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Veröffentlicht am 22.02.2025

Im positiven Sinne absurd

Nimms nicht persönlich
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Tom Hofland liefert mit Nimms nicht persönlich eine absurde Satire auf die Kälte der modernen Arbeitswelt – absurd im besten Sinne! Die Hauptfigur Lute steckt als Qualitätsmanager eines Pharmakonzerns ...

Tom Hofland liefert mit Nimms nicht persönlich eine absurde Satire auf die Kälte der modernen Arbeitswelt – absurd im besten Sinne! Die Hauptfigur Lute steckt als Qualitätsmanager eines Pharmakonzerns in der Bredouille: Er soll alle Mitarbeitenden seiner eigenen Abteilung entlassen. Im Gegenzug dürfe er seinen Job behalten. Lute trifft auf den zwielichtigen Lombard und seine Gehilfen, die Lute dabei unterstützen, die Mitarbeiten loszuwerden - die Arten, wie das geschieht, werden bald immer absurder und skurriler.

Besonders gefallen haben mir die skurrilen Einblicke ins Bürogeschehen – überaus überzeichnet, aber dann doch oft mit einem Bezug zur realen Arbeitswelt. Hofland schafft eine grotesk-komische Atmosphäre, die mich in diesen Szenen gut unterhalten hat, ich mag es aber auch, wenn es in Romanen ein bisschen schräg wird. Allerdings hat sich der Roman gegen Ende für mich dann trotz der wenigen Seiten doch spürbar gezogen, vor allem durch die Ausflüge ins Privatleben von Lute, aber auch weiterer Figuren, die für mich nicht wirklich Mehrwert hatten.

Insgesamt eine kreative Lektüre mit Kapitalismuskritik – leider für mich nicht durchgängig fesselnd.

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Veröffentlicht am 02.02.2025

Rührend, mir aber zu kitschig

Zwei Leben
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Als ich angefangen habe zu lesen, fand die ich Atmosphäre des Landlebens, die aufgebaut wird, wohlfühlig und nett. Auch die beiden Protagonistinnen Roberta und Gertrud fand ich durchaus interessant. Im ...

Als ich angefangen habe zu lesen, fand die ich Atmosphäre des Landlebens, die aufgebaut wird, wohlfühlig und nett. Auch die beiden Protagonistinnen Roberta und Gertrud fand ich durchaus interessant. Im Laufe des Romans war mir alles dann aber doch etwas zu kitschig und insbesondere die Frauenfiguren waren mir zu stereotyp. Ich hatte insbesondere auf den letzten 100 Seiten das Gefühl, dass hier extra so rührig geschrieben wurde, dass man Rotz und Wasser heult - was ich zwar auch getan habe, aber ich war dann auch froh, als der letzte, sehr langsam erzählte Teil endlich zu Ende war.

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Veröffentlicht am 18.01.2025

Tolles Konzept

Tunesisch vegan
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„Tunesisch vegan“ bietet eine spannende Reise durch die tunesische Küche – authentisch, vielfältig und rein pflanzlich interpretiert. Mit 60 Rezepten, die von Frühstücksideen über einfache und aufwendigere ...

„Tunesisch vegan“ bietet eine spannende Reise durch die tunesische Küche – authentisch, vielfältig und rein pflanzlich interpretiert. Mit 60 Rezepten, die von Frühstücksideen über einfache und aufwendigere Hauptgerichte bis hin zu Gebäck reichen, richtet sich das Kochbuch an alle, die die Aromen Tunesiens entdecken wollen. Besonders gelungen sind die einführenden Kapitel: Sie erklären nicht nur die typischen Gewürze und Zutaten, sondern setzen sich auch kritisch mit kultureller Aneignung auseinander. Solche Gedanken findet man selten in Kochbüchern und sie verleihen dem Buch zusätzliche Tiefe. Es hat mir großen Spaß gemacht, das Kochbuch nicht nur zu nutzen, sondern tatsächlich von vorne bis hinten durchzulesen – was bei mir eine Seltenheit ist!

Allerdings bleibt „Tunesisch vegan“ hinter seinem Potenzial zurück. Der Verzicht auf Fotos für jedes Rezept ist ein großer Schwachpunkt, besonders bei einem Kochbuch, das sich auf weniger bekannte Gerichte konzentriert. Oft bleibt die Vorstellungskraft gefragt, da viele Seiten neben den Rezepten nur mit dekorativen Zeichnungen gefüllt sind. Das wirkte auf mich unfertig. Auch die Vielfalt der Rezepte hätte durch geschickteres Zusammenfassen und Ergänzen noch besser zur Geltung kommen können – gerade die zahlreichen Shakshuka-Varianten hätten auf einer Doppelseite gebündelt werden können. Auch wenn das Buch auf Authentizität setzt, hätte ich mir generell mehr Flexibilität und Variationsvorschläge gewünscht, etwa wie man bestimmte Zutaten ersetzt, die man vor Ort nicht bekommen kann, oder wie man das Nährstoffprofil der Gerichte mit oft wenigen Zutaten durch die Zugabe von Gemüse oder frischen Kräutern anreichern kann. Für Leser*innen ohne Zugang zu spezialisierten Märkten wären solche Hinweise hilfreich gewesen. Die Gerichte, die ich ausprobiert habe, habe ich tatsächlich selbst noch ergänzt, weil mir oft etwas Frisches gefehlt hat, ich wäre neugierig gewesen, was hier die Vorschläge des Autors gewesen wären.

Insgesamt ist „Tunesisch vegan“ ein ambitioniertes Kochbuch mit einem tollen Konzept, das aber in der Umsetzung noch Luft nach oben hat. Ich hoffe sehr, dass es eine zweite, überarbeitete Auflage geben wird. Das Potenzial ist definitiv da, denn ich finde sowohl den Löwenzahn Verlag als auch den Autoren des Kochbuchs ganz großartig!

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Veröffentlicht am 18.12.2024

Für Fans

Der Goldhügel
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Tobias Rollers Roman „Der Goldhügel“ handelt von der Gedanken- und Gefühlswelt von Erich Kästner, der sich als Anfang 60-jähriger im Tessin erholen soll. Der Roman beleuchtet dann vor allem Kästners schwieriges ...

Tobias Rollers Roman „Der Goldhügel“ handelt von der Gedanken- und Gefühlswelt von Erich Kästner, der sich als Anfang 60-jähriger im Tessin erholen soll. Der Roman beleuchtet dann vor allem Kästners schwieriges Verhältnis zu Frauen und bringt dabei viele Facetten ans Licht. Besonders eindrücklich fand ich die Träume, die seine komplexe Beziehung zu seiner Mutter thematisieren. Rollers Kästner erscheint als Mensch, der vor dem Leben genauso Angst hat wie vor dem Sterben – und diese Ängste prägen sein gesamtes Handeln. Dabei konnte ich nicht anders, als Mitleid für ihn zu empfinden.

Als großer Kästner-Fan habe ich mich gefreut, wie oft seine Bücher und Gedichte subtil in den Text eingewoben wurden. Auch die Quellenangaben und das einordnende Nachwort haben mir gut gefallen, denn sie unterstreichen den semi-biografischen Charakter des Romans. Trotz dieser gelungenen Einblicke fand ich den Roman stellenweise aber etwas langatmig. Im Verlauf wiederholen sich viele Motive: Kästners Weigerung, sich mit seinen Sorgen auseinanderzusetzen und sein Desinteresse am Innenleben anderer Menschen. Was den Stil des Romans betrifft, ist er eher an Thomas Mann als an Kästner angelehnt. Für mich ein kleiner Wermutstropfen, da ich persönlich Kästner oder auch Heinrich Mann wesentlich mehr mag als Thomas.

Alles in allem habe ich „Der Goldhügel“ mit Gewinn gelesen, weil ich über das spätere Leben Kästners kaum etwas wusste. Für Fans von Erich Kästner und interessierte Leser*innen, die sich von einer etwas anderen Erzählweise nicht abschrecken lassen, ist das Buch definitiv einen Blick wert.

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Veröffentlicht am 24.10.2024

Übung in Empathie

White Lives Matter
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Als ich das Cover und den Titel dieses Romans zuerst sah, dachte ich sofort an den Slogan der White-Power-Bewegung aus den USA und wollte mich schon aufregen - und dann sah ich, dass die großartige Jasmina ...

Als ich das Cover und den Titel dieses Romans zuerst sah, dachte ich sofort an den Slogan der White-Power-Bewegung aus den USA und wollte mich schon aufregen - und dann sah ich, dass die großartige Jasmina Kuhnke den Roman geschrieben hat, deren ersten Roman „Schwarzes Herz“ fand ich sehr gut fand: eindringlich, intensiv und emotional mitnehmend. Diesen Roman MUSSTE ich also auch lesen.

Kuhnke dreht hier den Spieß um: Anna ist eine der wenigen Weißen in ihrem Studiengang, als erste in ihrer Familie hat sie es an die Uni geschafft. In Annas Welt werden Weiße aufgrund ihrer Hautfarbe seit Jahrhunderten diskriminiert. Nach und nach entdeckt Anna in ihrem Geschichtsstudium und in ihrem Alltag, dass die Diskriminierung auf koloniale Verbrechen zurückgeht und sie selbst durch besonders angepasstes Verhalten nicht verhindern kann, strukturell und im Alltag diskriminiert zu werden. Als Anna gerade beginnt, selbstbewusster zu werden, wird ihr Bruder Opfer rassistischer Polizeigewalt gegen Weiße. Ihr Leben kann nicht mehr so weitergehen wie vorher.

Insgesamt greift Kuhnke mit dieser kreativen Idee das wichtige Thema der empathy gap auf: Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass Schwarzen gegenüber weniger Empathie empfunden wird, was schmerzhafte und tödliche Folgen haben kann. Insgesamt ist der Roman dennoch relativ einfach erzählt, sodass er mir insgesamt eher wie ein Jugendbuch vorkam. Manche Stellen waren für mich sprachlich nicht ganz so eindringlich und kraftvoll wie im Debütroman: Einige Dialoge wirkten durch die Verwendung von eher pubertärer Jugendsprache auf mich unpassend für das studentische Milieu. An vielen Stellen wird, um Annas Entwicklung unmissverständlich klarzumachen, das Prinzip „Show, don‘t tell“ verletzt, wenn z.B. am Ende eines Kapitels darauf hingewiesen wird, dass Anna sich nun selbstermächtigt habe. Ich persönlich hätte es besser gefunden, die Leser:innen das aus Annas Verhalten interpretieren zu lassen, für jugendliche oder unerfahrene Leser:innen ist das aber bestimmt hilfreich. Mir haben die fiktiven historischen Rückblicke daher viel besser gefallen, die sehr eindringlich geschrieben sind und zahlreiche berührende literarische Leerstellen offen lassen.

Insgesamt würde ich den Roman daher als guten Einstieg ins Thema auch für Jugendliche sehen, dem dann aber weitere Lektüre folgen sollte. Denn auch die empathy gap wird im Roman explizit, aber sehr vereinfacht erklärt: Diese besage, dass Menschen ohne Diskriminierungserfahrungen nicht in der Lage seien Empathie für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zu haben - das greift aber meines Wissens ein bisschen zu kurz, da es Studien gibt, die zeigen, dass auch Schwarze Menschen weniger Empathie mit Schwarzen haben und dass deshalb dieser internalisierte Rassismus aktiv von allen verlernt werden muss, um gesellschaftliche Änderungen zu bewirken. Wenn dies passiere, ist es jedoch auch für Menschen ohne Rassismuserfahrung möglich Empathie für rassifizierte Menschen zu empfinden. Kuhnke versucht mit ihrem Roman ja sogar selbst, diese anzuregen - und schafft das aus meiner Sicht auch!

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