Feeling blue - oder: eine Schwestern-Geschichte über Verlust, die Suche nach Liebe und sich selbst
Blue Sisters„Eine Schwester ist keine Freundin. Woher kommt der Drang, eine Beziehung, die so ursprünglich und komplex ist wie die zwischen Geschwistern, auf etwas derart Austauschbares und Banales wie Freundschaft ...
„Eine Schwester ist keine Freundin. Woher kommt der Drang, eine Beziehung, die so ursprünglich und komplex ist wie die zwischen Geschwistern, auf etwas derart Austauschbares und Banales wie Freundschaft zu reduzieren?“
In Blue Sisters erzählt Coco Mellors auf sprachlich wirklich brillante und mitreißende Art und Weise die Geschichte der vier Blue-Schwestern Avery, Bonnie, Nicky und Lucky. Ausgangspunkt ist der Tod der zweitjüngsten Schwester Nicky.
Bereits im Prolog wird deutlich, wie sehr jede der drei noch verbliebenen Schwestern mit dem Verlust von Nicky zu kämpfen hat. Wir lernen die Schwestern in eigenen, sich abwechselnden Kapiteln kennen, in denen auch immer wieder Einblicke in deren Vergangenheit, die Kindheit und die Beziehung zu den Eltern gewährt werden.
Als Einzelkind war es für mich besonders interessant, von den Dynamiken zwischen den einzelnen Schwestern zu lesen. Wie sie in verschiedenen Konstellationen mal mehr und mal weniger gut funktionieren und sich nun in einer neuen Konstellation neu finden müssen.
Coco Mellors schafft es in diesem Roman nicht nur die Themen Tod, Sucht, Verlust und (emotionale) Abhängigkeit zu thematisieren; sie baut außerdem weitere gesellschaftlich relevante Themen wie androzentrische Medizin, dysfunktionale Familienverhältnisse und psychische Erkrankungen mit ein.
Unbedingt hervorzuheben ist die meisterhafte Arbeit der Übersetzerin Lisa Kögeböhn. Es muss toll gewesen sein, sich in all die Themen des Buches einzuarbeiten (ich sage nur Trollpuppe).
Einige Passagen haben mir ehrlicherweise etwas zu schaffen gemacht, mich aber gleichzeitig tief berührt und in ihren Bann gezogen. Ich habe gelacht, war schockiert, musste mehrfach innehalten um die sprachliche Tiefe wirken zu lassen und war zu Tränen gerührt. Eine emotionale Reise, die noch lange Zeit nachwirken wird.
Für mich bisher das Highlight des Jahres und eine absolute Leseempfehlung!