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Veröffentlicht am 08.09.2017

Variationen einer traurigen Melodie

Wo noch Licht brennt
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Acht Jahre lang hat Gül in der Türkei gelebt, während ihr Ehemann in Deutschland gearbeitet hat. Dann jedoch verlässt sie zum zweiten Mal ihre Heimat in Anatolien, um bei ihrem Mann in Bremen zu sein. ...

Acht Jahre lang hat Gül in der Türkei gelebt, während ihr Ehemann in Deutschland gearbeitet hat. Dann jedoch verlässt sie zum zweiten Mal ihre Heimat in Anatolien, um bei ihrem Mann in Bremen zu sein. Obwohl sie schon vorher viele Jahre in Deutschland gewohnt hat, ist ihr das Land fremd geblieben. Sie beherrscht die Sprache nicht gut, hat Heimweh und Sehnsucht. Doch ihre Liebe, Wärme und Herzlichkeit konnte sie sich in all der Zeit bewahren, obwohl sie in ihrem Leben noch vor einige Prüfungen gestellt wird.

"Wo noch Licht brennt" ist der Abschluss einer Trilogie, die sich jedoch auch ohne das Wissen der beiden Vorgängerbände lesen lässt.

Meine Meinung:
Mit dem dritten Teil der Reihe zu Gül ist Selim Özdogan ein ganz besonderes Buch gelungen. Es ist eine Geschichte, in der es um Leid, Trennung, Sehnsucht und Schmerz geht, aber auch um Liebe und Zusammenhalt. Eine Geschichte, die nicht nur das Leben einer fiktiven Figur beschreibt, sondern für viele Menschen türkischer Abstammung steht, die einst als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind und sich darin wiedererkennen können. Eine Geschichte, die weitgehend ohne Klischees auskommt und viele Zwischentöne kennt.

Es geht um kulturelle Identität und um das Thema Heimat. Immer wieder dreht sich der Roman jedoch auch um andere zentrale Fragen des Lebens, die sich für viele Menschen stellen. Die Tiefgründigkeit der Schilderungen konnte mich sehr zum Nachdenken bewegen konnte, sodass das Buch wohl noch lange bei mir nachklingen wird.

Auf eindrucksvolle Art werden die Gefühle und Gedanken der Protagonistin geschildert. Immer wieder sind die Melancholie und die "Variationen der traurigen Melodie" zu spüren, die Gül beschäftigen. Besonders begeistert hat mich die Sprache, die eine dichte Atmosphäre schafft und die Innenwelt Güls so gut beschreibt, dass man sich ihr sehr nahe fühlt. Der poetische Erzählstil sorgt für eine emotionale Lektüre. Gut gewählte Metaphern, tolle Sprachbilder und wunderschöne Formulierungen machen das Lesen zu einem Hochgenuss und haben dazu geführt, dass mich die Geschichte sehr berühren konnte. Das hübsche Cover rundet Inhalt und Sprache ab.

Mein Fazit:
"Wo noch Licht brennt" gehört zu meinen Lesehighlights in der jüngsten Zeit. Es ist ein einzigartiges und ungewöhnliches Buch, ein leiser Roman, der berührt und verzaubert, wenn man sich auf diese besondere Geschichte einlässt. Darin heißt es: "Wer direkt ins Herz schauen kann, der liest das richtige Buch." Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.

Ich habe das Buch als Rezensionsexemplar im Rahmen einer Leserunde erhalten.

Veröffentlicht am 22.08.2017

"Amüsant und sehr gefühlvoll"

Der Roboter, der Herzen hören konnte
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Zum Inhalt:
Der Engländer Ben Chambers findet eines Morgens einen altmodischen Roboter in seinem Garten. Dieser will einfach nicht weggehen. Er ist mit Schmutz und Öl verschmiert. Ben nimmt ihn zu sich ...

Zum Inhalt:
Der Engländer Ben Chambers findet eines Morgens einen altmodischen Roboter in seinem Garten. Dieser will einfach nicht weggehen. Er ist mit Schmutz und Öl verschmiert. Ben nimmt ihn zu sich ins Haus, obwohl er Roboter eigentlich nicht mag und er nicht weiß, was er ihm anstellen soll. Doch Tang ist anhänglich. Und dann stellt Ben fest, dass der Roboter eine Flüssigkeit verliert und dringend repariert werden muss. Es beginnt eine Reise rund um die Welt.

Meine Meinung:
Dieser Roman gehört eindeutig zu meinen Lieblingen des Jahres. Innerhalb von wenigen Tagen habe ich die Seiten verschlungen und war enttäuscht, als die mehr als 300 Seiten zu Ende waren.

Die Geschichte ist amüsant und emotional. Es gibt kaum Punkte, die mich gestört haben. Das Ende war ein wenig vorhersehbar. Gerne habe ich die beiden bei ihrer Weltreise verfolgt. Zwischenzeitlich gab es einige Wendungen und Szenen, die ich nicht erwartet hatte.

Fazit:
Eine anrührende und kurzweilige Geschichte, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.

Veröffentlicht am 15.11.2024

Weil Aufgeben keine Lösung ist

Parts Per Million
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München im Jahr 2026: Eine Schreibblockade hat Johanna Stromann gerade fest im Griff, als die Autorin in eine Straßensperre der Letzten Generation gerät. Durch die Aktion knüpft sie Kontakt zu Klimaaktivisten. ...

München im Jahr 2026: Eine Schreibblockade hat Johanna Stromann gerade fest im Griff, als die Autorin in eine Straßensperre der Letzten Generation gerät. Durch die Aktion knüpft sie Kontakt zu Klimaaktivisten. In ihrem Kopf entsteht schnell die Version eines neuen Buchprojekts: Sie möchte über die Gruppe schreiben. Johanna stürzt sich in die Recherche und wird zunehmend von der Initiative vereinnahmt. Ihre Familie, Ehemann Stefan und Tochter Finja (14), steht bald hintenan. Zudem wird nach kurzer Zeit klar: Die Aktivisten wollen künftig nicht nur friedliche Mittel einsetzen.

„Parts Per Million - Gewalt ist ein Option“ ist eine Mischung aus Science-Fiction-Roman und Klimathriller, geschrieben von Theresa Hannig.

Der Roman besteht aus 32 kurzen Kapiteln. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Johanna, in chronologischer Reihenfolge. Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten, beginnend im April 2026. Sie spielt überwiegend an unterschiedlichen Orten in Deutschland, zum Teil in Frankreich.

Der Schreibstil ist eingängig und sprachlich treffsicher. Lebensnahe Dialoge und anschauliche Beschreibungen wechseln sich ab. Gendersensible Formulierungen fügen sich sehr organisch ein.

Im Vordergrund steht Johanna, eine interessante Protagonistin. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Die Figur verändert sich im Laufe der Geschichte sehr, was allerdings nur in geringem Umfang die Realitätsnähe schmälert.

Umweltschutz und Klimawandel sind die zentralen Themen. Dazu liefert der Roman viele interessante Informationen, die gleichermaßen aufrütteln, zum Nachdenken anregen und schockieren. Die Recherche der Autorin war offenbar besonders sorgfältig und fundiert. Jedes der Kapitel ist mit Zitaten aus internationalen Medien aus den Jahren 2023 und 2024 versehen, in denen es um die konkreten, bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels geht. Sie sind im Anhang verlinkt. In die Geschichte eingeflossen sind darüber hinaus viele weitere Fakten zu den klimatischen Veränderungen, dem Klimaaktivismus und ähnlichen Themen.

Sehr aufschlussreich ist das Nachwort der Autorin. Darin schildert sie nicht nur die Entstehung des Romans, sondern auch ihre Intention. Sie möchte ausdrücklich nicht zu Gewalt aufrufen, aber für das Thema Klimawandel sensibilisieren.

Auf den rund 350 Seiten ist die Geschichte unterhaltsam, spannend und vielseitig. Die Handlung ist größtenteils stimmig und nachvollziehbar. Nur wenige Details sind meiner Meinung nach unglaubwürdig.

Der Titel und das grafische Cover passen sowohl zum Genre als auch zum Thema.

Mein Fazit:
Obwohl ich ein paar Aspekte als nicht ganz realistisch empfunden habe, halte ich den Roman „Parts Per Million - Gewalt ist ein Option“ von Theresa Hannig für unbedingt lesenswert. Eine fesselnde und informative Lektüre, die die Augen für ein aktuelles Problem öffnet.

Veröffentlicht am 26.10.2024

Vom Aufwachsen in einer zerrütteten Welt

Im Morgenlicht
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Die Inselstadt Island City in der Zukunft: Die elfjährige Silvia, genannt Sil, und ihre Mutter stehen vor einem Neubeginn. Nach der Flucht aus ihrer schönen, aber kriegsversehrten Alten Heimat, über die ...

Die Inselstadt Island City in der Zukunft: Die elfjährige Silvia, genannt Sil, und ihre Mutter stehen vor einem Neubeginn. Nach der Flucht aus ihrer schönen, aber kriegsversehrten Alten Heimat, über die das Mädchen ebenso wenig weiß wie über ihren Vater, hat ihnen das Wiederansiedlungsprogramm eine Unterkunft im Hochhaus „Morgenlicht“ zugewiesen. In dem Gebäude arbeitet Ena, eine Verwandte, als Hausmeisterin. Doch schon bald bekommt Sil den Eindruck, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugeht….

„Im Morgenlicht“ ist ein dystopischer Roman von Téa Obreht.

Die Struktur des Romans ist durchdacht und sinnvoll: Auf einen kurzen Prolog folgen vier Teile (Bücher), die sich wiederum in kurze Kapitel gliedern. Die Handlung spielt überwiegend in einer offenbar fiktiven Inselstadt in nicht allzu ferner Zukunft, die jedoch nicht mit einer Jahreszahl definiert wird. Etwas schade ist, dass - anders als im amerikanischen Original - keine Landkarte beigefügt ist.

Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Sil, rückblickend, aber in chronologischer Reihenfolge. Der Prolog ist zeitlich nach dem eigentlichen Geschehen angesiedelt, was ihn verwirrend macht.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman sehr überzeugt. Der Schreibstil ist atmosphärisch, voller starker Bilder und mit poetischen Anklängen. Namen und Bezeichnungen weisen Verbindungen zur Balkanregion auf, was leider aber nur Kenner ersichtlich ist.

Das Mädchen Sil steht im Fokus der Geschichte, eine sympathische und lebensnahe Figur. Ihre noch recht kindlichen Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Die übrigen Charaktere wie ihre Mutter, Ena und weitere Personen bleiben größtenteils etwas geheimnisvoll und seltsam, was allerdings der Perspektive geschuldet ist und zur Geschichte passt.

Der Inhalt des Romans ist sehr speziell, denn es handelt sich um eine ungewöhnliche Mischung aus Dystopie und Coming of Age, kombiniert mit Elementen aus den Bereichen Mythen und Mystery. Das macht die Geschichte zu einer besonderen Lektüre, wie ich sie noch nicht gelesen habe. Aktuelle Bezüge wie die Folgen des Klimawandels und Migration aufgrund von Kriegen sind eingearbeitet.

Auf den fast 350 Seiten überrascht der Roman immer wieder mit neuen Einfällen und wird dadurch nicht langweilig. Obwohl beim Wordbuilding nicht alle Details erklärt werden und am Ende noch ein paar Fragen offen bleiben, konnte ich der Handlung gut folgen. Der Schluss wirkt stimmig.

Der deutsche Titel ist nahe am englischsprachigen Original („The Morningside“). Das stimmungsvolle deutsche Cover gefällt mir sogar besser als die amerikanische Version.

Mein Fazit:
„Im Morgenlicht“ von Téa Obreht ist ein ungewöhnliches und einzigartiges Lesevergnügen. Ein empfehlenswerter Roman, der mir noch länger in Erinnerung bleiben wird.

Veröffentlicht am 09.09.2024

Ein Sommer, der für immer bleibt

Das Schweigen meiner Freundin
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Es ist Sommer und beide sind noch Kinder, als sich Giulia(10) und Cristina (7), genannt Cristi, kennenlernen. Die Ältere ist sofort fasziniert und fühlt sich von der Jüngeren angezogen. Doch dann stiehlt ...

Es ist Sommer und beide sind noch Kinder, als sich Giulia(10) und Cristina (7), genannt Cristi, kennenlernen. Die Ältere ist sofort fasziniert und fühlt sich von der Jüngeren angezogen. Doch dann stiehlt Mattia, ein fremder Junge, Cristis Aufmerksamkeit und konkurriert ebenfalls um ihre Gunst.

„Das Schweigen meiner Freundin“ ist der Debütroman von Giulia Baldelli.

Die Struktur des Romans ist schlüssig und klar: Ein Prolog und ein Epilog umrahmen die sechs Teile, die sich wiederum in kurze Kapitel untergliedern. Die Handlung umfasst die Jahre 1991 bis 2014 und spielt in Italien. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge und im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Giulia.

Die Sprache des Romans ist ungekünstelt, aber anschaulich, atmosphärisch und eindringlich. Die Dialoge kommen authentisch rüber.

Drei Figuren stehen im Mittelpunkt der Geschichte: Giulia, Cristina und Mattia. Die Protagonisten werden mit großer psychologischer Tiefe dargestellt. Sie wirken lebensnah. Vor allem Giulias Denken und Fühlen wird sehr deutlich, blieb mir in Teilen aber leider etwas fremd.

Inhaltlich dreht sich der Roman um Liebe und Freundschaft, um Eifer- und Sehnsucht, um Lügen und Geheimnisse, vor allem aber um toxische Beziehungen und emotionale Abhängigkeiten. Diese und weitere Themen machen die Geschichte gleichwohl unterhaltsam und facettenreich.

Trotz der beinahe 500 Seiten ist die Geschichte fesselnd und kommt ohne Längen aus.

Das moderne, künstlerisch anmutende Cover passt gut zum Inhalt. Der deutsche Titel, der stark vom Original abweicht („L‘estate che resta“), ist ebenfalls keine schlechte Wahl.

Mein Fazit:
Mit „Das Schweigen meiner Freundin“ legt Giulia Baldelli ein überzeugendes Debüt vor. Ein lesenswerter Roman.