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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2024

Penibel recherchiert und opulent erzählt

Tod und Teufel
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Frank Schätzing entführt uns auf die Großbaustelle des Kölner Dom im Jahre 1260. Überall dort, wo viel Geld, Macht und Einfluss im Spiel sind, sind Intrigen und Korruption nicht weit. So auch auf dieser ...

Frank Schätzing entführt uns auf die Großbaustelle des Kölner Dom im Jahre 1260. Überall dort, wo viel Geld, Macht und Einfluss im Spiel sind, sind Intrigen und Korruption nicht weit. So auch auf dieser Baustelle, wo zu Ehren Gottes, die schönste Kathedrale mit den höchsten Türmen entstehen soll.

Im Sog der Handwerker, die aus allen Teilen Europas in das mittelalterliche Köln, das damals noch mit C und Doppel-L, also Cölln, geschrieben worden ist, wollen unterschiedliche Menschen ein kleines oder größeres Stück vom Kuchen, darunter Jacob, ein kleiner Dieb und Herumtreiber.

Jacob beobachtet ungewollt wie der leitende Baumeister der Dombaustelle, Gerhard Morart, von einer dunklen Gestalt vom Gerüst gestoßen wird. Blöderweise wird er selbst vom Mörder gesehen. Nun beginnt eine gnadenlose Jagd auf den Zeugen. Jeder, dem Jacob von seiner Beobachtung erzählt, ist wenig später selbst tot, denn wie es scheint, ist Jacob in eine umfassende Verschwörung geraten, die den Tod des Erzbischofs plant.

Jacob kann niemandem mehr vertrauen. Unterschlupf findet er bei Jaspar, einem versoffener Kleriker, und dessen Nichte Richmodis. Die beiden beschließen, Jacob zu helfen, die Verschwörung aufzudecken und die Ermordung des Erzbischofs zu verhindern. Doch wird das gelingen? Die Gegner besitzen Macht, Geld und Einfluss.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist im Jahre 1995 (!) erstmals erschienen und bereits mehrmals neu aufgelegt. Anlässlich der Veröffentlichung von „Helden“, des zweiten Teils der Jacob-Trilogie im Oktober 2024, hat der Verlag Emons, nun „Tod und Teufel“ abermals als Hardcover herausgebracht.

Da ich im Frühjahr 2024 bei einem mehrtägigen Besuch das mittelalterliche Cölln unter fachkundiger Anleitung kennenlernen durfte, habe ich mich recht bald in diesem historischen Kriminalroman zurecht gefunden.

Frank Schätzing hat penibel die Geschichte Cöllns recherchiert und auch das damalige Weltgeschehen wie Kreuzzüge und die übermächtige katholische Kirche in seinen Roman eingebunden. Der Autor fesselt seine Leser mit stetig wachsender Spannung sowie häufigen Perspektivenwechsel. Die Kapitel werden abwechselnd aus der Sicht von Jacob, aber auch aus Sicht der einzelnen Verschwörer, der Mitglieder einer bekannten Kölner Patrizierfamilie sowie des gedungenen Mörders erzählt. Zunächst scheint es, als ob der Mörder alle Vorteile auf seiner Seite hätte. Doch er unterschätzt Jacob, den man nicht umsonst Jacob, den Fuchs nennt.

An manchen Stellen erinnert dieser Roman an Ken Folletts „Kingsbridge-Reihe“, weil ähnlich opulent und detailreich.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman, der der erste der Jacob-Trilogie ist, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 23.10.2024

Fasziniernde Erkenntnisse

Cold Case Ötzi
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Als ein deutsches Ehepaar am 19. September 1991 eine teilweise aus dem Gletschereis herausragende, mumifizierte Leiche auf dem Tisenjoch entdeckt hat, weiß noch niemand, welche Bedeutung dieser Fund haben ...

Als ein deutsches Ehepaar am 19. September 1991 eine teilweise aus dem Gletschereis herausragende, mumifizierte Leiche auf dem Tisenjoch entdeckt hat, weiß noch niemand, welche Bedeutung dieser Fund haben wird. Es die als „Ötzi“ bekannte, mehr als 5.000 Jahre alte natürliche Mumie eines Mannes, die nach wie vor Rätsel aufgibt.

In diesem Buch beschreibt Josef Rohrer wie Alexander Horn, Oliver Peschel und Andreas Putzer, drei Experten aus den Bereichen Operative Fallanalyse, forensische Pathologie und hochalpine Archäologie, den 5.000 Jahre alten „Cold Case Ötzi“ mit wissenschaftlichen Methoden von heute untersuchen. Als „Schreibfräulein“ fungiert Autor, Journalist und Kurator zahlreicher Ausstellungen Josef Rohrer.

Die Experten, die sich für einige Tage auf eine Südtiroler Berghütte zurückgezogen haben, sortieren die zahlreichen Informationen und bekannte Fakten, versuchen die damaligen Lebensumstände an Hand von bekannten anderen archäologischen Funden zu rekonstruieren und entwerfen ein mögliches gesellschaftliches Umfeld des Toten. Manche ihrer Hypothesen verwerfen sie gleich wieder, andere werden näher betrachtet.

In folgenden acht Kapiteln werden sowohl die Vorgehensweise als auch die Schlüsse aus den Diskussionen erläutert:

Ockhams Rasiermesser
Ein Kupferbeil, 61 Tattoos
Ein mickriger Dolch und ein Comic
Zwei Pfeile und kein Bogen
Auf der Flucht. Aber weshalb?
Das Rätsel der Hopfenbuche
Schuss aus dem Hinterhalt
Ein Bild des Täters

Was genau die Experten herausgefunden haben und wie sie dabei im Detail vorgegangen sind, kann in diesem sehr interessanten Buch nachgelesen werden.

Meine Meinung:

Josef Rohrer hat hier eine fesselnde Zusammenfassung der Gespräche, Gedanken und Hypothesen dieser Expertenrunde geschrieben, die uns Laien einen Einblick in diese Fachgebiete gewährt.

Zur besseren Erläuterung sind manche Diskussionen im genauen Wortlaut aufgezeichnet. Zahlreiche Fotos der Region, von Ötzi und seiner Ausrüstung, Ausschnitte aus Landkarten, Skizzen und die Erklärungen wie der Tote aus der Kupferzeit seine Gegenstände gebraucht hat, ergänzen diese höchst interessante Spurensuche.

„Doch gerade weil dieser Cold Case nie ganz aufzuklären sein wird, bleibt er eine geile G’schicht.“ (Alexander Horn, operativer Fallanalyst)

Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem faszinierendem Buch, das ein klein wenig Licht in diesen „very Cold Case“ bringt, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.10.2024

Eine Hommage an den Urgroßvater

FRANZ
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Dieses Buch ist die Biografie von Franz Streitberger, dem Urgroßvater des Autors und Filmemachers Adrian Goiginger. Eine kurze Episode dieser Lebensgeschichte, ist die Basis für die Geschichte des deutsch-österreichischen ...

Dieses Buch ist die Biografie von Franz Streitberger, dem Urgroßvater des Autors und Filmemachers Adrian Goiginger. Eine kurze Episode dieser Lebensgeschichte, ist die Basis für die Geschichte des deutsch-österreichischen Kinofilm „Der Fuchs“.

„I hob nix zum Dazöhn!“ ist der Standardsatz, den Urenkel Adrian von seinem Urgroßvater Franz häufig hört. Der wortkarge Mann ist 1917, also während des Ersten Weltkrieges geboren und in bitterer Armut auf einem kleinen Bergbauernhof im Salzburger Pinzgau aufgewachsen. Franz erinnert sich an den ständigen Hunger, das erste Paar Schuhe und daran, dass er 1928, wie Hunderte andere Kinder seiner Generation, auf fremden Höfen „in Deanst“ (also als billige Arbeitskräfte) gehen musste, um die eigene Familie zu entlasten.

Später verdingt er sich als Tagelöhner und tritt in das österreichische Bundesheer ein, das im Ständestaat attraktiver Arbeitgeber erscheint, denn man verspricht den Rekruten, eine Staatsanstellung nach drei Jahren beim Militär. Diese Jahre sollten drei lehrreiche werden, denn Franz erwirbt die Lenkerberechtigung zum Kraftradlenker. Kaum abgerüstet, muss er nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland in die Wehrmacht einrücken. 1941 heiratet er Susanne und verpasst kriegsbedingt die Geburt seines ersten Sohnes.

Über die Zeit in der Wehrmacht verliert der ohnehin wortkarge Mann noch weniger Worte. Auch der Episode mit dem Fuchs, widmet Franz Streitberger nur wenige Worte. Der Autor kann aus den wenigen Erzählungen, die fast nur Andeutungen sind, und den erhalten gebliebenen Feldpostbriefen, einige rekonstruieren. Doch die meisten Erinnerungen verschließt Franz Streitberger vor seiner Familie. Die Kriegsgefangenschaft im Rheinwiesenlager und die katastrophalen Zustände dort, sind Franz auch nur wenige Worte wert.

Im Dezember 1945 kehrt Franz Streitberger wieder in den Pinzgau zurück, findet später Arbeit bei der Eisenbahn, baut ein Haus und wird Vater von weiteren Kindern. Ab 2000 lebt er mit Ehefrau Susi, die 2002 stirbt, in einem Seniorenheim. Franz Streitberger stirbt 2017, knapp vor seinem 100. Geburtstag.

Meine Meinung:

Diese Biografie ist sehr gut gelungen! Adrian Goiginger beschreibt in 13 Kapiteln das Leben seines Urgroßvaters. Dazu hat er schon in seiner Jugend lange Gespräche mit dem wortkargen Mann geführt. Das scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Zwischen den Aufzeichnungen liegen zahlreiche Recherchen in diversen Archiven, um die Auslassungen und Leerstellen zu füllen. Einiges konnte gefunden und eingefügt werden, manches bleibt verborgen, weil sich Franz Streitberger dazu gar nicht äußern wollte.

Erstaunlich ist, dass zahlreiche Fotos aus dem Besitz von Franz Streitberger die Jahre überdauert haben, die eine authentische Ergänzung zum Text bilden. In meiner Familie gibt es kaum welche.

Adrian Goiginger schildert das Wesen seines Urgroßvaters liebevoll und voller Respekt. Schmunzeln musste ich, als Streitberger nachfragt, ob ein Film „eh was G’scheits is“. Für diese Generation zählt körperliche Arbeit mehr als Bürotätigkeiten, Film oder Literatur.

Das Buch ist in gediegener Form als Hardcover mit Lesebändchen im Salzburger Anton Pustet Verlage erschienen. Das Coverfoto zeigt den jungen Franz Streitberger bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Schrauben am Motorrad, diesmal die militärische Beiwagenmaschine.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Biografie, die Zeitgeschichte für uns erlebbar macht, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 18.10.2024

Biografie einer kontroversiellen Person

Fahren Sie sofort los!
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„Fahren Sie sofort los!“ Diese Worte wird Alexandra Kollontai (1872-1952) mehrmals in ihrem Leben hören, wenn ih die Verhaftung droht.

Zunächst wächst sie als Alexandra Michailowna Domontowitsch, Tochter ...

„Fahren Sie sofort los!“ Diese Worte wird Alexandra Kollontai (1872-1952) mehrmals in ihrem Leben hören, wenn ih die Verhaftung droht.

Zunächst wächst sie als Alexandra Michailowna Domontowitsch, Tochter eines russischen General ukrainischer Abstammung und einer finnischen Mutter, umgeben von zahlreichen Bediensteten in Sankt Petersburg auf. Das altkluge, wissbegierige Mädchen wird, wie damals üblich, von Hauslehrern unterrichtet. Sie erlebt das tödliche Attentat auf Zar Alexander II. (1881) durch die Narodnaja Wolja sowie die anschließenden Hinrichtungen der Attentäter, darunter Alexander Uljanow, Lenins Bruder, und Sofja Perowskaja.

Recht bald kommt sie mit dem revolutionären Gedanken in Kontakt und beschließt, als Sozialistin die Welt, und da vor allem das Los der Frauen, verändern zu wollen. Sie lässt Mann und Kind zurück und geht nach Zürich, um Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Wenig später muss sie aus Russland fliehen, weil ihr auf Grund ihrer Schriften und ihres Engagement für den Sozialismus und die Gleichberechtigung für die Frauen die Verhaftung droht. Nach mehreren Stationen in Deutschland und Frankreich landet sie in Skandinavien. Den Beginn des Ersten Weltkriegs und die Kriegsbegeisterung auch zahlreicher ihrer Freunde erlebt sie in Deutschland, wo sie als „feindliche Ausländerin“ interniert und dann nach Dänemark abgeschoben wird.

Obwohl sie bis 1915 den Menschewiki angehört, wechselt sie zu den Bolschewiki, kehrt 1917 nach Russland zurück, schließt sich den Revolutionären an. Wieder droht die Verhaftung, der sie nur knapp entgeht. Wenig später siegen die Bolschewiki unter Lenin und Kollontai wird im November 1917 Volkskommissarin (= Ministerin) für soziale Fürsorge. Damit ist sie Europas erste Ministerin.

Das Auf und Ab ihrer politischen Karriere setzt sich fort. Die spätere Annäherung an den Stalinismus schadet ihrem Ansehen im Ausland. Trotzdem ist sie als Botschafterin der UdSSR in Norwegen und Schweden.

Alexandra Kollontai lebte weitgehend selbstbestimmt und war mit ihren Ansichten und Forderungen ihrer Zeit weit voraus.

Bis heute gilt Alexendra Kollontai als einflussreiche Vorkämpferin für Frauenrechte und Vordenkerin für freie Liebe.
Ihre oft fundamentalistischen Ansichten bezüglich der Kollektivierung der Landwirtschaft und die Entlassung bzw. den Parteiausschluss von Personen, die nicht aus der Arbeiterklasse stammen, machen sie allerdings zu kontroversen Persönlichkeit.

Meine Meinung:

Das Autorenduo Barbara Sichtermann und Ingo Rose hat eine interessante Roman-Biografie über Alexandra Kollontau verfasst. Die Autoren beleuchten den Lebenslauf der Tochter aus gutem Hause und ihre Verwandlung zur Vorkämpferin für Frauenrechte.

Zahlreiche Auszüge aus Briefen, Zeitungsartikeln und Schriften der Kollontai geben gemeinsam mit einigen Fotos ein
beredtes Zeugnis der Verfechterin des Sozialismus ab. Die Hinwendung zum Stalinismus lässt sie allerdings in einem kontroversen Licht erscheinen.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser differenzierten Biografie der russischen Vorkämpferin für soziale Gerechtigkeit und Frauenemanzipation 5 Sterne.

Veröffentlicht am 17.10.2024

Schatten der Vergangenheit

Spiegelberg
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Dieser dritte Krimi rund um die Journalistin Cora Johannis eröffnet einen tiefen Blick in die Abgründe der Schweizer Gesellschaft.

Worum geht’s?

Auf einer Veranstaltung in Solothurn treffen sich Cora ...

Dieser dritte Krimi rund um die Journalistin Cora Johannis eröffnet einen tiefen Blick in die Abgründe der Schweizer Gesellschaft.

Worum geht’s?

Auf einer Veranstaltung in Solothurn treffen sich Cora Johannis und Françoise Gravier, die ehemalige Botschafterin Frankreichs, wieder. Wenig später erleidet Françoise einen schweren Unfall. Am Krankenbett ersucht sie Cora, sich um ihre Tochter Camille zu schützen. Das ist gar nicht so leicht, denn zahlreiche Un- und Zufälle scheinen Cora von ihrer Aufgabe abhalten zu wollen.

Doch niemand rechnet mit der Sturheit von Cora. Die Recherchen führen Cora Johannis ist eine längst vergangen geglaubte düstere Vergangenheit der Schweiz.

Meine Meinung:

Christof Gasser hat mit diesem Krimi nach „Schwarzbubenland“ und „Blutlauenen“ einen weiteren, bis zur letzten Seite fesselnden Krimi geschrieben. Wie immer ist die Handlung sehr komplex und Ermittler wie Leser wissen lange nichts oder nur wenig über die Zusammenhänge.

Obwohl ich historisch sehr interessiert bin, ist mir der Jura-Konflikt nicht wirklich geläufig. Da muss ich noch ein wenig recherchieren.

Autor Christof Gasser versteht es meisterlich, historische Ereignisse mit der Gegenwart zu verknüpfen. Auf zwei Zeitebenen begleiten wir Täter und Opfer sowie Nutznießer des Konfliktes.

Die Charaktere sind sehr gut und detailliert ausgearbeitet. Als Leser kann man den Figuren ihre Dialoge sowie Taten abnehmen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem komplexen Krimi, der bis zur letzten Seite fesselt, 5 Sterne.