„Glas ist wie die Liebe“, so hat es die 18jährige Anna von ihrem verstorbenen Vater gesagt bekommen, „…Beides, Liebe und Glas, muss gefühlvoll behandelt werden, wenn es nicht zerbrechen soll.“ S. 5 Es ist 1895, Spiegelberg in Schwaben. Anna hat von ihrem Vater noch das Handwerk erlernt, sollte seine Glaswerkstatt erben, doch mit dem Niedergang der Glasindustrie in der Region durch die Konkurrenz aus Holland und den Wechsel des Geschmacks der Fürsten werden kaum noch die Dienste der Spiegelmacher benötigt. Die Familie ist verarmt, Werkstatt und Haus gepfändet, Anna muss sich ein gemietetes Zimmer mit der Mutter und der 12jährigen Schwester Elisabeth teilen. Die kaum Erwachsene hat Arbeit gefunden in der Werkstatt eines Kollegen ihres Vaters, als Zubrot fertigt und verkauft sie kleine Glasfiguren, Winterengel. Durch diese erweckt sie tatsächlich die Aufmerksamkeit von Queen Victoria und erhält einen geheimnisvollen Brief…
Wintergeschichte, historischer Roman, Krimi und Liebesgeschichte, das alles ist der Roman von Corina Bomann. Ich habe Anna schnell ins Herz geschlossen, die junge Frau, die es sich verbietet, noch Träume zu haben, sondern lieber etwas Anständiges zum Essen auf dem Tisch haben will. Dennoch wird ihr genau das hier präsentiert, die Chance, ihr Leben zu wenden, satt zu werden UND ihre Träume zu erfüllen. Das birgt ein großes Risiko: wenn sie geht, die Engel in England zu präsentieren, riskiert sie ihre sichere Anstellung in Deutschland. Doch das eigentliche Risiko erweist sich als noch größer, in Gefahren für ihr Leben, ihre Zukunft und…
Gerne habe ich diesen Roman gelesen, hielt auch den befürchteten Kitschfaktor nach der Leseprobe für gering. Wie sagt die Mutter zu Anna? „Ich mache mir immer Sorgen um dich, da kannst du sagen, was du willst“, entgegnete Mama. „Ich mache mir Sorgen, wenn du morgens aus dem Haus zum Arbeiten gehst. Wenn du in der Glaswerkstatt bist. Wenn du in der Dunkelheit die Landstraße entlanggehst. Wenn du auf dem Markt bist. Du bist meine Tochter, und ich glaube, es wird nie aufhören, dass ich mir Sorgen mache.“ S. 79 Das ist nachvollziehbar, eher nicht kitschig. Somit habe ich die Lektüre genossen, bis, ja bis auf die letzten knapp 100 Seiten. Liebesgeschichten sind zugegebenermaßen nicht meins, und die spezielle war mir dann doch etwas zu vorhersehbar, watteweich und, ja zu kitschig. Das ist jetzt nicht so, dass es mir den vorangegangenen Teil komplett verleidet, mir aber einen zu stark zuckrigen Geschmack im Mund zurücklässt. Dazu mag ich vielleicht bei dem Paar am Buchende an ein Chance bei so unterschiedlichem Hintergrund glauben, weniger jedoch daran, dass einer Frau mit einem Ehemann aus dieser Gesellschaftsschicht dieser spezielle Berufswunsch möglich war.
Also: Für die Liebhaber von Liebesgeschichten, die über das Genre hinausgehen wollen: perfekt. Für die, die einen geringen Anteil von Liebesgeschichte ertragen: immer noch. Für mich war es eher ein kurzweiliger Schmöker für nebenbei, der mir dann direkt am Heiligabend leichter durch die Fingerkuppen gerutscht wäre…
4 Sterne. Das Buch kann ja nix dafür…