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Veröffentlicht am 19.11.2024

Thrillig bis zur letzten Seite

Dein ist die Schuld
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Seit sehr vielen Jahre lese ich die Thriller von Mary Higgins Clark. Mit diesem Roman habe ich erneut in ihr Regal gegriffen. Obwohl ich auch die Thriller von Alafair Burke kenne, hatte ich noch nie eines ...

Seit sehr vielen Jahre lese ich die Thriller von Mary Higgins Clark. Mit diesem Roman habe ich erneut in ihr Regal gegriffen. Obwohl ich auch die Thriller von Alafair Burke kenne, hatte ich noch nie eines gelesen, was sie zusammen mit der großen Mary Higgins Clark, die leider bereits 2020 verstorben war, herausgebracht hat. Da war ich sehr gespannt drauf. Und um es vorwegzunehmen: Ich wurde nicht enttäuscht. »Dein ist die Schuld« ist der achte Band Laurie-Moran-Serie um das Fernsehteam.

Simon und Ethan sind Zwillingsbrüder die vorbildlicher nicht sein können, die eine beispiellose Ausstrahlung besitzen und beliebt sind, außerdem sind sie eineiige Zwillinge. Doch während der College-Abschlussparty hat einer der beiden grausam die Eltern ermordet. Der andere Zwilling hingegen hat ein unanfechtbares Alibi. Nun stellt sich die Frage, welcher von ihnen der Täter war und wer von ihnen tatsächlich am Tatort anwesend war. Ein Zeuge behauptet, einen der Zwillinge in der Nähe ihres Autos gesehen zu haben.

Keiner der Zwillinge wurde aufgrund unzureichender Beweislage angeklagt. Obwohl der Verdacht besteht, dass sie gemeinsam für den Tod ihrer Eltern verantwortlich sind, gibt es keine Beweise dafür und auch kein erkennbares Motiv. Könnten sie möglicherweise zusammen den perfekten Mord geplant haben?

Nach zehn Jahren erheben Simon und Ethan gegenseitige Anschuldigungen, da sie inzwischen eigene Familien gegründet haben und viel zu verlieren haben. Auf Bitte der kleinen Schwester der Zwillinge soll die Fernsehproduzentin Laurie Moran in ihrer Sendung Unter Verdacht diesen alten Fall lösen. Durch ihre Recherchen bringt sie eine Gefahr ans Tageslicht, die lange Zeit in der Vergangenheit vergraben war.

Mir hat es zuerst gefallen, dass die Ermittlungen von einer Fernsehproduktion für True-Crime-Dokumentationen durchgeführt werden. Das war für mich eine neue Konstellation, aber wenn man es genau betrachtet, ist es durchaus möglich, dass so etwas passiert.

Während Laurie Moran den Fall weiter untersucht, stößt sie auf immer mehr Hinweise, die zu einer Verschwörung führen könnten. Die Zwillinge Simon und Ethan geraten immer tiefer in den Verdacht, doch ihnen gelingt es, die Wahrheit geschickt zu verschleiern. Laurie ist jedoch entschlossen, den Fall zu lösen und die wahren Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Geschichte enthüllt nach und nach verschiedene Wendungen, Lügen und Geheimnisse, was die Spannung stetig steigert. Ich war unsicher, wer die guten und bösen Figuren waren. Das Ende überraschte mich. Ich hatte keine spezielle Erwartung daran. Während des gesamten Romans war ich gespannt, wer der Täter ist. Schließlich wird in einem atemlosen Finale die Wahrheit enthüllt.

Da die Figuren sehr überzeugend dargestellt werden, hatte ich keine Schwierigkeiten, sie in meinem mentalen Film einzubinden. Die Beschreibung der Gegend um Cape Cod gefällt mir ebenso. Ebenso nett von den Autorinnen eingebracht und erwähnt sind die vielen Namen von Schriftstellerkollegen oder deren Figuren wie Angie Kim, Robert Parker, Harlan Coben, Janelle Brown, Wendy Corsi Staub, Claudia Kincaid oder gar Harry Bosch.

Ein fesselnder und mitreißender Psychothriller mit einem überraschenden Ende, der durch die Zusammenarbeit von Higgins Clark und Burke überzeugt. Es ist bedauerlich, dass nach dem Ableben der Grand Dame keine weiteren Thriller angekündigt sind, die Alafair Burke eigenständig unter deren Namen schreibt. Dennoch gibt es ihre spannenden Thriller unter ihrem eigenen Namen, was sie zweifellos zu einer der Top Ladies of Thrill macht!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

Veröffentlicht am 16.11.2024

Spannend auf mehreren Schauplätzen

Eiskalt ist die Zärtlichkeit
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Dies ist der erste Band der sechsteiligen Chicago-Reihe dieser brillanten Thrillerautorin.

Der Ehemann von Grace Winters ist Polizist in einem kleinen Ort in North Carolina. Aber ihr Ehemann Robb ist ...

Dies ist der erste Band der sechsteiligen Chicago-Reihe dieser brillanten Thrillerautorin.

Der Ehemann von Grace Winters ist Polizist in einem kleinen Ort in North Carolina. Aber ihr Ehemann Robb ist auch ein unberechenbarer Psychopath. Keiner seiner Kollegen ahnt davon. Schließlich spielt Grace Winters die glückliche Ehefrau, die ihm sogar den Sohn Klein Rob gebärt. Doch nachdem er sie eine Treppe hinuntergestürzt hat und sie gerade noch dem Tode entkommen war, denkt sie an nichts anderes als ihm zu entkommen und den kleinen Rob vor seinem Vater zu schützen.

Schließlich setzt die junge Frau alles auf eine Karte: Sie täuscht ihren eigenen Tod vor, um endlich frei zu sein. Und der Plan geht dank der Hilfe von Krankenschwestern und einem Frauenhaus weit entfernt zunächst auch auf. Nach sieben Jahren stößt sie sogar auf eine große Liebe, die für sie unvorstellbar gewesen war, weil sie nie mehr einen Mann in ihre Nähe kommen lassen wollte.

Doch während Grace sich in ihrem neuen Leben einrichtet und sich schließlich sogar dieser neuen Liebe zu öffnen wagt, hat Robb Winters ihre Spur aufgenommen. Er will sich zurückholen, was ihm gehört!

Da ist zunächst die Jagd des Ehemanns und Psychopaten Robb Winters nach seiner Frau. Schnell wird klar, dass er so versessen auf seine geflohene Frau ist, dass er dabei über Leichen geht.

Der Polizist Robb Winters kam seiner Frau zunächst durch Zufall auf die Spur. Aber dieser Zufall ist auch der Grund, warum die Polizei erneut Ermittlungen zum Verschwinden von Grace Winters aufnimmt. Dabei holt sich die örtliche Polizeichefin Hilfe vom FBI, um keine ermittlungstechnischen Fehler zu begehen, weil sie vielleicht gegen einen ihrer Mitarbeiter vorgehen muss, der plötzlich ebenfalls verschwunden zu sein scheint. In diesem Strang jagt die Polizei also ihrem Mitarbeiter hinterher.

Parallel zu dem Ganzen erfahren die Leser von der erblühenden Liebe der „neuen“ Grace Winters, von ihrem sehr erwachsen scheinenden Sohn Rob, der seine Mutter beschützen will. Beide ahnen aber nicht, dass Robs Vater ihnen dicht auf den Fersen ist.

Karen Rose hat in diesem Thriller also bestens und in höchster Spannung einen Thriller mit einem Liebesroman verbunden. Erst am Ende kann man sich beruhigt zurücklehnen, wenn auf alles Schauplätzen die noch offenen Fragen geschlossen werden und man erfährt, wie es mit den einzelnen Figuren des Geschehens weitergehen wird. Also gerne eine höchste Empfehlung!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

Veröffentlicht am 08.11.2024

wohldosierter Mix aus spanischem Flair und spannenden Ermittlungen in einem heiklen Thema

Roter Sommer
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Dies ist mein erster Roman von Berna González Harbour. Er wurde 2023 in Spanien verfilmt. Es macht immer wieder Spaß, neue Autorinnen zu entdecken. Vor allem, wenn man nach den ersten Seiten schon spürt, ...

Dies ist mein erster Roman von Berna González Harbour. Er wurde 2023 in Spanien verfilmt. Es macht immer wieder Spaß, neue Autorinnen zu entdecken. Vor allem, wenn man nach den ersten Seiten schon spürt, dass sie etwas vom Handwerk verstehen.

Es ist ein heißer Sommer in Madrid. Die Fußballnationalmannschaft kämpft um den Titel. Ganz Madrid läuft in roten Trikots durch die Straßen. Da wird mehr zufällig eine Leiche im See eines Parks gefunden. Eigentlich war der junge Mann beschwert und sollte gar nicht an die Oberfläche kommen, doch das ging wohl schief.

Comisaria María Ruiz wird mit ihren Leuten trotz Fußball zum Tatort gerufen. Die etwas ­eigenwillige Comisaria hat bislang jeden ihrer Fälle gelöst und ist bekannt dafür, mit allen Regeln zu brechen. Doch noch muss es gar nicht dazu kommen, da taucht eine zweite Leiche in einem anderen Ort auf. Ebenfalls ein sehr junger Mann. Doch können die beiden Toten und deren Tod etwas miteinander zu tun haben? Ein Tattoo, welches beiden Jungs tragen und vom Tattookünstler auf den Namen Roter Sommer getauft wurde, stellt einen Zusammenhang her.

Dieses rätselhafte Tattoo des Toten führt sie zu einer katholischen Schule, hinter deren Türen sie düstere Geheimnisse wittert. Kaum haben die Ermittlungen begonnen, wird eine zweite Leiche gefunden. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Das Thema der pädophilen Priester ist bereits eine Herausforderung für viele Menschen, so auch für Leser, aber auch im besonderen Maße für die Schriftstellerin. Es ist schockierend zu erfahren, dass die katholische Kirche die Taten dieser Priester oft verschleiert hat. Es ist auch beunruhigend, dass Missbrauch in Familien und sogar in Schulen stattfindet, wo Kinder eigentlich geschützt werden sollten. Um so interessanter ist es, dass Berna González Harbour sich dieses Themas annimmt, um auf unterhaltsamer und spannender Weise auf dieses düstere Thema der katholischen Kirche hinzuweisen.

Der Roman verfügt über ein breitgefächertes Figurenensemble, das den Leser in seinen Bann zieht. Da ist die Kommissarin, die hart und unnahbar wirkt und keinerlei Emotionen an sich herankommen lassen will. Ihr Assistent ist clever und intelligent, aber es ist oft schwierig, ihm Informationen zu entlocken. Der Journalist hatte früher eine Beziehung mit der Kommissarin und ist immer noch von ihr fasziniert. Der Mentor der Kommissarin hat ihr viel beigebracht und sie geprägt. Nicht zuletzt spürt auch der Kriminaltechniker eine gewisse Anziehungskraft zur Chefin. Zusammen bilden sie mit ihren Beziehungen untereinander ein fesselndes Geflecht aus sympathischen Menschen.

Die Dramaturgie des Romans ist spannend aufgebaut. Es beginnt langsam und steigert sich von Kapitel zu Kapitel. Anfangs wird nur ermittelt, aber die Akteure geraten schließlich mächtig unter Druck und in Gefahr. Der Showdown am Ende ist mit viel Action verbunden. Nachdem der Fall gelöst ist, wird auch das Beziehungsgeflecht zufriedenstellend abgeschlossen. Obwohl man immer wieder Kapitel zu lesen bekommt, die offensichtlich die Perspektive des Täters darstellen, bleibt dieser dennoch bis zum Ende verborgen, was mir besonders gut gefallen hat.

Der Erzählstil der Autorin ist bildhaft und fesselnd. Mit vielen Details, wie zum Beispiel einer kleines Echse, die durch einen Mauerspalt lugt. oder den Geranien und Pelargonien, auf dem Weg zur Haustür, schafft sie es, ein lebendiges Bild der spanischen Lebensweise zu vermitteln. Gleichzeitig zieht sich das Thema Fußball wie ein angenehmes Hintergrundrauschen durch den gesamten Roman.

»Roter Sommer« ist ein spannender spanischer Krimi, der mit einem wirklich schwierigen Thema aufwartet, aber ganz großartig aufbereitet ist. Die Charaktere sind super interessant und man hat das Gefühl, sie richtig kennenzulernen. Besonders gelungen sind die Beziehungen zwischen den Figuren, die der Geschichte eine zusätzliche Tiefe verleihen. Die Handlung ist packend und die Täter sind bis zum Schluss nicht erkennbar, was für richtig spannende Lesestunden sorgt. Ideal für Krimifreunde, die gerne in komplexe Geschichten eintauchen!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

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Veröffentlicht am 18.10.2024

Heldenhafte Frauen in Vietnam

Die Frauen jenseits des Flusses
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Dieser Roman von Kristin Hannah geht emotional sehr tief und berührt unheimlich. An diesem Roman ist nichts schnulzig, obwohl es auch eine Liebesgeschichte gibt, die aber nicht das Thema darstellt, denn ...

Dieser Roman von Kristin Hannah geht emotional sehr tief und berührt unheimlich. An diesem Roman ist nichts schnulzig, obwohl es auch eine Liebesgeschichte gibt, die aber nicht das Thema darstellt, denn das geht viel weitreichender. Die romantische Geschichte dabei unterstützt das Verständnis für das wirkliche Thema in ganz besonderer Weise.

Worum geht es? Soldaten werden 1966 in den Krieg nach Vietnam geschickt. Für die Amerikaner hat dieser Krieg gerade erst begonnen. In der Familie McGrath ist der Vater stolz auf die familiäre Vergangenheit. In seinem Büro gibt es eine Galerie mit Bildern, auf denen die Vorfahren in Uniformen und mit Orden aus den unterschiedlichsten Kriegen abgebildet sind. Es gibt eine Party zur Verabschiedung des Sohns Finley, der sich für einen Einsatz in Vietnam eingeschrieben hatte. Der Vater beglückwünscht ihn für das “große Abenteuer”.

Frances Grace McGrath, genannt Frankie, die kleinere Schwester von Finley, ist ebenfalls stolz auf ihn. Aber sie hatte schon die gesamte Kindheit zu ihrem großen Bruder aufgeschaut. Es dauert nicht lange und die Familie wird darüber informiert, dass Finley McGrath heldenhaft im Krieg gefallen ist. Der Schock und die Trauer gehen sehr tief. Doch zur Beisetzung werden ihnen lediglich ein Paar Feldstiefel übergeben, die angeblich Finley gehört hatten.

Frankie trifft einen weitreichenden Entschluss. Auch sie möchte ihren Vater stolz machen und sucht Möglichkeiten, nach Vietnam zu gehen. Krankenschwester scheint ihr ein machbarer Weg. Doch bei den Marines und der Airforce müsste sie zunächst zwei Jahre in den USA in einem Krankenhaus lernen, bevor sie nach Vietnam geschickt würde. Das dauert ihr zu lange und sie erfährt, dass die Army sie nach einem mehrwöchigen Grundlehrgang gleich in den Krieg ziehen lassen würde. Stolz verkündet sie ihren Eltern, dass sie sich für Vietnam verpflichtet hat. Ihr Vater verlässt ohne ein Wort den Raum.

Was dann die junge Krankenschwesterschülerin Frances McGrath an ihrem ersten Tag in Vietnam erlebt, ist weit entfernt von dem, was sie im Grundlehrgang erfahren hat.

Thema des Romans, von dem ich bereits oben gesprochen habe, ist das Sichtbarmachen der weiblichen Helden während des Vietnam-Krieges in den 1960er Jahren. Viele Amerikaner hatten kein Verständnis dafür, dass Amerika Soldaten nach Vietnam schickte. Es waren aber nicht nur Männer, die dort hingingen. Es waren auch sehr viele Frauen dabei, die meist als Krankenschwestern in den Lazaretten unter Feindbeschuss ihre heldenhafte Arbeit leisteten. Nichtsdestotrotz waren diese Frauen Armeeangehörige und trugen Offiziersränge und Uniformen, die aber in den Dschungellazaretten keine Rolle spielten.

Bei der Rückkehr aus Vietnam wurden die Soldaten oft von den Bürgern beschimpft. Die Soldaten haben viele schlimmen Sachen erlebt und mit ansehen müssen, teils selbst ausführen müssen. Sie waren traumatisiert und es ist bekannt, dass sehr viele Drogen konsumiert wurden. Doch in der Heimat sollten sie keine Hilfe bekommen. Für die weiblichen Soldaten war die Rückkehr noch viel schlimmer: Es hat sie in der Öffentlichkeit gar nicht gegeben. “Frauen waren nicht in Vietnam!”

Dieser Roman hat mich persönlich sehr emotional mitgenommen. Ich habe mich so in die Szenerie hineinversetzen können, als wäre ich live dabei. Mich überzog sehr oft eine Gänsehaut. Und ich muss gestehen, ich musste bei aller Spannung, die die Geschichte bot, zweimal eine Pause von zwei bis drei Tagen machen und einen anderen Roman zwischendurch lesen, weil mich die Geschichte so mitnahm, dass ich nicht darin verharren durfte. Sie hat mich glatt umgehauen.

Dieser historische Roman zeigt auch sehr eindringlich, wie sich in “Notgemeinschaften” schnell Freundschaften bilden. Es waren Freundschaften, die sich so schnell gebildet haben und doch so tief gehen, dass es schmerzt, wenn sie auseinandergehen. Und in einem Krieg gehen Freundschaften auseinander, weil Menschen getötet werden, weil sie verletzt werden, oder auch weil Menschen in die Heimat zurückkehren. Kristin Hannah schafft die Illusion, dass man sich als Leser diesen Freundschaften zugehörig fühlt.

Mir standen manchmal die Tränen in den Augen, weil das Unheil des Krieges so bildhaft beschrieben wurden, dass einem dieses Grauen sehr nahe geht. In diesem Roman liegen Trauer und Freude oft ganz nah beieinander.

»Die Frauen jenseits des Flusses« ist ein fesselndes Buch, das den Leser sofort ins Geschehen hineinzieht. Die bildhafte Beschreibung macht es fast so, als wäre man selbst Teil der Geschichte. Es beleuchtet eine oft ignorierte Perspektive des Vietnam-Kriegs und bietet spannende Einblicke in die Hintergründe von PTBS. Besonders beeindruckend ist, dass es zeigt, wie auch Frauen Helden sein können. Die Figuren sind liebenswert, haben aber viel Leid erfahren, was das Buch emotional greifbar macht.

Natürlich wird das Leid des Krieges nicht ausgespart, was manchmal ganz schön heftig sein kann. Auch die Darstellung mancher Greueltaten ist nicht ohne, aber für das Gesamtbild unabdingbar. Insgesamt ein großartiges Werk, das zum Nachdenken anregt und das man nicht so schnell vergisst. Absolut empfehlenswert für jeden, der tiefere Einblicke in historische Themen sucht!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

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Veröffentlicht am 23.09.2024

Mit Herz und Humor erzählt

Gallwitz
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Vera F. Schreibers Debütroman ist ein zeitgenössischer Roman mit historischem Hintergrund, der die Selbstradikalisierung eines Mannes, das Scheitern einer Ehe und den Wunsch nach Glück thematisiert.

Jana ...

Vera F. Schreibers Debütroman ist ein zeitgenössischer Roman mit historischem Hintergrund, der die Selbstradikalisierung eines Mannes, das Scheitern einer Ehe und den Wunsch nach Glück thematisiert.

Jana Gallwitz freut sich darauf, sich in den wohlverdienten Ruhestand zu begeben. Nachdem sie einen gut bezahlten Job im Ausland hatte, plant sie Reisen und gemeinsame Aktivitäten mit ihrem Ehemann Hartmut. Allerdings hat Hartmut offensichtlich andere Pläne. Er ist heimlich einer rechtsextremen Partei beigetreten und nimmt nun ein politisches Mandat wahr. Sein Alltag ist von Verschwörungstheorien, Hass und Hetze geprägt, was Jana machtlos und immer verbitterter werden lässt. Dadurch zerbricht nicht nur ihre gemeinsame Lebensplanung, sondern sie wird immer häufiger auch sozial geächtet. Einer der Höhepunkte dabei ist eine Silvesterparty.

Karl Niemetz, der Lehrer von Jana in der Vergangenheit, zeigt mithilfe seiner eigenen Lebensgeschichte, dass Väter ohne Empathie nicht als Ausrede für alles, was ihre Söhne tun, herhalten müssen. Obwohl seine Kindheit ähnlich verlief wie die von Hartmut Gallwitz, ist er das komplette Gegenteil. Jana ist selbstbewusst genug, um mutige Entscheidungen zu treffen, die ihr Leben komplett verändern.

Vera F. Schreiber, eine Autorin, die zuvor im Technologiebereich tätig war, widmet sich in der heutigen Zeit einer herausfordernden Problematik: der gesellschaftlichen Spaltung in intolerante Lager.

Trotz der vorweggenommenen Ankündigung des Happy Ends im Prolog, ist es gerade diese positive Entwicklung, die die Leser dazu motiviert, den Roman fortzusetzen und herauszufinden, wie es zu diesem für Jana glücklichen Ausgang gekommen ist und was sie daraus macht.

Die Autorin untersucht die Ursachen für die zunehmende Spaltung der Gesellschaft, indem sie nicht nur in der Gegenwart bleibt, sondern auch Rückblenden in die Vergangenheit der Figuren einbindet. Diese Herangehensweise ist äußerst gelungen, da sie auch mich an Ereignisse aus meiner Kindheit erinnert hat, die damals als normal galten, heutzutage jedoch von jüngeren Generationen vergessen und abgelehnt werden. So manches Mal hielt ich beim Lesen inne und dachte: Ja, so war das damals.

Obwohl die Protagonistin im ersten Teil des Romans in einer ausweglosen Situation zu sein scheint, werden die Leser im zweiten Teil einen Hoffnungsschimmer spüren, der die Protagonistin in die Zukunft zieht. Eine neue Beziehung entwickelt sich und man ist gespannt, wie es darin weitergeht.

Trotz der ernsthaften Thematik, die von Vera F. Schreiber behandelt wird, zeigt sie dennoch Bereitschaft zu humorvollen Abweichungen. Die Hauptfigur hat einen schelmischen Zug an sich, wenn sie dem neuen Menschen in ihrem Leben vorerst verschweigt, dass sie sich bereits kennen. Eine ähnliche Situation entsteht dann beim Arztbesuch. Ein Schmunzeln kann beim Leser nicht verhindert werden.

Alles in allem fand ich die Herleitung des Verhaltens zweier Männer durch ähnliche Erziehung sehr interessant. Auch sind die humorvollen Szenen, die die menschliche Interaktion auflockern, amüsant zu lesen. Die klare Strukturierung in zwei Teile, die spannend zusammengeführt werden, gestattet ein einfaches Sich-Einlassen auf die Lebenswege der beiden Männer im Leben der Protagonistin. Die tiefgehende Argumentation zu Selbstradikalisierung und Verteidigung rechten Gedankenguts klingt plausibel und ist aus meiner Sicht gut nachvollziehbar. Dabei regt die positive Einstellung der Autorin zu ihrem Thema zum Nachdenken an. Das besondere Cover des Buches mit Lesebändchen ist visuell ansprechend und unterstreicht das Thema.

»Gallwitz« hat mir sehr gut gefallen und ich kann es jedem Leser ans Herz legen, der sich Gedanken über die heutige Gesellschaft in Deutschland macht.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

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