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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.10.2024

Aktuelle Themen, künstlerischer Schreibstil

Hey guten Morgen, wie geht es dir?
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“Hey guten Morgen, wie geht es dir?” hat einen sehr eigenen Stil; er ist szenisch, fast lyrisch und lässt sich leicht lesen. Damit passt er gut zur Protagonistin Juno, die selbst Theater spielt und Stücke ...

“Hey guten Morgen, wie geht es dir?” hat einen sehr eigenen Stil; er ist szenisch, fast lyrisch und lässt sich leicht lesen. Damit passt er gut zur Protagonistin Juno, die selbst Theater spielt und Stücke schreibt.
Der Roman behandelt viele aktuelle Themen, darunter Ableismus, Rassismus, Care-Arbeit, das Altern und natürlich Love-Scamming. Wobei letzteres für Betroffene schwierig zu lesen sein könnte, da Opfern mehr oder weniger die Schuld selbst zugeschoben wird.
Außerdem wird mit vielen Gegensätzen gearbeitet, das fängt schon damit an, dass jegliche Charaktere göttliche Namen aus verschiedenen Mythen bekommen haben, aber mit irdischen Problemen und ihrer eigenen Sterblichkeit klarkommen müssen. Auch dass Juno auf der Bühne als Schauspielerin in Pailletten strahlt, abseits ihrer Rollen aber wochenlang von Haferflocken leben muss, ist ein solcher Gegensatz.
Ich hatte leider so meine Probleme mit der Protagonistin, bin nicht warmgeworden mit ihr. Auch die Beziehung zu Jupiter habe ich nicht ganz verstanden, manchmal liest es sich so, als hätten sie kaum Kontakt (obwohl sie in einer Wohnung leben und er auf sie angewiesen ist) und als ginge es ihr nur um sein Pflegegeld, doch wenn er mal vorkommt, sind ihre Gedanken stets liebevoll, der Umgang warmherzig und vertraut.
Die vielen angesprochenen Handlungs- und Themenstränge verlaufen eher nebeneinander statt miteinander und am Ende ins Nichts.
Ich habe für mich persönlich gemerkt, dass mir ein klassischer Roman, der eine klare Geschichte erzählt, lieber ist. Für alle, die offen für einen experimentellen, künstlerischen Schreibstil sind, ist das Buch sicherlich empfehlenswerter.
Dennoch freue ich mich, dass Martina Hefter so viele begeisterte Leser*innen gefunden hat und gratuliere herzlich zum Gewinn des Deutschen Buchpreises 2024.

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Veröffentlicht am 23.10.2024

Sehr sachlich, aber interessant

Das Igel-Tagebuch
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In “Das Igel-Tagebuch” schreibt die Journalistin Sarah Sands ihre persönlichen Erfahrungen nieder. Anlass dazu gegeben haben ihr kranker Vater, der kleine Igel Peggy und wie sie darauf hofft, dass beide ...

In “Das Igel-Tagebuch” schreibt die Journalistin Sarah Sands ihre persönlichen Erfahrungen nieder. Anlass dazu gegeben haben ihr kranker Vater, der kleine Igel Peggy und wie sie darauf hofft, dass beide den Winter überstehen.
Sie berichtet aber hauptsächlich von den Ergebnissen ihrer Recherche, sodass viele Fakten und Zitate von Dichtern und Philosophen zusammenkommen - denn die unscheinbaren Tierchen begeistern uns Menschen seit jeher.
Aus dem kurzen Büchlein kann man also viel Neues lernen und die Igel-Obsession, die manche Personen darin haben, auf jeden Fall nachvollziehen. Ich fand gerade den Schluss sehr interessant, bei dem noch einmal die Rolle des Igels in Bezug auf die Umwelt im engeren und weiteren Sinne beleuchtet wird.
Generell ist es sehr schön zu lesen, mit welchem Respekt und welcher Anerkennung die Natur beschrieben wird - denn sie ist definitiv schützens- und liebenswert, etwas absolut Einzigartiges.
Leider war der Schreibstil sehr nüchtern. Auch wenn es ein Sachbuch ist, hatte ich durch die vielen persönlichen Passagen einen etwas romanhafteren Erzählstil erwartet (ähnlich wie in “Das Evangelium der Aale”). So hat es sich eher wie eine Analyse gelesen, zwischendurch ist es einfach nur eine Aneinanderreihung von Fakten und Zitaten und es fällt dadurch schwer, am Ball zu bleiben.
Wer sich für die Lebensweise von Igeln in England interessiert, wie sie dort geschützt werden und was man selbst als Gartenbesitzer*in tun kann, sollte das Buch lesen. Wer eine warmherzige Geschichte über die Pflege eines jungen Igelweibchens lesen möchte, eher nicht - denn dieser Part kommt recht kurz.

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Veröffentlicht am 01.10.2024

Größtenteils spannend, wenn auch nicht immer glaubwürdig

The Institution
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Tara, Krankenschwester im Hochsicherheitsgefängnis und hochschwanger, wird ermordet an ihrem Arbeitsplatz aufgefunden. Und nicht nur das: Das Ungeborene wurde als Geisel mitgenommen.
Profilerin Dr. Connie ...

Tara, Krankenschwester im Hochsicherheitsgefängnis und hochschwanger, wird ermordet an ihrem Arbeitsplatz aufgefunden. Und nicht nur das: Das Ungeborene wurde als Geisel mitgenommen.
Profilerin Dr. Connie lässt sich einweisen und beginnt mit ihren verdeckten Ermittlungen. Die Zeit spielt gegen sie. Wird sie es schaffen, das Baby lebend zu finden?

Das Setting von “The Institution” erinnert ein wenig an “Shutter Island”: ein Hochsicherheitsgefängnis für psychisch kranke Verbrecher, abgeschieden auf einer Insel, draußen ein tosender Sturm und drinnen ein grausames Verbrechen.
Also erstmal höchst spannend. Der Anfang beginnt brisant, nach einer kurzen Leichenschau lässt sich unsere Protagonisten Dr. Connie schon gemeinsam mit ihrem Kollegen in die Institution einweisen. Hier lernen wir die Insassen und Mitarbeiter*innen kennen und können erste Vermutungen aufstellen.
Besonders gelungen sind dabei meiner Meinung nach die Therapiegespräche, die Dr. Connie führt; die Straftäter und ihre Hintergrundgeschichten fand ich dabei gleichermaßen spannend und überzeugend.
Im Mittelteil gab es allerdings auch einige Längen, hier kommt die Story nicht so richtig in Fahrt und die Suche nach dem Baby bleibt etwas auf der Strecke.
Im letzten Drittel überrollen sich die Ereignisse dann auf einmal, hier war es mir von allem etwas zu viel. Hier überwiegt die Action/ Brutalität und die Glaubwürdigkeit der Handlung lässt nach.
Dennoch war der Thriller größtenteils sehr unterhaltsam und ich mochte es, wie man gemeinsam mit der Profilerin Theorien aufstellen konnte und (teils wortwörtlich) im Dunkeln getappt ist. ⭐️3,5/5⭐️

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Veröffentlicht am 17.09.2024

Schweres Thema, leichte Literatur

Als Großmutter im Regen tanzte
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Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zieht Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern.
Hier entdeckt sie ein Foto ihrer norwegischen Großmutter mit einem deutschen Soldaten. Wer ist der unbekannte ...

Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zieht Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern.
Hier entdeckt sie ein Foto ihrer norwegischen Großmutter mit einem deutschen Soldaten. Wer ist der unbekannte Mann?
Auf ihrer Reise in die Vergangenheit muss Juni feststellen, dass es in ihrer Familie so einige ungelüftete Geheimnisse gibt.

“Als Großmutter im Regen tanzte” ist ein Roman, der in zwei Zeitebenen spielt: Juni in der Gegenwart und ihre Großmutter Tekla ab 1945. Während ich Teklas Geschichte durchaus fesselnd fand, kam mir Juni etwas blass vor. Der komplette Handlungsstrang mit Georg hätte meiner Meinung nach nicht sein müssen und ihre gemeinsamen Szenen haben sich dadurch sehr nach Schmonzette angefühlt.
Tekla hingegen vertritt die Frauen, die im Krieg als “Deutschenmädchen” ihre norwegische Staatsbürgerschaft verloren haben. In ihren Kapiteln erfährt man viel über Nachkriegsdeutschland, die Tragödie von Demmin im Speziellen. Solche emotionalen Berichte rufen einem immer wieder ins Gedächtnis, was für schreckliche Zeiten Menschen auch nach dem Krieg noch durchleben mussten. Trotz aller Grausamkeiten trifft Tekla auf ihrer Reise immer wieder auf Personen, die das Positive in unscheinbaren Dingen sehen und gerade diese kleinen Lichtblicke fand ich sehr berührend.
Als sehr interessant habe ich noch das Thema des Generationentraumas empfunden, welches sich von Tekla bis zu ihrer Enkelin Juni zieht und den Kreis schließt.

Der Roman ist flüssig, aber nicht anspruchsvoll geschrieben und lässt sich gut weglesen. Er hat mich unterhalten und mir noch einmal die persönlichen Tragödien vor Augen geführt, die sich während und unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg tagtäglich abgespielt haben. Trotz des schweren Themas würde ich ihn eher als leichte Literatur einstufen. Wer danach sucht, bekommt eine klare Empfehlung. ⭐️3,5/5⭐️

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Veröffentlicht am 03.08.2024

Interessant, aber langatmig

Glück
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Marie-Claire und Anahita haben eins gemeinsam: Sie sind beide 39 und kinderlos. Sie haben das Thema bisher auf später vertagt und müssen sich nun damit auseinandersetzen, bevor es zu spät ist.
Doch was ...

Marie-Claire und Anahita haben eins gemeinsam: Sie sind beide 39 und kinderlos. Sie haben das Thema bisher auf später vertagt und müssen sich nun damit auseinandersetzen, bevor es zu spät ist.
Doch was wäre, wenn man die fruchtbare Phase bei Frauen verlängern könnte? Wenn sie ebenso viel Zeit hätten wie Männer?
Und braucht eine Frau überhaupt Kinder, um glücklich zu sein?

In “Glück” erzählt Jackie Thomae die Geschichte verschiedener Frauen desselben Alters. Im Mittelpunkt stehen Marie-Claire und Anahita, beide fühlen sich unter Druck gesetzt von ihrer Biologie: denn beiden bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Kinderfrage zu beantworten. Und dann erscheint auf einmal eine Pille auf dem Markt, die den Druck nehmen soll.
Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht verschiedener Frauen geschrieben, die alle mehr oder weniger miteinander zu tun haben. So erfährt man als Leser*in viel über die verschiedenen Lebensentwürfe und Gedanken rund um das Thema Mutterschaft.

Da das Buch an sich nicht viel Handlung bietet, sondern mehr ein Einblick in die verschiedenen Gedankengänge ist, zieht sich der erste Teil des Romans etwas. Die beiden Protagonistinnen sind unnahbar und ihre Gedanken manchmal wirr und schwer nachvollziehbar.
Als dann im zweiten Teil die Pille aufkommt, wird es schon interessanter. Hier konnte ich auch einen viel besseren Bezug zu den beiden aufbauen.
Ich mochte die persönlichen Entwicklungen von Marie-Claire und Anahita und ihre jeweiligen Beantwortungen der Frage, was für sie Glück bedeutet.

Der Roman befasst sich nicht mit Frauen, die sich bewusst gegen Kinder entschieden haben, sondern mit solchen, die noch zweifeln und nun von ihrem Alter (und der Gesellschaft) unter Druck gesetzt werden.
Die Autorin schreibt klug, teilweise humorvoll und bewertet keinen der verschiedenen Lebensentwürfe. Angenehm finde ich auch die Darstellung, dass es für eine Frau nicht nur Kind oder Karriere geben muss.
Für den zweiten Teil würde ich volle fünf Sterne vergeben, da der erste meiner Meinung nach aber sehr langatmig ist, gebe ich ⭐️3,5/5⭐️.

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