Unerzählbares grandios erzählt
SiebenmeilenherzKatharina Winkler erzählt in "Siebenmeilenherz" das Unerzählbare: den sexuellen Missbrauch an einem Kleinkind. Die Erzählform ist teils märchenhaft - auch weil das Buch Märchen immer wieder als Referenz ...
Katharina Winkler erzählt in "Siebenmeilenherz" das Unerzählbare: den sexuellen Missbrauch an einem Kleinkind. Die Erzählform ist teils märchenhaft - auch weil das Buch Märchen immer wieder als Referenz verwendet - besonders im ersten Teil des Buches, als die Protagonistin und gleichzeitige Erzählerin Kind ist, verwendet sie eine Gedichtform, die das Erleben des Kindes in seinem naiven und elterngläubigen Weltbild absolut realistisch wirken lässt. Die Liebe des Vaters seiner fünfjährigen Tochter gegenüber ist so groß, dass das Herz ihrer Mutter stehen bleiben würde, wüsste sie davon - so erzählt der Täter es dem Kind. Der Missbrauch wird als Geschichte gestaltet, der Vater erzählt vom Mäuseloch, der Zauberritze, dem Horn und dem Zaubersaft. Die Missbrauchsszenen sind unpackbar, das Kind ist dem schutzlos ausgeliefert, glaubt, dieses Spiel sei normal, auch wenn sie weiß, dass sie nicht will, was geschieht.
Der Erzählstil wechselt, als die Protagonistin älter wird, es erfolgt eine Abkehr von der Lyrikform hin zur Erzählung. Trotzdem zeichnet die Autorin ein realistisches Bild von der Qual der Missbrauchten, wie sie sich in der Pubertät und darüber hinaus durch das Leben hetzt, sich selbst verletzt, beziehungsunfähig zu sein scheint. Der innere Kampf, der nichts sehnlicher will, als ein Eingeständnis des Vaters für das Unrecht und den Schmerz, den er ihrer Seele angetan hat, ist absolut nachvollziehbar.
So grausam das Thema ist, so großartig ist es der Autorin gelungen, das Innenleben einer Missbrauchten zu erzählen, es den Lesenden fühlen zu lassen. "Siebenmeilenherz" kam wohlverdient auf die Shortlist des Österreichischen Buchpreises, auch wenn es bedauerlicherweise nicht ausgezeichnet wurde. Es ist literarisch ein Meisterwerk, auch wenn es ob der schockierenden Thematik nicht für jede/n geeignet ist. Es stellt ein großes Risiko dar, dieses Thema literarisch zu bearbeiten, glaubhafter könnte es aber nicht dargestellt werden.