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Veröffentlicht am 16.10.2024

Der Greifer

Finster
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Den Anfang fand ich richtig gut: Eine Kirmes in einem kleinen Dorf, das einzige Highlight des Jahres 1986 und aller anderen Jahre zuvor. (Das hat mich irgendwie an meine Kindheit auf dem Dorf erinnert.) ...

Den Anfang fand ich richtig gut: Eine Kirmes in einem kleinen Dorf, das einzige Highlight des Jahres 1986 und aller anderen Jahre zuvor. (Das hat mich irgendwie an meine Kindheit auf dem Dorf erinnert.) Das Grauen hält jedoch mit der Kirmes Einzug in Katzenbrunn, als ein Junge spurlos verschwindet. Seit 1969 bereits das fünfte Kind. Den früheren Kommissar Hans Stahl läßt sein eigener Fall von 1976 nicht mehr los. Er hatte damals der Mutter des dreizehnjährigen Stefan versprochen, ihr den Sohn wieder nach Hause zu bringen. Bis jetzt hat er dieses Versprechen nicht halten können. Nun setzt er alles daran, den Greifer endlich zu fassen.

Vielleicht habe ich einfach schon zu viele Thriller gelesen, jedenfalls konnte mich dieser nicht überraschen. Man kann das Buch sehr schnell lesen, da der Sprachstil nicht besonders anspruchsvoll ist. Natürlich ist ein Thriller in erster Linie kein literarisches Werk mit künstlerischem Anspruch, aber mir war die Sprache fast schon ein wenig zu "seicht". Die Kapitel sind durchweg sehr kurz und die Handlung springt zwischen den verschiedenen Personen, die sich in Katzenbrunn tummeln, hin und her. Dabei bleiben die Charaktere recht oberflächlich. Den Charme der 1980er Jahre durch die Erwähnung zahlreicher zeitgenössischer Details zu verbreiten, ist eine clevere Idee, mag aber bei den Generationen nach den Babyboomern seine Wirkung verfehlen.

Wer nach einem Thriller sucht, den man in kürzester Zeit durchlesen kann und wer noch nicht (fast) jeden Kniff kennt, für den ist "Finster" sicher spannende Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 17.09.2024

Ausverkauf eines Volkes

Spuren
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Nanapush, der letzte seines Stammes, erzählt die Geschichte seines Volkes der kleinen Lulu, die er immer wieder direkt anspricht. Er macht ihr deutlich, wie viel verloren ist: Tiere, Flüsse, Bäume, Land, ...

Nanapush, der letzte seines Stammes, erzählt die Geschichte seines Volkes der kleinen Lulu, die er immer wieder direkt anspricht. Er macht ihr deutlich, wie viel verloren ist: Tiere, Flüsse, Bäume, Land, Traditionen, Familie. Die Zeit von 1912 bis 1924 wird in mehrere Kapiteln eingeteilt, die alle den indigenen Namen einer Jahreszeit tragen, der verdeutlicht, wie stark das Leben der Menschen mit ihrer Umwelt verknüpft war. In der geschilderten Zeitspanne geht es um das nackte Überleben, um das Sichern des Landes und um die schicksalhafte Verflechtung von wenigen Familien. Kleine Parzellen sind ihnen von ihrem Land geblieben und selbst diese will die Regierung ihnen wegnehmen und gewinnbringend weiterverkaufen. Im Zentrum steht Fleur Pillager, Lulus Mutter, die als einzige die Schwindsucht und den kalten Winter ihrer sechsköpfigen Familie überlebt hat. Zur Perspektive von Nanapush gesellt sich abwechselnd die des Mädchens Pauline Puyat hinzu, die im Reservat eine Aussenseiterin ist. Sie fungiert als eine Art Gegenspielerin zu Fleur.

Der Einstieg in die Geschichte ist mir nicht so leicht gefallen. Ich habe schon andere Romane der Autorin gelesen, die mich sofort in die Handlung gezogen hatten (z. B. Das Haus des Windes), das war hier nicht der Fall. Bis zum Ende bin ich nicht ganz warm geworden mit dieser Geschichte, die für mich eher kantig zu lesen war, ganz wie der Charakter von Fleur beschrieben werden kann. Es ist viel Mystisches im Text, Dinge, die ich gar nicht richtig verstanden habe, die mir fremd sind. Diese Dinge bleiben bei den Chippewa. Sie werden aber durch Nanapush eindringlich an die nächste Generation weitergegeben. Und auch die Fakten werden von dem alten Mann in seinen ganz eigenen Worten anschaulich beschrieben. Da blutet einem das Herz, wenn die Indigenen, die fast nichts mehr besitzen, im Winter fast erfrieren und verhungern, ihr Land für etwas Mehl hergeben; räudige Felle verkaufen, jede Geldnote sammeln, um die Grundsteuern bezahlen zu können.

Ein stellenweise wirklich erschütterndes Buch, das mir durch die Erzählweise aber nicht ganz so nahe gekommen ist, wie andere Bücher der Autorin, die selbst eine indigene Mutter hat. "Spuren" ist eines ihrer frühen Werke, das bereits 1988 erschienen ist.

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Veröffentlicht am 16.08.2024

Stockholm und Tübingen

WintersSpuren
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Eben war für Henriette, genannt Henry, die Welt in Stockholm noch in Ordnung. Dann wird sie am Telefon Zeugin, wie ihre Mutter an der Haustür erschossen wird. Im Haus entdeckt sie Hinweise, dass ihr Vater, ...

Eben war für Henriette, genannt Henry, die Welt in Stockholm noch in Ordnung. Dann wird sie am Telefon Zeugin, wie ihre Mutter an der Haustür erschossen wird. Im Haus entdeckt sie Hinweise, dass ihr Vater, den sie seit 30 Jahren für tot hält, noch am Leben sein könnte. Die Spür führt sie nach Tübingen, wo die Familie einst lebte.

Das klingt wieder mal ganz interessant, war aber ehrlicherweise nicht so aufregend. Die Handlung ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen und vieles ist vorhersehbar. (Wer bitte schön verwahrt einen Glastropfen als Glücksbringer über Tage in der hinteren Hosentasche?) Außerdem handelt die Protagonistin mal wieder so, dass man ständig sagen möchte, lass es doch bitte, bitte bleiben! Das finde ich immer ziemlich ärgerlich. Einzig die Kombination von Stockholm und Tübingen als Handlungsorte ist ungewöhnlich und für mich persönlich ganz witzig, weil ich öfter in Tübingen bin und z. B. auch jedes Mal an der Jugendherberge in der Gartenstraße vorbeikomme, in der Henry in Tübingen wohnt. Allerdings klingt es dann doch immer etwas putzig, wenn Henry, die eigentlich nur in Stockholm und für einige Zeit in Hamburg gelebt hat, von der Kehrwoche etc. spricht. Da schmilzt dann der Schwedenkrimi wieder zum Regionalkrimi zusammen und ist doch weder das eine noch das andere. Für zwischendurch ganz nett, dennoch für mich eher enttäuschend.

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Veröffentlicht am 31.07.2024

Stream of consciousness

Nahe dem wilden Herzen
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Mit dem Titel ihres Debütromans zitiert die Brasilianische Autorin (1920-1977) James Joyce. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie sich der gleichen Erzähltechnik bedient wie der Ire Joyce in seinem ...

Mit dem Titel ihres Debütromans zitiert die Brasilianische Autorin (1920-1977) James Joyce. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie sich der gleichen Erzähltechnik bedient wie der Ire Joyce in seinem Roman "Ulysses".

Im Zentrum von Lispectors Buch steht Joana, die als Waisenkind zu Onkel und Tante kommt, den Lehrer verehrt und dann in ein Internat geht. Sie heiratet Otávio, aber die Ehe scheitert. Otávios Ex-Freundin erwartet ein Kind von ihm und auch Joana hat einen namenlosen Geliebten, der nur schemenhaft auftaucht. Damit sind schon nahezu alle fassbaren Elemente des Romans geschildert. Es gibt keinerlei Impulse von Außen oder Beschreibungen der Umgebung, alles spielt sich nur im Kopf der Protagonistin und in kurzen Gesprächen ab. Joana hadert mit ihrem Leben und blickt in die Vergangenheit zurück. Der Tante war Joana unheimlich, Otávio war überfordert mit ihrer Phantasie: "Oh, verschone mich, hörte Joana aus Otávios Schweigen. Aber gleichzeitig mochte sie es, laut zu denken und ohne bestimmte Richtung einen Gedankengang zu entwickeln, der sich einfach weiterspann. Manchmal erfand sie aus reinem Vergnügen Gedanken [...]" (S. 121). Am Ende des Romans sieht sie jedoch voller Zuversicht in die Zukunft, sieht sich als starke und unabhängige Frau, die keine Angst hat.

Der Text ist voller Bilder und Vergleiche, die manchmal wunderschön sind, manchmal aber auch einfach rätselhaft. Es gibt viele Wiederholungen, wie um bestimmte Gedanken zu fassen zu bekommen. Insgesamt spricht aus dem Roman eine kraftvolle Stimme, allerdings hatte es für mich wenig Unterhaltungswert und ich habe mich wirklich stellenweise gequält.

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Veröffentlicht am 30.06.2024

Wieder ein Krimi unter dem Thriller-Deckmäntelchen

Perfect Secret – Hier ist Dein Geheimnis sicher
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Schon öfter war ein Pick aus dem Reese-Witherspoon-Book Club für mich eher eine Enttäuschung. Leider war das auch hier der Fall. Der Krimi, man kann es gar nicht Thriller nennen, kommt sehr behäbig daher. ...

Schon öfter war ein Pick aus dem Reese-Witherspoon-Book Club für mich eher eine Enttäuschung. Leider war das auch hier der Fall. Der Krimi, man kann es gar nicht Thriller nennen, kommt sehr behäbig daher. Deswegen hatte ich auch kein Problem damit, ihn nach der Hälfte erstmal für einige Wochen wegzulegen, weil anderes dringender war.

Avery ist Managerin für einige Ferienhäuser, die den wohlhabenden Eltern ihrer Freundin Sadie Loman gehören. Zum Saisonende wird eine Party in einem der leerstehenden Häuser veranstaltet. Alle kommen, bloß Sadie fehlt. Als die Polizei auftaucht, denken noch alle an eine Beschwerde wegen Ruhestörung. An den Felsen wurde jedoch die Leiche von Sadie gefunden und der Tod schließlich als Selbstmord eingestuft. Ein Jahr später findet eine Gedenkfeier für die Verstorbene statt und da kommt einiges ans Licht.

Mich hat das Buch interessiert, weil es in einem kleinen Küstenort in Maine spielt (liebe das Setting). Die ersten Seiten machten mich auch richtig glücklich, weil der Wohnsitz der Familie Loman von den Einheimischen Breakers genannt wird. Eine Anspielung auf das Anwesen der Familie Vanderbilt in Newport, Rhode Island, das ich im Januar besucht hatte. Tja, aber dann plätscherte die Handlung so vor sich hin. Die Geschichte wird von Avery in der Ich-Perspektive geschildert und die Kapitel springen zwischen Sommer 2017 (Party) und Sommer 2018 (Gedenkfeier) hin und her. Es dauert ziemlich lange, bis man sich ein Bild von allem und jedem machen kann und das nervt irgendwie. Auf den letzten 100 Seiten überschlagen sich die Ereignisse und es wird tatsächlich ein bisschen spannend, das wiegt die 300 Seiten vorher aber nicht auf. Zudem hat man nicht das Gefühl, dass die Charaktere alle um die dreißig sind, ich hatte immer Teenager vor Augen. Das Buch liest sich eigentlich ganz schnell, zieht sich aber durch die beschauliche Story wieder in die Länge. Mich hat außerdem gestört, dass zu Beginn nicht erklärt wird, was diese ominöse Plus-One-Party ist, die ständig erwähnt wird. Vielleicht bin ich auch die einzige, die den Begriff nicht kannte. Allerdings heißt es auch im Buch, dass jeder, der von der Party hört, auch eingeladen sei. Das widerspricht ja dem Sinn, dass nämlich jeder Eingeladene auch einen Gast (Plus One) mitbringen darf. Es wäre insgesamt auch sinnvoller gewesen, den originalen Titel "The Last House Guest" beizubehalten. Wer den Lesenden zutraut "Perfect Secret" zu übersetzen, denen kann auch der Original-Titel zugemutet werden.

Krimi für zwischendurch, der sich rasch liest, wenn man dranbleibt und am Ende auch ein bisschen überrascht. Allerdings verspricht der Klappentext mal wieder Dinge (ultimativer Thriller; Spannung bis zur letzten Seite), die aus meiner Sicht nicht gehalten werden können.

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