Episch. Einfach E.P.I.S.C.H.
A Whisper of Wings
„A Whisper of Wings“ ist das Finale der „Rabenwinter-Saga“ und knüpft ein paar Monate nach den herben Schlägen, die die Wilde Jagd einstecken musste, an.
Während Smilla wie besessen nach Rache an den ...
„A Whisper of Wings“ ist das Finale der „Rabenwinter-Saga“ und knüpft ein paar Monate nach den herben Schlägen, die die Wilde Jagd einstecken musste, an.
Während Smilla wie besessen nach Rache an den Walküren giert, sich immer beschäftigt hält, um dem Schmerz ihrer Erinnerungen zu entgehen, wird sich die Söldnertruppe bewusst, dass niemand den Platz, den Gent hinterließ, auszufüllen vermag. Bevor sie sich jedoch wieder dazu aufmachen, nach goldgebenden Aufträgen zu suchen, wollen sie gemeinsam dem Tod der Lüfte Einhalt gebieten. Dafür brauchen Freya, Andórr und die restlichen Krieger Hilfe, Mächte, deren Existenz ebenso ungewiss ist wie der Ort, an dem sie zu finden sind … Aber die Wilde Jagd hat noch vor keiner Herausforderung zurückgeschreckt und so macht sich die berüchtigte Gruppe auf. Nicht ahnend, in welches Nest aus Intrigen sie stolpern, in welchen Wahnsinn sie gezogen werden. Dass am Ende ein Krieg wartet, in dem sie die einzige Chance Middangards sind.
Ich wusste lange nicht, ob ich die Fortsetzung dieser High-Fantasy-Dilogie wirklich lesen möchte, da „A Breath of Winter“ für mich ein rundum perfektes Highlight war. Die Neugier hat gesiegt und ich bereue … nichts!
Wie schon im Auftakt der Serie ließ uns Carina Schnell detailreich an den Gegebenheiten teilhaben, sog uns mit ihren ausdrucksstarken Worten mitten ins Geschehen. welches von einer – für die nordische Mythologie typischen – rauen und kalten Atmosphäre, einem Hauch Bedrohung umschmeichelt wird. Die Autorin führt den Trupp durch Wälder, über Meere, in fremde Gebiete und andere Welten, trägt sie in Höhen und hinein in uralte Konfrontationen. Hauptsächlich erleben wir die Ereignisse aus Smillas Sicht: hin- und hergerissen zwischen Schuld und Scham, Sehnsucht und Hass. Vergebung? Für sie keine Option. Denn wie sollte sie dem Mann, der ihr alles nahm, je wieder Glauben schenken?
Abgesehen der innigen, wenn auch nicht durchweg harmonischen, Dynamiken innerhalb der Wilden Jagd, weckte Schnell mit dem einen oder anderen überraschenden Wiedersehen wie auch durch neue Begegnungen ein nervöses Kribbeln und Euphorie. Jedes Aufeinandertreffen verschiedener Parteien, nie gewiss, ob Freund oder Feind, wurde ein ums andere Mal auf aufregende Art inszeniert.
Der Verlauf ist aufwendig mit angriffslustigen Kreaturen, mythologischen Begrifflichkeiten, Irrungen, Hürden und Zweifeln bestückt. Die schockierenden Offenbarungen des Vorgängers und die widersprüchlichen Empfindungen der Protagonisten werden gekonnt aufgearbeitet. Hintergründe über einzelne Umstände sowie individuelle Intentionen, über Aufgaben, die zum Scheitern verurteilt sind, und Unterstützung in letzter Minute, solche, die täuscht, füllen mit zahlreichen Twists, ungeahnten Entwicklung und tödlichen Gefahren die Seiten.
Nicht nur mit dem ausgefeilten Worldbuilding, den erschwerten Bedingungen und der durchdachten, oft tragischen Storyline, sondern auch mit den zumeist derben und harten, vielfältigen und facettenreichen Charakteren, häufig unnahbar, schwer zu deuten, konnte mich diese Serie begeistern. In der Fortsetzung bekommen Gottheiten und Mythologie deutlich mehr Raum als es im Auftakt der Fall war, ließen mit magischen Szenen und der damit einhergehenden Dunkelheit Gänsehaut entstehen. Ich fand die Interpretation der nordischen Sagen, die sorgfältig gesponnenen Täuschungen und perfiden Pläne durchweg spannend und abwechslungsreich.
Ein weiterer Pluspunkt: Das Augenmerk liegt auf der Rettung Middangards und der Bedrohung durch Walküren und Unsterbliche, verliert sich trotz der nie zur Ruhe kommenden Gefühlswelten von Hexe und Schlächter nicht in der Romantik. Jedoch geben Smillas stetiges ringen mit der Versuchung, endlich Rache zu üben, und Gents Kampf gegen die Verführung des Knochendolchs, diesem Strang eine lodernde Anspannung. Verzweiflung. Zorn.
Am Ende wartet eine epische Schlacht – doch wer kämpft auf welcher Seite?
„A Whisper of Wings“ ist von Blut und tiefer Traurigkeit durchtränkt, von Melancholie, Wehmut und dem Wunsch nach Vergeltung. Aber auch von herzzerreißenden Momenten und Adrenalin. Carina greift zu Found Family, webt gekonnt unerwiderte Liebe und Casual Querness in ihre Geschichte, spricht von Hass und Vergebung und erinnert daran, dass unser Schicksal und unsere Entscheidungen in unserer Hand liegen, nur in unserer.