„Blutbuße“, der neue Polarkreis-Krimi von Viveca Sten, erschienen 2024 bei dtv, ist ein packender Krimi in gewohnter Sten-Qualität, der keine Wünsche offenlässt.
Die Ermittler:innen Hannah Ahlander und ...
„Blutbuße“, der neue Polarkreis-Krimi von Viveca Sten, erschienen 2024 bei dtv, ist ein packender Krimi in gewohnter Sten-Qualität, der keine Wünsche offenlässt.
Die Ermittler:innen Hannah Ahlander und Daniel Lindskog werden in einen komplexen Fall geworfen: Die von der örtlichen Bevölkerung kritisch betrachtete Charlotte Wretlind kommt durch einen brutalen Mord ums Leben, kurz bevor der Kick-Off zu einem großen Hotelprojekt vonstatten gehen kann. Wurde sie deshalb aus dem Verkehr gezogen?
Die Handlung spielt in Åre, einem beliebten Skiort im Norden Schwedens, nahe der Grenze zu Norwegen. Während die Ermittlungen voranschreiten, erfahren wir Lesenden viel über die private Situation der Ermittelnden und tauchen immer tiefer auch in ihr Leben ab. Sten legt viele verschiedene Spuren und hält die Spannung so bis zum überraschenden Schluss hoch. Die Figuren sind gut gezeichnet und auch wenn sich unter ihnen Stereotype finden, so überwiegen Charaktere, die in die Tiefe gehen. Es gibt viele Wendungen und schnell finden sich auch Spuren, die in die Vergangenheit führen, so dass der Fall immer vertrackter wird. Die Vergangenheit findet sich auch als weitere Zeitebene im Buch wieder, was formal gut konstruiert ist.
Sten schreibt flüssig und klar, sie scheut nicht vor Brutalität zurück, ohne jedoch zu sehr ins Detail gehen zu müssen, sie bettet Lokalkolorit in einem guten Maß ein, vor allem auch die Schilderung der Hotelatmosphäre gelingt grandios. Spannend insbesondere auch, wie sehr die Ermittler:innen selbst mit Druck und psychischen Problemen zu kämpfen haben, was natürlich Folgen für den Fall hat. Und auch wenn dieser Krimi vielleicht ein paar Seiten kürzer hätte sein können, bin ich doch gerne durch die Handlung gefolgt und wurde von der Auflösung überrascht. Also auf jeden Fall eine Leseempfehlung – und Vorfreude auf Band 4 der Reihe.
„9 Grad“, der Debut-Roman von Elli Kolb, erschienen 2024 bei Bastei Lübbe kommt in einem wunderschönen Schutzumschlag mit einem Bild, wie ich es lange nicht mehr so treffend für den Inhalt gesehen habe. ...
„9 Grad“, der Debut-Roman von Elli Kolb, erschienen 2024 bei Bastei Lübbe kommt in einem wunderschönen Schutzumschlag mit einem Bild, wie ich es lange nicht mehr so treffend für den Inhalt gesehen habe.
Elli Kolbs Erstling ist einfach in jeder Zeile großartig. Ich habe lange kein so durchgehendes warmes Gefühl beim Lesen gehabt und mich den Figuren so nahe gefühlt. Es ist für mich irgendwie auch ein Rettungsbuch für eine ganze Generation, die indirekt darin so treffend beschrieben ist und mit so viel Liebe. Dieses Rudern nach Halt, dieser verzweifelte Versuch einer Ich-Bestimmung und dieses ewige Gefühl, funktionieren zu sollen, es ist so sehr in den Figuren verwurzelt. Wir begleiten die drei Freunde Rena, Anton und Josies durch ihr vertracktes Leben. Die Freundschaft, die die drei miteinander teilen, ist die, die wir alle uns immer wünschen würden, sie berührt mich wirklich sehr, die enge Verbindung zwischen den zwei Frauen, die so unterschiedlich sind und manchmal dann plötzlich so gleich und die zumindest voreinander sein dürfen, wie sie eben sind. Anton, der scheinbar schlaue Typ, der im Emotionalen so zart wird und so viel Rat braucht. Die Familien drumherum, in denen einfach nichts geklärt ist, alles ist schwierig und gleichzeitig liegt über allem eben doch Liebe. Und dann kommt noch Lee hinzu als etwas merkwürdiger Solitär, der in diesen Kosmos hereintaumelt.
In diese Konstellation hinein brechen schwere Themen wie Nahtoderfahrung und Depression, doch Kolb findet immer wieder so passende Bilder und menschliche Situationen, um diese Themen zu vermitteln, dass ich das Buch zu jedem Zeitpunkt als leicht emfunden habe. Sowieso gibt es so viele tolle Formulierungen und Momente, die wir alle kennen, dieses Gefühl z.B., dass man sich zusammenreißen muss, dass man durchmuss, und dabei verpasst man das eigentliche Leben. So viele kluge Beobachtungen.
Wann sind wir in unserem Leben angekommen? Das ist für mich die große Frage, die über allem schwebt. Und wie viel Zeit können wir uns damit lassen?
Und natürlich geht es auch um das Eisbaden. Wer das mal gemacht hat, weiß, wie irre sich danach der Körper anfühlt und wie man wirklich kurz in eine neue Dimension gerät. Total nachvollziehbar, dass Menschen diese Grenze suchen, wo sie selbst aus verschiedenen Gründen sich immer wieder auflösen, nicht wissen, wo sie anfangen, wo sie aufhören. Ein Gefühl, dass glaube ich alle Menschen kennen, die ihr Ich und die Abgrenzung zu einem Du auf der Suche nach einem Wir noch finden müssen. Was für eine kluge Konstruktion also in diesem Buch: Die einen, die leben könnten, aber des Lebens so überdrüssig sind und natürlich nicht willentlich und darum sehr leidvoll (Lee), die anderen, die so sehr lebenshungrig sind, aber blockiert werden in diesem Lebenswillen durch eine Krankheit (Rena), dazwischen die Taumelnden, die pendeln zwischen Haltsuche und Freiheitsdrang, die eigentlich ihr Ich noch gar nicht definiert haben, aber schon ständig mit einem Wir konfrontiert sind (Josie) und die, die es einfach ganz langsam und vorsichtig angehen und damit vielleicht am Weitesten kommen, aber unter Umständen auch etwas verpassen, weil das große Auf und Ab zwar anstrengend ist, oft aber auch wunderschön (Anton). Es hat mich so sehr an meine Studienzeit erinnert und gibt mir sehr gemischte Vibes zwischen Sehnsucht nach diesem einmaligen intensiven Lebensgefühl und froh sein, dass das vorbei ist. Also wie Eisbaden. Eigentlich. Weshalb auch dieses Motiv eben so stark gewählt ist. Die Auswegslosigkeit der Depression ist für mich sehr gut geschildert, auch die Reaktionen des Umfeldes. Perfekte Beschreibung der Depression: „Ich bin einfach an einem Nicht-Ort, und du hast einen Ort im echten Leben verdient.“ Noch nie so gut gehört.
Mein Lieblingssatz: „Lass uns zusammen verwildern“ – das wäre auch ein schönes Tattoo. Ein Plädoyer für das Nicht-Funktionieren – und das ist für mich auch dieses Buch in seiner Gesamtheit. Nicht mehr funktionieren. Leben. Mit all seinen Farben.
Wie kann ein Mensch ein so gutes Debüt schreiben? 300 Sterne für Elli Kolb!
„Am Himmel die Flüsse“, der neue Roman von Elif Shahak, erschienen 2024 im Carl Hanser Verlag, ist ein Buch, das die Messbereiche des Bewertbaren sprengt, ein Meisterstück, das mich noch viele Monate lang ...
„Am Himmel die Flüsse“, der neue Roman von Elif Shahak, erschienen 2024 im Carl Hanser Verlag, ist ein Buch, das die Messbereiche des Bewertbaren sprengt, ein Meisterstück, das mich noch viele Monate lang bewegen wird, und schon jetzt eine Vielzahl von weiteren Buchbestellungen bei mir ausgelöst hat. Es ist schwer, diesen Roman zu rezensieren, ohne dabei selbst einen Roman zu schreiben, denn zu groß ist die Fülle von positiv anzumerkenden Faktoren und meine Begeisterung. Eine Anmerkung vorweg: Dieser Roman erfordert ein langsames Lesetempo, alles andere wäre Verschwendung an den vielen einzigartig schönen Details die Shafaks Prosa und Geschichte schmücken. Es erfordert ein bisschen Einlassen – doch dieses Einlassen wird unendlich reich belohnt.
Startend in Ninive, der nicht unbekannten mesopotamischen Stadt im heutigen Irak, zu Zeiten der Herrschaft von König Assurbanipal, einem sehr despotischen Herrscher, der zugleich aber eine für die Geschichte sehr wichtige Bibliothek aufbaute (wir befinden uns ca. 650 v. Chr.), folgen wir der Geschichte des Wassers, genauer eines kleinen Wassertropfens, der im ewigen Wasserkreislauf bis ins Jahr 2018 und weiter reist, einer Lapislazuli-Tafel, die eine andere Version des Gilgamesch-Epos beschreibt, als die bekannte, einem weiteren Lapislazuli, der Jahrhunderte verbinden wird, diversen Lamassus, deren Schutz die Menschen leider nicht vor allem behüten können, vielen anderen Motiven, die Shafak in vielen Details durch die Handlung webt – und den Lebensgeschichten von Arthur, dem König der Abwasserkanäle und Elendsquartiere, von Narin und ihrer Großmutter und Leila, die der Glaubensgemeinschaft der Eziden angehören, sowie von Zaalekhah, die sich als Hydrologin unter anderem mit dem Gedächtnis des Wassers beschäftigt.
Über knapp 600 Seiten entspinnt Shafak ein Panorama an Leben und Geschichte, das erst ganz am Ende zu einem wirklich erschütternden Ganzen zusammengefügt wird und mich in immer poetischer Sprache und wundervoller Emotionalität und teils auch verstörender Härte so viel Neues gelehrt hat, ohne mich dabei zu belehren. Es ist so dicht konstruiert, die Sprache ist wunderschön, die Charaktere toll gezeichnet und so interessant, das Motiv des Wassers wird so vielfältig durchgeführt, so viele Legenden und Geschichten sind eingearbeitet in die Haupthandlung, so viel Traurigkeit liegt unter all der Schönheit, während sich die einzelnen Geschichtenstränge erst ganz leise miteinander verweben, bis das Tempo zum großen Finale immer mehr anzieht und sich in einen wahren Wasserfall eskaliert. Wie gehen wir Menschen miteinander, wie gehen wir mit unserer Kultur, unserer Menschheitsgeschichte um, warum grenzen wir immer wieder aus und maßen uns an, über andere zu urteilen, diesen großen Fragen widmet sich Shafak. Und erzählt uns dabei viel über die Jahrtausende währende Ausgrenzung und Diskriminierung der Eziden, die 2014 in einen Genozid führte (und nicht umsonst aktuell auch ein großes Schlaglicht nach Israel und Palästina wirft in der Betrachtung), über die Vorurteile, die ganz generell immer wieder unsere Betrachtung anderer Menschen prägen, über Kolonialismus und Sklaverei, die bis heute andauert, über Beuteraub, über Krieg, über Macht und ja auch über Patriarchat. Das immer präsente Wasser saugt all diese Geschichten auf und wird sie noch Jahrhunderte weitertragen. Wir können uns nicht hinter Stein verstecken.
So könnte ich jetzt endlos weiterschreiben über dieses einzigartige Meisterwerk, das trägt bis zur letzten Zeile der Danksagung und für das ich 6 Sterne brauche oder besser 11 – aber das nimmt euch Zeit, Zeit, die ihr braucht, um jetzt ganz schnell in die Buchhandlung zu rennen und dieses Buch zu kaufen und mit dem Lesen zu beginnen. Denn vielleicht, ganz vielleicht können wir ja doch noch etwas ändern an diesem Zitat: „Die Sagen des Zweistromlandes wissen, dass Wasser die Urkraft des Lebens ist. Die Bäume sind >wurzelndes Wasser<, die Vögel >fliegendes Wasser<, die Berge >aufragendes Wasser<, und die Menschen sind heute und alle Zeit >kriegführendes Wasser<; sie leben nie in Frieden.“ Der kleine Wassertropfen wird weiterreisen. Welche Geschichte möchten wir ins sein Gedächtnis prägen?
„Taumeln“, der zweite Roman von Sina Scherzant, erschienen 2024 bei park x ullstein, ist ein Buch, das mir noch lange durch Kopf und Herz gehen wird. Ein schlichter Schutzumschlag zeigt Blätter in Pink ...
„Taumeln“, der zweite Roman von Sina Scherzant, erschienen 2024 bei park x ullstein, ist ein Buch, das mir noch lange durch Kopf und Herz gehen wird. Ein schlichter Schutzumschlag zeigt Blätter in Pink bis Petrol auf schwarzem Grund, darunter versteckt sich ein wunderschönes Hardcover in einem leicht glitzernden Farbverlauf derselben Farben. Ein bisschen so sind auch die Menschen in diesem Buch, eine karge Fassade, aber darunter ist so ein sanft glänzendes Leuchten, dass mich beim Lesen tief berührt hat.
Der Einstieg in den Roman ist einer der besten, die ich seit langem gelesen habe, voller Härte und Poesie, eine allgemeine Betrachtung über den Schmerz, bevor wir uns im Buch den Leidenden widmen. Oder den Kämpfenden. Es kommt auf die Perspektive an.
Immer wieder treffen sie sich im Wald, die Suchenden, das sind Luisa, Inge, Frank, Hartmut, Amaka, Emma, Enrico und Christina, die seitdem Hannah, die Schwester von Luisa eines Tages verschwunden ist, jeden Samstag den Wald durchforsten, auf der Suche nach Hannah – oder vielleicht doch eher nach sich selbst und einem Weg aus der Einsamkeit und all den Dingen, die sich unter der Oberfläche aufstauen. Was so profan und durchsichtig klingt in der Oberflächenkonstruktion ist ein Roman, der an emotionaler Dichte und literarischer Qualität kaum zu überbieten ist. Hannah, die Perfekte, Wunderschöne, deren Name nicht umsonst natürlich auch noch ein Palindrom ist, verschwindet scheinbar grundlos und zurück bleiben Wut, Schuld und beendete Leben, die voller Schmerz auf einen Neubeginn warten, sich aber nicht aus der Sackgasse, dem Wendehammer, trauen. Die Trauerarbeit, das Loslassen hat viele Gesichter, für die Scherzant einfach großartige Bilder und Formulierungen findet. Die Suche im Wald wird immer mehr auch zu einer klugen Gesellschaftsstudie, die die Mechanismen von Abwehr und Kampf um Geltung und Sichtbarkeit immer mehr aus dem Mulch herausschält. Scherzant macht nicht halt vor Rassismus und Privilegien, vor Misogynie, Incels (wo sind die Bären in diesem Wald?) und roher Gewalt, vor stereotypen Rollenbildern und Heimlichkeit, vor Optimierungsdruck und Hass. Aber zum Glück steht dem Gegenüber im Wald auch Solidarität und eine Art, ja, Fungus, ein unterirdisches Gewebe, dass hier acht Menschen zusammenhält und ganz langsam und leise miteinander wachsen lässt, der Wald ist unverwüstlich und diese Notgemeinschaft auch. Vielleicht weiß am Ende niemand mehr, warum sich immer wieder im Wald zusammengefunden wird und die Suche sich immer mehr wie ein Ausflug anfühlt, vielleicht wird nie mehr Physisches gefunden werden als Plastikdeckel, während immer mehr klar wird, dass es eigentlich längst vorbei ist, und vielleicht ist es müßig, immer wieder die Blätter umzuwälzen, wenn die Oberfläche der Menschen immer mehr Risse bekommt. Aber jeder Schritt durch den Wald beschreibt aus Scherzants genialer Feder auch die Unfähigkeit, selbst weiterzuleben angesichts eines Verlustes, die inneren und äußeren Verletzungen, den Wunsch nach einer Erklärung oder Rechtfertigung und bringt die Menschen im Roman ganz vorsichtig an etwas, das vielleicht ein Anfang ist.
„Ein schwarzes Loch ist nicht Leere. Es existieren Schwarze Löcher mit der milliardenfachen Masse der Sonne.“
Noch nie wurde ein schwarzes Loch für mich so spürbar gemacht, wie durch dieses Buch. Lesen. Bitte lesen. Und dann zum Sternenhimmel aufschauen. Sonst habt ihr wirklich was verpasst.
„It’s lonely at the centre of the earth“, eine Autobio-Graphic-Novel über das Leben mit Depressionen von Zoe Thorogood ist eine Entdeckung, ein unglaublich mutiges und ehrliches Werk aus der Hand einer ...
„It’s lonely at the centre of the earth“, eine Autobio-Graphic-Novel über das Leben mit Depressionen von Zoe Thorogood ist eine Entdeckung, ein unglaublich mutiges und ehrliches Werk aus der Hand einer jungen Künstlerin, die uns hoffentlich noch ganz viele Werke schenken wird.
Ich kannte Zoe Thorogood bisher als Künstlerin gar nicht, muss mir jetzt unbedingt mehr von ihr anschauen. Ihre Zeichnungen sind so vieldimensional und berührend, die fragile und fragmentarische Storyline lässt die Lesenden sehr gut in ihren Kopf schauen, die Graphic Novel ist so ehrlich und direkt, ich kann das nur feiern. Wie Thorogood ihrer Depression eine Gestalt gibt und in vielen Panels sichtbar wird, dass es eine fast zärtliche Beziehung zu ihr gibt, die Gesichtslosigkeit der Menschen um sie herum, die ihre Unfähigkeit, Beziehungen einzugehen, so perfekt einfängt, das Chaos, das durch alle Bilder wandert, die meist gedeckten Farben, ihre Fähigkeit, ganz viele Formen und Stile künstlerisch zu integrieren, und in der Mitte dann auf einmal ein neues Buch, ein neuer Ansatz, weil sich das alte Buch einfach nicht schreiben lassen will: Einfach grandios. Die Facetten der Depression werden sehr gut eingefangen, auch die Sprachlosigkeit, die damit einhergeht, beim gleichzeitigen Wunsch nach Kommunikation und Nähe.
Dieser Wunsch führt im zweiten Ansatz dann zu einer deutlich klareren Storyline, und dennoch scheint das Fragmentarische fast noch zuzunnehmen: Die innere Auflösung und Überforderung von Zoe ist absolut greifbar und es hat mich sehr berührt, wie sie sich immer mehr zu verlieren scheint. Ganz stark eine Doppelseite, auf der sie sich selbst am Tisch gegenüber sitzt und in ganz vielen Spiegelungen erscheint. Und wie sie ihrem jungen Ich begegnet, das sie im Leben hält und zum Schreiben und Zeichnen antreibt. Dann auf einmal bei einer Fotografie zu landen, hat mich zerrissen.
Und auch wenn Zoe vielleicht nicht weiß, wie sie das Buch beenden soll, so ist doch gerade dieses Nicht-Ende wahrscheinlich genau das einzig Mögliche. Ihr Kampf wird ja auch nicht enden. Aber sie bleibt in Bewegung. Es ist einsam im Mittelpunkt der Erde. Aber Zoe versucht, dort nicht mehr zu leben. Das ist es, was zählt.
Eine mutige Graphic Novel. Es braucht ein bisschen Mut auch von den Lesenden, mit dem assoziativen Flow zu gehen und sich durch die Panels treiben zu lassen. Vielleicht hätte ich mir auch noch ein bisschen mehr Input zum Kampf zwischen Depression und Kunst gewünscht. Aber wir teilen das, was wir teilen können. Künstlerisch durchgehend stark gezeichnet und mit einer klaren Stimme gesprochen.
Am Buchbeginn zeigt uns Zoe Thorogood, wer sie ist und zeigt uns auch ihre Angst, mit diesem Buch an die Öffentlichkeit zu gehen, weil dann alle für immer über sie Bescheid wissen werden. Es ist ein Scheiß, dass psychische Krankheiten noch immer so stigmatisiert sind. Die Einsamkeit, die im Mittelpunkt der Erde herrscht, macht Zoe Thorogood mit ihrer Graphic Novel sehr berührend erlebbar. Es wird Zeit, mehr Leitern und Seile nach unten zu bringen.
Ich bin Fan. Ich wünsche dieser beeindruckenden Graphic Novel ganz viele Leser:innen. Und werde noch häufiger die wichtige Frage stellen. Bist du okay?