Profilbild von evaczyk

evaczyk

Lesejury Star
offline

evaczyk ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit evaczyk über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2024

Gold, Geld und Rache am Kap

Die Stunde des Löwen
0

Bennie Griessel hat sich einen denkbar schlechten Termin zum Heiraten ausgesucht. Denn als ob der südafrikanische Polizist nicht schon genug mit der Nervosität, der Angst vor einem Alkohol-Rückfall und ...

Bennie Griessel hat sich einen denkbar schlechten Termin zum Heiraten ausgesucht. Denn als ob der südafrikanische Polizist nicht schon genug mit der Nervosität, der Angst vor einem Alkohol-Rückfall und den Hochzeitsvorbereitungen zu tun hätte, fordert ein neuer Fall ihn und seinen Partner Vaughn Cupido in Deon Meyers Polizeithriller "Die Stunde des Löwen".

Mit dem neuesten Bennie Griessel-Band schafft es Meyer einmal mehr, einen spannenden Plot sowohl mit dem persönlichen Leben seiner Protagonisten wie auch mit den Realitäten des modernen Südafrika zu verbinden. Bei der Polizei in Stellenbosch, wo Griessel und Cupido nach ihrer Entlassung bei einer Eliteeinheit gelandet sind, führen die beiden Beamten eigentlich ein ruhiges Leben. Kein Vergleich mit der Gewaltkriminalität in Johannesburg! Der Tod einer Studentin ist da schon fast spektakulär. In mühsamer Kleinarbeit finden die beiden Polizisten einen Verdächtigen, einen Anwalt.

Doch der ist wenig später Opfer eines ziemlich ungewöhnlichen Mordes. Die Schwester des Toten reagiert nach Ansicht der Ermittler ziemlich merkwürdig - und je mehr sie über das Mordopfer herausfinden, desto seltsamer wirkt der Fall: Ein ehemaliger Soldat der Spezialkräfte, der ein luxuriöses Haus hatte, und dessen finanzielle Mittel Fragen aufwerfen. Als sie von dem Fall abgezogen werden, holt ihre ehemalige Vorgesetzte die beiden Polizisten in eine ziemlich geheime Ermittlungseinheit, die Wirtschaftskriminalität mit Verbindung zu (früheren) Regierungskreisen untersucht. Wie passt das Mordopfer da hinein - und wer macht Jagd auf ehemalige Mitglieder der Spezialkräfte?

In einem weiteren Handlungsstrang geht es um einen gescheiterten Raubüberfall und einen geplanten Coup, der noch eine erhebliche Herausforderung für Griessels Hochzeitspläne wird.

Auch wenn die Fälle in Meyers Buch Fiktion sind, erinnert manches an Korruption, Bereicherung und Nepotismus in der Regierungszeit von Jacob Zuma. Und auch die "faulen Äpfel" im Dienste der Polizei, die integren Beamten das Leben schwer machen, erinnern ans "wahre Leben". Spannung ist in diesem Kap-Krimi mit zahlreichen Wendungen und einem dramatischen Finale jedenfalls garantiert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.10.2024

Liv Jensens zweiter Fall

Aschezeichen
0

Mit ihrem Roman "Aschezeichen" stellt Katrine Engberg ein zweites Mal die Privatermittlerin Liv Jensen in den Mittelpunkt und zeigt einmal mehr ihre Stärke für komplexe Frauenfiguren mit Ecken und Kanten, ...

Mit ihrem Roman "Aschezeichen" stellt Katrine Engberg ein zweites Mal die Privatermittlerin Liv Jensen in den Mittelpunkt und zeigt einmal mehr ihre Stärke für komplexe Frauenfiguren mit Ecken und Kanten, atmosphärisch dichte Beschreibungen und einen wendungsstarken Plot. Neben Liv Jensen, die weiterhin auf eine Wiedereinstellung im Polizeidienst hofft, gibt es ein Wiedersehen mit weiteren Figuren: Der Psychologin Hannah und ihrem Vater Jan, Livs Vermieter, Nima, der eine Autowerkstatt im Hof des Grundstücks hat, Petter, Livs väterlicher Freund und einstiger Mentor. Das Geflecht dieser Menschen verstärkt sich sogar noch.

Es sind auch diese nachbarschaftlichen Verhältnisse, die Petter dazu bewegen, Liv inoffiziell in eine Mordermittlung einzubeziehen: Bei einem Angelausflug mit seinen Kindern ist Tami Ansari, ein Mann iranischer Herkunft ermordet worden. Die Kinder im Teenageralter sind seitdem verschwunden. Der Tote ist ein Cousin Nimas - Liv soll bei ihm den familiären Hintergrund nach Informationen zu dem Toten abklopfen.

Liv ermittelt allerdings zunehmend auf eigene Faust in der exiliranischen Szene, mit Nimas zunächst eher unwilliger Unterstützung. Immer mehr ist sie sich sicher, dass Vorgänge in einem Auffanglager für Flüchtlinge eine Rolle spielen. Doch Vertreter dänisch-iranischer Vereinigungen blocken ab und erklären, keine Erinnerungen an Ansari zu haben. Während Nima die 14-jährige Shirin in einem Schrebergarten findet, tauchen Informationen über ihren älteren Bruder auf, die Verwicklungen zu Drogenbanden nahelegen - handelt es sich bei dem Mord um einen Racheakt organisierter Kriminalität?

Rückblenden führen in die Vergangenheit des 15-jährigen Tami im Lager, in Verstrickungen in eine Schuld und den langen Arm des Regimes. Doch nicht nur Liv muss sich fragen, wer in diesem Fall die Wahrheit erzählt und wer Wichtiges verschweigt.

Engbergs Plot hat allerlei überraschende Wendungen und hält angesichts der vielen Unwägbarkeiten den Spannungsbogen. Gleichzeitig bringt sie ihre Figuren, allen voran Liv, näher und verleiht ihnen Tiefe und Komplexität. Engberg gehört mittlerweile zu meinen bevorzugten Autorinnen skandinavischer Spannung und "Aschezeichen" ist ein weiteres gelungenes Buch, das schon Vorfreude auf den nächsten Band weckt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.09.2024

Tod im Teesalon

Ein mysteriöser Gast
0

Mit "Ein mysteriöser Gast" von Nita Prose gibt es ein Wiedersehen - in diesem Fall ein Wiederhören - mit Molly Gray und dem fünf Sterne Boutique-Hotel Grand Regency. Und der Genuss ist gleich doppelt, ...

Mit "Ein mysteriöser Gast" von Nita Prose gibt es ein Wiedersehen - in diesem Fall ein Wiederhören - mit Molly Gray und dem fünf Sterne Boutique-Hotel Grand Regency. Und der Genuss ist gleich doppelt, denn in der Hörbuchversion gibt erneut Anna Thalbach Molly ihre Stimme und besticht mit ihrer unverwechselbaren Stimme und großartigen Interpretation der liebenswerten, aber eben auch etwas besonderen Molly.

Seit ihrem ersten Fall hat Molly Karriere gemacht - sie ist jetzt Chefzimmermädchen und nimmt diese Aufgabe wie alles überaus ernst, ist ihr der Zustand allerhöchster Perfektion und Sauberkeit von Kindheit an ans Herz gelegt worden. Ihr zweiter Fall führt sie auch zurück in die eigene Vergangenheit, denn ein gefeierter Kriminalautor stirbt in dem von Molly liebevoll hergerichteten Teesalon des Grand Regency. Diesmal ist es nicht Molly, sondern ihr schüchternes Lehrmädchen, das unter Verdacht gerät, denn der Autor wurde offensichtlich vergiftet.

Es versteht sich, dass die nicht nur nach Sauberkeit, sondern auch nach Gerechtigkeit strebende Molly, deren kriminalistisches Wissen aus dem Konsum von Inspector Columbo-Folgen stammt, nicht untätig bleiben kann. Doch während sie in der Gegenwart ermittelt, führen Rückblenden in die Vergangenheit von Molly zurück: Da ihre Großmutter empört auf den Vorschlag der Schule reagiert, Molly wegen ihrer Probleme in der sozialen Interaktion mit anderen Kindern auf eine Sonderschule zu schicken, nimmt sie das Mädchen kurzerhand mit zu ihrer Arbeit in einem Herrenhaus, in dem Molly mit Hingabe das Silber putzt und der später ermordete Autor mit seiner cholerischen und ungerechten Gattin lebt.

Diese Szenen aus der Vergangenheit geben weiteren Einblick in Mollys Persönlichkeit, die Herausforderungen, die sie schon in jungen Jahren meistern musste und natürlich ein vertieftes Bild der innigen Beziehung zu ihrer Großmutter.

Molly mag als etwa merkwürdig im Umgang mit ihren Mitmenschen wirken, weil sie sich weder verstellen kann noch das Konzept von Ironie versteht, sondern alles wortwörtlich nimmt. Doch selbst die ermittelnde Polizistin beginnt im Laufe der Handlung Mollys besondere Eigenschaften zu würdigen und am Ende stellt sich gar die Frage: Könnte es sein, dass Molly eines Tages den Putzlappen weghängt und eine ganz neue Karriere startet? Überhaupt wartet am Ende eine große Überraschung auf das Zimmermädchen.

"Ein mysteriöser Gast" ist eine würdige Fortsetzung des ersten Bandes um das ermittelnde Zimmermädchen - warmherzig, humorvoll und zugleich respektvoll vor Menschen, die wie Molly mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben, um durchs Leben zu kommen. Dazu die großartige Interpretation der wunderbaren Anna Thalbach, die allein für mich schon immer ein Grund ist, neugierig auf ein von ihr interpretiertes Hörbuch zu sein.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.09.2024

Von Drachenflüsterern und entschlossenen Prinzessinnen

Ich fürchte, Ihr habt Drachen
0

Es ist schon eine seltsame, nicht unliebenswerte Welt, in die Peter S. Beagle mit seinem Roman "Ich fürchte, Ihr habt Drachen" lockt. Denn im Königreich Bellemontagne gelten Drachen als Ungeziefer wie ...

Es ist schon eine seltsame, nicht unliebenswerte Welt, in die Peter S. Beagle mit seinem Roman "Ich fürchte, Ihr habt Drachen" lockt. Denn im Königreich Bellemontagne gelten Drachen als Ungeziefer wie anderswo Ratten oder Kakerlaken. Statt eines Kammerjägers rückt dann der Drachenfänger an, in diesem Fall der junge Robert, der den in der feudalen Gesellschaft nicht sonderlich angesehenen Beruf von seinem Vater geerbt hat und viel lieber Leibdiener eines Aristokraten, am liebsten gar am königlichen Hof wäre. Mal abgesehen davon, dass Robert Drachen mag und es furchtbar findet, sie zu töten. Ein paar Drachlinge - Babydrachen - tummeln sich wie Haustiere im Haus seiner Mutter, vor allem von den jüngeren Schwestern heiß geliebt.

Doch im königlichen Schloss von König Antoine und Königin Helene muss Robert zum Groß-Drachenputz anrücken. Der Schloss muss gefälligst repräsentativ wirken, denn Prinzessin Cerise, bisher schwer angenervt von den Prinzen, die ihr ihre Aufwartung machten, hat sich tatsächlich in einen Prinzen verguckt. Reginald, Erbe eines großen Königreiches, ist ihr zufällig begegnet, als Cerise sich heimlich fortgeschlichen hat, um sich mühselig Lesen und Schreiben beizubringen. In Beagles Fantasywelt sind die Adeligen nämlich Analphabeten, Bildung ist etwas fürs gemeine Volk, wobei die Jungen schon früh die Schule verlassen müssen, um zu arbeiten - Robert beneidet seine Schwestern, die lernen dürfen.

Reginald ist aber auch mit den allgemeinen Bildungslücken seiner Klasse noch einmal besonders tumb geraten. Die aufgeweckte Cerise übersieht das allerdings, denn Reginald sieht aus wie der Inbegriff eines Helden - der soll es sein und kein anderer! Dass Reginald eigentlich ein ruhiges Leben ganz ohne Abenteuer ersehnt und verzweifelt versucht, sich seinem eher hartherzigen Vater zu beweisen, ist der entschlossenen Prinzessin nicht klar. Die Spaziergänge mit Reginald sind so nett und keimfrei, dass mir beim Lesen der Verdacht aufkam, dass der schöne Reginald vielleicht grundsätzlich nichts mit Prinzessinnen oder auch Frauen aus dem Volk anfangen kann.

Sei´s drum - Reginald muss ein Held sein, einen Drachen bezwingen , auch wenn es so ziemlich das Letzte ist, worauf er Wert legt. Auf dem Zug ins Abenteuer soll ihn Drachenexperte Robert begleiten - und auch Cerise lässt es sich nicht nehmen, ihren schönen Prinzen in Aktion zu sehen. Wie diese Quest dann noch ein bißchen mehr ist, als die drei samt ihres Trosses erwartet haben, das erzählt Beagle humorvoll, märchenhaft, mit sowohl düsteren als auch romantischen Szenen. Die bildhafte Sprache, die Protagonisten und nicht zuletzt die Drachenwelt machen diesen gelungenen Fantasyroman zu einem Lesevergnügen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.09.2024

Kein Heideidyll

Von Norden rollt ein Donner
0

Mit "Vom Norden rollt ein Donner" hat Markus Thielemann einen Anti-Heimatroman aus der idyllischen Heidelandschaft zwischen Celle und Uelzen geschrieben. Der 19-jährige Jannes ist Schäfer in der dritten ...

Mit "Vom Norden rollt ein Donner" hat Markus Thielemann einen Anti-Heimatroman aus der idyllischen Heidelandschaft zwischen Celle und Uelzen geschrieben. Der 19-jährige Jannes ist Schäfer in der dritten Generation eines Familienbetriebs, seine Eltern und sein Großvater arbeiten ebenfalls mit den Schafen. Doch die Idylle ist gleich mehrfach getrübt. Da ist zum einen die Angst vor dem Wolf. Gerüchte schwirren, auch wenn ihn noch keiner gesehen hat. Aber alle sind sicher, auf den nahegelegenen Truppenübungsplätzen wachsen Wölfe heran, die eine Bedrohung für die Schafe der Landwirte sind.

Auch Jannes ist immer nervös, wenn er mit der Herde durch die Heide zieht. Doch er spürt auch andere Ängste. Da sind zum einen die Aussetzer seines Vaters, der vergesslich wird oder manches ständig wiederholt. Sind es die gleichen Anzeichen wie bei der dementen Oma, obwohl keine Blutsverwandtschaft besteht und der Vater viel jünger ist?

Und auch Jannes fürchtet um seinen Verstand, denn er hat Visionen von einer verwahrlosten Frau, deren Gegenwart er spürt und die er manchmal sieht, gefolgt von einem Zusammenbruch, den er sich nicht erklären kann. Ist der Wahn ein Familienfluch? Und wieso erwähnt die Unbekannte einen Namen, den er von seiner Oma hörte, wenn diese jemanden suchte, der nicht zu existieren schien? Hat sie etwas zu tun mit der Kriegs- und Nachkriegszeit, mit den Lagern für Zwangsarbeiter? Spuken die Geister gequälter Menschen - auch das Konzentrationslager Bergen-Belsen lag in der Heide-Idylle - nach Jahrzehnten in die Gegenwart? Gibt es womöglich in der eigenen Familie Geheimnisse und dunkle Taten?

Ein Spuk ganz anderer Art kommt scheinbar harmlos daher, der neue Nachbar mit seiner seltsam altmodisch ausstaffierten Rede und Sprüchen über Volk und Heimat, über Wurzeln und Siedelei, Ausgerechnet Jannes´ Vater, dem schon der Schützenverein seines Schwiegervaters mit seinen kernigen Bemerkungen zuwider war, freundet sich mit dem Nachbarn an.

Thielemann schafft zwischen Angst vorm Wolf und wahnhaften Visionen eine düstere Atmosphäre und räumt nebenbei mit dem unkritischen romantisch-verklärten Bild des Heidedichters Hermann Löns auf. Ganz entschieden kein Heideidyll, aber ein faszinierend dunkler Heideroman.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere