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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.12.2017

Wie lange dauert es noch bis diese Geschichte Realität wird?

Leere Herzen
5

Erschreckend.
Das ist das Wort, was mir als erstes in den Sinn kommt, nachdem ich "Leere Herzen" gelesen habe. Erschreckend kommt mir deshalb in den Sinn, weil die Geschichte von Britta Söldner, die - ...

Erschreckend.
Das ist das Wort, was mir als erstes in den Sinn kommt, nachdem ich "Leere Herzen" gelesen habe. Erschreckend kommt mir deshalb in den Sinn, weil die Geschichte von Britta Söldner, die - von der Politik verdrossen und von ihrer Familie unbemerkt - mit ihrem Partner Babak Hamwi ein lukratives Geschäft mit dem Tod führt, eine Geschichte ist, die im Deutschland der nahen Zukunft spielt und dabei so realistisch und verstörend daherkommt, dass einem einfach ein kalter Schauer über den Rücken laufen muss.

Es ist mein erstes Buch von Juli Zeh, aber nach "Leere Herzen" bestimmt nicht das letzte. Die Autorin versteht es meisterhaft, subtil Spannung aufzubauen und dem Leser immer wieder ein neues Puzzlestück zu geben, bis sich einem die volle Tragweite dessen erschließt, was dieses Geschäft eigentlich genau ist, das die Protagonistin da führt. Und sobald sich dieses Bild vollständig zusammengesetzt hat, ist man auch schon mittendrin im rasanten und brutalen Wettkampf um die Hoheit in diesem schmutzigen Business.

Mit Britta Söldner ist Juli Zeh eine Figur gelungen, die wie die nette Frau von nebenan daherkommt, die aber ein Doppelleben führt, von dem selbst ihr Mann und ihre Tochter nichts wissen. Obwohl eine richtige Identifikation mit ihr - zumindest bei mir - nicht stattgefunden hat, treibt einen beim Lesen die Faszination an, wie es Britta schafft, ihre Leben so klar zu trennen, und wie sie überhaupt so verdrossen und zynisch werden konnte, um ein Business wie "Die Brücke" aufzubauen. Immer wieder entdeckt man dann dabei, dass Britta Sätze fallen lässt, die eine Einstellung widerspiegeln, die man bereits heute oft hört, was die gesamte Geschichte noch greifbarer und näher rücken lässt.

Für mich ist "Leere Herzen" ein Warnschuss und deshalb ein Buch, das man gelesen haben sollte. Insbesondere Fans von Dystopien und Politthrillern werden ihren Spaß (oder vielmehr: Grusel) an diesem Buch haben und sich am Ende wohl genau wie ich fragen: Wie lange dauert es noch, bis diese Geschichte Realität wird?

Veröffentlicht am 29.11.2017

Die bessere Ferrante

Swing Time
1

"Swing Time" von Zadie Smith ist für mich die bessere "Meine geniale Freundin" - spannend, humorvoll und kurzweilig erzählt Smith hier die Geschichte von zwei Mädchen, die in jungen Jahren eine ganz besondere, ...

"Swing Time" von Zadie Smith ist für mich die bessere "Meine geniale Freundin" - spannend, humorvoll und kurzweilig erzählt Smith hier die Geschichte von zwei Mädchen, die in jungen Jahren eine ganz besondere, auch durch Wettkampf gezeichnete Freundschaft schließen, die im Laufe ihres Lebens jedoch immer weiter verblasst, auch wenn sie nie ganz aus dem Leben der anderen verschwinden.

Zadie Smiths Schreibstil ist einnehmend und wirft den Leser sofort in die Geschichte. Nach und nach wird die Geschichte der Protagonistin, deren Namen wir nie erfahren, von ihrer frühen Kindheit bis zu den jungen Erwachsenenjahren erzählt. Wer Smith kennt, weiß, dass es dabei immer nicht nur um die Beziehung der äußert lebendig wirkenden Figuren zueinander geht, sondern auch um größere Themen: in "Swing Time" um Zugehörigkeit und Identität. Smith nimmt den Leser mit in die Sozialbauten Londons, das Glamour-Leben eines Popstars in New York und in die davon ganz gegensätzliche Welt Afrikas und schafft es, den Leser in jede dieser Welten mühelos eintauchen zu lassen.

Nichtsdestotrotz sind es am Ende vor allem die Figuren, die einem in Erinnerung bleiben. Mit ihren Ecken und Kanten schwankt man als Leser immer wieder zwischen Sympathie und Antipathie, Bewunderung und Verachtung. Zusammengenommen ergeben die Figuren eine so herrliche wie meisterhafte Konstruktion, die letztendlich auch die Spannung des Buches ausmacht.

Insgesamt war "Swing Time" eine kurzweiligere und tiefschürfendere Leseerfahrung als "Meine geniale Freundin". Ohne erhobenen Zeigefinger erfährt der Leser hier viel über fremde Welten, gespickt durch viele kluge und zitatwürdige Sätze in Smiths wunderschönem Schreibstil.

Veröffentlicht am 19.09.2017

[S T I L L E]

Stille
1

Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je?
Mit diesen Fragen im Hinterkopf stellt uns Erling Kagge mit "Stille" 33 mögliche Antworten vor. Antworten, die von eigenen Erfahrungen, ...

Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je?
Mit diesen Fragen im Hinterkopf stellt uns Erling Kagge mit "Stille" 33 mögliche Antworten vor. Antworten, die von eigenen Erfahrungen, Reisen, philosophischen Auseinandersetzungen und Befragungen anderer handeln. Beim Lesen machen wir Abstecher in die Arktis, die Musik, zu Elon Musk, die Poesie und vieles mehr. Dabei bleibt Kagge in seinem Erzählstil immer auf dem Boden, im Hier und Jetzt und das in einem Plauderton als säße er mit uns im Wohnzimmer vor dem Kamin und würde uns eine Geschichte erzählen. Tatsächlich hat Kagge eine so angenehme, ruhige Art zu erzählen, dass man sie selbst ganz schnell findet: die Stille. In einem selbst und um sich herum, egal wo man gerade ist.

Das ist auch eine von Kagges Thesen: Dass man die Stille auch an bunten, belebten Orten finden kann, dass man nur den vielen Versuchungen widerstehen muss, die uns dazu bewegen wollen, etwas zu tun und dieser Unruhe zu erliegen, die wir empfinden, die wir schon seit unserer Geburt in uns tragen. Dazu kommt jedoch: "Wir leben in Zeiten des Lärms" (S. 44). Uns ist die Stille fremd geworden, wir empfinden sie oft als unangenehm, als etwas, was man aushalten muss.

Aus Kagges Worten geht jedoch eine tiefe Liebe, eine Achtung der Stille hervor, mit deren Hilfe wir zu uns selbst finden können. Seine Worte wecken eine Sehnsucht nach Stille und geben gleichzeitig Anreize, um über das eigene Leben nachzudenken und nach Wegen zu suchen, sich seine eigenen Momente der Stille zu schaffen. Dabei sind Kagges Gedanken so auf ihren Kern heruntergebrochen, dass jeder Satz zitierwürdig ist und man sich am liebsten die ganze Wohnung mit seinen Sätzen tapezieren würde, um sich täglich daran zu erinnen, welche Bedeutung Stille hat.

Für mich ist "Stille" ein Büchlein mit 33 klugen Gedanken, die einen (Nach-)Denkprozess über die Bedeutung von Stille im eigenen Leben anstoßen, so dass das Buch der in der Tat zu recht den Untertitel "Ein Wegweiser" trägt.

Veröffentlicht am 08.07.2019

Eine kulinarische Reise nach Stars Hollow

Eat Like A Gilmore
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"EAT LIKE A GILMORE" lässt wirklich jedes Gilmore Girl Herz höher schlagen. Schon beim Durchblättern merkt man: hier war ein echter Fan am Werk. Tatsächlich bestätigt sich das dann auch in der Einleitung ...

"EAT LIKE A GILMORE" lässt wirklich jedes Gilmore Girl Herz höher schlagen. Schon beim Durchblättern merkt man: hier war ein echter Fan am Werk. Tatsächlich bestätigt sich das dann auch in der Einleitung von Autorin Kristi Carlson, die so herzlich von ihrer Liebe zu dieser Serie berichtet, dass man sie direkt ins Herz schließt.

Was beim Durchblättern des Buchs ebenfalls direkt auffällt: Hier wurde wirklich an alles gedacht. Nicht nur findet sich eine Anleitung für den weltbesten (Lukes!) Kaffee in diesem Buch, sondern auch so gut wie jedes andere Gilmore'sche Rezept, wie z.B. Pancakes, Twinkies, Dessert-Sushi, Truthahn, Schoko-Schoko-Schokoladeneis, eine RORY, Hummer und so weiter und so fort. Für die, die sich etwas mehr zutrauen gibt es sogar extravagante Torten à la Sookie, die man nachbacken kann!

Das ist übrigens auch noch ein Punkt, den ich an diesem Kochbuch so sehr mag: es verzichtet auf allen Schnickschnack und arbeitet mit grunständigen Zutaten und Utensilien, die man in jeder Küche bzw. jedem Supermarkt findet. Die Rezepte sind einfach aufgebaut, dabei super verständlich und zu jedem Gericht gibt es ein Foto. Ein lustiges Schmankerl an dem Buch ist noch, dass es die Gerichte in verschiedene Kategorien unterteilt, nämlich in "Lukes Diner", "Emilys Haus", "Sookies Küche" und "Stadtspezialität" sowie noch zwei kleine Sonderkategorien - so weiß man als Fan immer sofort, in welchem Kontext dieses Gericht aufgetaucht ist. Dies findet man sonst aber auch schnell durch die liebevollen kurzen Einleitungstexte heraus, die die Autorin zu jedem Gericht geschrieben hat, wo sie noch einmal den speziellen Kontext erwähnt, in dem das Gericht in der Serie vorkam.

Alles in allem also wirklich das perfekte Buch für jeden Fan! Nun wissen wir natürlich alle, wie sich die Gilmores in der Serie ernähren, so dass das Buch sicher keins für die tägliche Küche ist, aber für besondere Anlässe oder einen Gilmore Girls Abend mit den besten Freunden ist es auf jeden Fall mehr als geeignet!

Ein Hinweis noch zur eBook Ausgabe: Diese ist meines Erachtens leider überhaupt nicht geeignet, da zumindest bei mir auf meinem Kindle die Seiten so durcheinander geraten sind, dass die Rezepte sich nicht mehr vernünftig nachkochen lassen.

Veröffentlicht am 20.10.2024

Sehr interessant

Coco und die Revolution der Mode
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Historische Romane sind normalerweise nicht mein Fall, aber die Geschichte von Coco Chanel hat mich dann doch interessiert und dazu bewogen, das Buch lesen zu wollen.

Die Geschichte startet in Cocos ...

Historische Romane sind normalerweise nicht mein Fall, aber die Geschichte von Coco Chanel hat mich dann doch interessiert und dazu bewogen, das Buch lesen zu wollen.

Die Geschichte startet in Cocos Kindheit mit dem Tod ihrer Mutter, der einige Ereignisse nach sich zog, die die Geschichte von Coco deutlich geprägt haben. Die erste Hälfte des Buchs war für mich leider etwas zäh, da ich die ganze Zeit auf den Moment hingefiebert habe, an dem Coco endlich ihr Talent fürs Schneidern entdeckt und ihr Modeimperium gründet. Ich musste mich dann noch etwas gedulden und hätte nicht gedacht, dass der Weg bis dahin doch so lang war. Am Ende hätte ich dann gerne auch noch etwas aus der Geschichte des Modeimperiums gehört, wie es nach den ersten Erfolgen weiterging, aber da war das Buch leider schon wieder zu Ende.

Nichtsdestotrotz hat mich die Geschichte sehr bewegt und beeindruckt und der Einblick in die Anfänge des 20. Jahrhunderts war spannend und authentisch. Schön fand ich auch, dass die Autorin am Ende nochmal ihre Quellen dargelegt und erklärt hat, an welchen Stellen sie sich ein paar dichterische Freiheiten genommen hat. Trotz der empfundenen Längen würde ich das Buch für alle, die an der Geschichte von Coco Chanel interessiert sind, aber dennoch weiterempfehlen!