrt der Arcadia. Die Autorin hat es geschickt gemacht und setzt den Beginn des Vergangenheit-Handlungsstrangs einige Tage vor Untergang des Schiffes an, sodass auch diese Rückblenden zunächst dem/der Leser/in nicht zu viel verraten und Geheimnisse erst nach und nach aufgedeckt werden. Das funktioniert lange Zeit sehr gut, doch zum Ende hin, als die Ereignisse dramatischer werden, scheinen die Ursachen in den Hintergrund zu rücken und irgendwann hören die Erklärungen ganz auf, obwohl bei weitem nicht alle Fragen geklärt sind. So schilder uns Darcy Coates zwar prinzipiell, wer oder was für den Untergang der Arcadia verantwortlich ist, lässt aber wichtige Details aus, wie etwa was genau XXX ist, wie es überhaupt dahinkam und was seine Beweggründe sind. Einfach nur “es ist böse” fand ich schon immer schwach.
Diese offenen Fragen, die mich nach Beenden des Buches nicht ganz zufrieden zurückließen, sind der Grund, dass das Buch die volle Punktzahl knapp verfehlt hat. Eine Leseempfehlung verdient es aber allemal, denn der Unterhaltungsfaktor war für mich bis zum Ende trotzdem sehr hoch.
Fazit:
Knapp am Jahreshighlight vorbeigerauscht. Dank eines spannenden (und gut recherchierten) Settings und eine wunderbar beklemmenden Atmosphäre hat das Buch mich fast komplett fesseln können und ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen. Lediglich die lückenhaften Hintergründe zum Schrecken in der Tiefe konnten mich mit meinem Wissensdurst nicht ganz überzeugen. Aber lesenswert ist das Buch dennoch allemal.