Wie Bücher unser Leben verändern
Die Goldene SchreibmaschineDie Idee hinter diesem Buch ist einfach genial. Es zeigt, welche Wirkung das geschriebene Wort auf unser Leben hat, wie es uns prägt und unsere Beziehung zu anderen beeinflussen kann. Aber es demonstriert ...
Die Idee hinter diesem Buch ist einfach genial. Es zeigt, welche Wirkung das geschriebene Wort auf unser Leben hat, wie es uns prägt und unsere Beziehung zu anderen beeinflussen kann. Aber es demonstriert ebenfalls, wie gefährlich eine solche Macht in den falschen Händen ist. Selbst kleine, scheinbar subtile Unterschiede in einem Lieblingsbuch ziehen ungeahnte Konsequenzen in dem Leben einzelner nach sich.
Und obwohl die Idee wirklich großartig ist, so hat mich die erste Hälfte des Buches doch ziemlich genervt oder vielmehr die Darstellung des bösen Lehrers Herr Dr. Dresskau. Auf völlig überzogene Weise drangsaliert er die Schüler. Er erpresst, schikaniert und zwingt sie mit an den Haaren herbeigezogenen Begründungen, nachts zum Beispiel mit ihm auf den Friedhof nach dubiosen Hinweisen zu suchen. Auch in der Freizeit sind sie nicht vor seinen Machtübergriffen sicher. Und niemand greift ein, beschützt die Kinder oder weist ihn in seine Schranken ein.
Toll ist dagegen, dass der Autor Henn ansonsten nicht davor zurückschreckt, seinen Charakteren auch ungewöhnliche Fähigkeiten und Ticks mitzugeben. So wirkt Emilys Ordnungszwang leicht autistisch und ihre beste Freundin Charly ist Synästhetikerin, das heißt, sie kann Gefühle schmecken. Emilys Opa ist zudem dement. Mit dieser Krankheit wird hier sehr würde- und liebevoll umgegangen. Die meisten Charaktere werden greifbar und real dargestellt, sie sind weder schwarz noch weiß. Selbst der Lehrer erhält mit seiner Hintergrundgeschichte eine leichte Grauschattierung. Es ändert jedoch nichts an seinem übertriebenen Verhalten. Nur Emilys Eltern bleiben mir sehr unnahbar und unverständlich. Das eigene Kind für ein bis anderthalb Jahre zu verlassen, finde ich wenig nachvollziehbar.
Die Geschichte selbst hat ein hohes Tempo. Insbesondere in der zweiten Hälfte kommt die Handlung schnell in Fahrt und die Ereignisse überschlagen sich regelrecht. Der Autor baut die Veränderungen, die durch die Schreibmaschine bewirkt wurden, wie selbstverständlich ein und verzichtet auf langwierige Erklärungen, die meiner Meinung nach auch nicht nötig sind. Die Realität der Charaktere wurde schließlich angepasst, ohne dass die Personen es bemerkt hätten.
Insgesamt hat mich das Buch sehr beeindruckt. Nur die Figur des Lehrers ärgert mich nach wie vor, da sie einfach unrealistisch ist. Wem das nichts ausmacht oder wie ich letztlich darüber hinwegsehen kann, erhält eine originelle Geschichte, die uns die Wirkung unserer Bücherwelt lebendig vor Augen führt.