Platzhalter für Profilbild

Annis22

Lesejury Profi
offline

Annis22 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Annis22 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.01.2024

Ein Roman über Musik und so viel mehr

Becks letzter Sommer
0

Lehrer Robert Beck führt ein tristes Leben, bis er beinahe gleichzeitig auf seine erste große Liebe Lara und auf den musikalisch hochbegabten Schüler Rauli trifft. Dieser weckt Erinnerungen an seine eigene ...

Lehrer Robert Beck führt ein tristes Leben, bis er beinahe gleichzeitig auf seine erste große Liebe Lara und auf den musikalisch hochbegabten Schüler Rauli trifft. Dieser weckt Erinnerungen an seine eigene Karriere als gescheiterter Musiker und den Traum, diese wieder aufleben zu lassen.

Benedict Wells überrascht in jedem seiner Romane mit einem anderen Stil: In "Becks letzter Sommer" schreibt er humorvoll, sarkastisch und trotzdem todernst.
Die ganze Geschichte ist sehr dynamisch, lebendig, gleichzeitig tiefgründig und melancholisch. Sie nimmt einen als Leser*in einfach mit, man kann gar nicht anders als ihr zu folgen.
Jeder Charakter überzeugt durch seinen Charme und seine Eigenheiten und obwohl es manchmal ins Absurde geht, nimmt man dem Autor alles ab.

Es geht um Musik, um das Streben nach Glück, um Liebe und um grundlegende Fragen des Daseins. Die Story ist ein Auf und Ab, ebenso wie das reale Leben.

Ich habe mich wieder einmal gern auf Benedict Wells' Charaktere und Geschichte eingelassen, es ist kaum zu glauben, dass er das Buch schon mit Anfang 20 geschrieben hat.

Zur Hörbuchversion: Ich hatte zuerst meine Zweifel, ob Christian Ulmen und Benedict Wells zusammenpassen, sobald ich losgehört habe, wurde mir allerdings bewusst, dass es keine bessere Besetzung hätte geben können. Ulmen inszeniert Beck so perfekt, haucht aber auch allen anderen Figuren so viel Leben ein, dass es ein wahres Vergnügen war, dem Hörbuch zu folgen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.04.2023

Nicht nur fast genial

Fast genial
0

Der siebzehnjährige Francis lebt mit seiner psychisch erkrankten Mutter in einem Trailerpark. Als er eines Tages erfährt, dass sein ihm unbekannter Vater ein Genie ist, macht er sich gemeinsam mit zwei ...

Der siebzehnjährige Francis lebt mit seiner psychisch erkrankten Mutter in einem Trailerpark. Als er eines Tages erfährt, dass sein ihm unbekannter Vater ein Genie ist, macht er sich gemeinsam mit zwei Freunden auf die Suche nach ihm - quer durch die USA.

"Fast genial" ist mein zweites Buch von Benedict Wells und ich wurde auch diesmal nicht enttäuscht.
Der Schreibstil ist etwas schnörkelloser als ich es von ihm kannte, die Sprache ist klar und verständlich und daher ließ sich das Buch angenehm leicht und flüssig lesen.
Dennoch ist es nicht weniger tiefgründig, im Gegenteil: Es behandelt existenzielle Themen rund um (genetische) Herkunft, Fremd- und Eigenverantwortung für das Leben, die eigene Persönlichkeitsentwicklung.

Gut gefallen hat mir der Aufbau des Buches, der den Inhalt geschickt unterstreicht: Während die drei Freunde auf der Suche nach Francis' Vater sind, ist die Storyline geradlinig und zielgerichtet. Nachdem dieses Ziel erreicht wurde, verläuft die weitere Handlung genauso orientierungslos und wirr wie Francis sich gerade fühlt.

Wells lässt die Lesenden gekonnt die ganze Geschichte hindurch Francis' Emotionen mitspüren, sei es Liebe, Wut, Trauer, Enttäuschung oder zu guter letzt die Desillusionierung.
Spannend waren die daraus relsutierenden unerwarteten Handlungen und Francis' gesamte charakterliche Entwicklung.
Das Ende ist meiner Meinung nach genial - auch wenn ich es auf eine gewisse Weise hasse.

Für mich war es ein sehr kurzweiliger, flüssig zu lesender Roman über einen Roadtrip, der einerseits die Leichtigkeit und Naivität der Jugend widergibt, andererseits auch tiefgründige Themen aufgreift.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.10.2024

Schockierend, aber distanziert

Reichskanzlerplatz
0

“Reichskanzlerplatz” erzählt die Geschichte Magda Goebbels’ aus der Sicht des fiktiven Liebhabers Hans Kesselbach, der über einen zwanzigjährigen Zeitraum immer wieder Kontakt zu ihr hat. Diese ungewöhnliche ...

“Reichskanzlerplatz” erzählt die Geschichte Magda Goebbels’ aus der Sicht des fiktiven Liebhabers Hans Kesselbach, der über einen zwanzigjährigen Zeitraum immer wieder Kontakt zu ihr hat. Diese ungewöhnliche Perspektive finde ich gut gewählt.
Es ist aber keine reine Biografie, vielmehr ist es ein Porträt des Dritten Reiches, vom Aufkommen bis zum Ende, welches aufzeigt, wie schnell man (Mit-)Täter wird.
Während Magda aktiv zur überzeugten Nationalsozialistin konvertiert, lädt Hans sich Schuld auf, indem er wegschaut und verdrängt, versucht, sich selbst zu schützen - denn durch seine Homosexualität schwebt er selbst in großer Gefahr.
Der Schreibstil ist sehr sachlich und jeder Satz scheint Bedeutung zu haben - weswegen das Buch etwas Konzentration bedarf. Außerdem wird einiges Wissen vorausgesetzt.
Die beiden Protagonist*innen werden trotz ihrer Rollen sehr menschlich dargestellt und ihre verschiedene Charakterzüge beleuchtet.
Ich persönlich konnte durch die distanzierte Erzählart jedoch keinen guten Bezug zu ihnen oder der Geschichte aufbauen, weshalb ich das Buch trotz des schockierenden Inhalts als nicht allzu intensiv wahrgenommen habe.
Dennoch empfehle ich den Roman, da er gekonnt ein Kapitel deutscher Geschichte beleuchtet, welches nicht wiederholt werden darf und eindrücklich zeigt, wie schnell man zum Schuldigen wird, selbst wenn man sich selbst zu den Guten zählt - was aktueller denn je ist.
⭐️4/5⭐️

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2024

Verrückt und einzigartig

Draußen feiern die Leute
0

In einem niedersächsischen Dorf passiert neben dem jährlichen Zwiebelfest nicht viel Aufregendes.
Doch nach und nach verschwinden immer mehr Jugendliche spurlos.
Eine Gruppe von Außenseitern beschließt, ...

In einem niedersächsischen Dorf passiert neben dem jährlichen Zwiebelfest nicht viel Aufregendes.
Doch nach und nach verschwinden immer mehr Jugendliche spurlos.
Eine Gruppe von Außenseitern beschließt, das Rätsel zu lösen und macht sich auf den Weg, die Vermissten zu finden.

Nach dem Klappentext habe ich von “Draußen feiern die Leute” wohl eine Mischung aus Krimi und Coming-of-Age-Roman erwartet. Was ich bekommen habe? Einen wilden Ritt durch alle Genres, einen Dorfroman mit absurden Wendungen, ein absolut einzigartiges und verrücktes Debüt.
Sven Pfizenmaiers Eloquenz zeigt sich schon in den ersten Sätzen, allein die Beschreibungen des Dorfes und des Zwiebelfestes sind großartig.
Zunächst scheint in besagtem Örtchen auch alles gewöhnlich zu sein, mit absoluter Leichtigkeit und als wär es das Normalste auf der Welt, stellt uns Pfizenmaier dann die Protagonist*innen vor: Drei Jugendliche mit besonderen Fähigkeiten, eine Art Anti-Avengers; der eine ein Pflanzenmensch, die nächste schläft wochenlang am Stück, der Dritte hat eine höchst ermüdende Aura und hat so schon als Baby seine eigene Mutter gelangweilt.
Natürlich sind das nicht alle skurrilen Charaktere, das ganze Buch wimmelt davon.
Und als wäre das nicht genug, überrascht der Autor ständig mit den unvorhersehbarsten Wendungen, geht ins absolut Absurde und setzt gut platzierte Pointen.
Dennoch hat das Buch auch ernste Themen, so wird schnell deutlich, dass die Verschwundenen sich alle nach etwas gesehnt haben: einer besseren Welt, in der sie sich verstanden und als Teil einer Gesellschaft fühlen können.
Die Suche nach ebendiesen ist ebenso spannend wie der sagenumwobene Drogenboss Rasputin (und was man sich über ihn erzählt, ist wirklich wild), der etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat.

Zusammengefasst steckt dieser Roman voller Sprachgewandtheit, Witz, skurrilen Figuren, jugendlichen Sehnsüchten und ganz vielen Drogen - ja, manchmal fühlt sich das Lesen wie ein einziger literarischer Trip an. Empfehlung an alle, denen der Humor zusagt und die auf der Suche nach etwas Neuem sind. Etwas Vergleichbares habt ihr noch nicht gelesen, versprochen. ⭐️4/5⭐️

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.09.2024

Till Eulenspiegel im Dreißigjährigen Krieg

Tyll
0

Der Dreißigjährige Krieg hält Europa in Atem, als der Vater des jungen Tyll Ulenspiegel wegen Hexerei verurteilt wird.
Gemeinsam mit einer Freundin aus dem Dorf flieht Tyll von zu Hause. Sie schließen ...

Der Dreißigjährige Krieg hält Europa in Atem, als der Vater des jungen Tyll Ulenspiegel wegen Hexerei verurteilt wird.
Gemeinsam mit einer Freundin aus dem Dorf flieht Tyll von zu Hause. Sie schließen sich einem Gaukler an, um dessen Künste zu erlernen.
Und trotz Hunger, Schnee und Armut gelingt es Tyll, sich in ganz Deutschland einen Namen zu machen.

Unschwer erkennbar hat sich Daniel Kehlmann für seinen Protagonisten den bekannten Schelm Till Eulenspiegel zum Vorbild genommen und ihn etwa zweihundert Jahre in die Zukunft versetzt, mitten in den Dreißigjährigen Krieg.
Dieser Krieg ist auch das eigentliche Thema des Buches. Tyll ist dabei zwar Dreh- und Angelpunkt, aber mitnichten der einzige Protagonist. Die Handlung erfahren wir aus verschiedenen Perspektiven und so entsteht ein ziemlich ganzheitliches Bild des Krieges.
Der Erzählton ist dabei manchmal rau, manchmal zart, manchmal spöttisch und manchmal klug; was ihn eint, ist die Tatsache, dass der Text auf knapp 500 Seiten wirklich gut und flüssig lesbar ist und die Worte Kehlmann leicht von der Hand gegangen zu sein scheinen.
Ich persönlich hätte mir ein bisschen mehr Tyll und ein bisschen weniger Politik gewünscht, aber das ist ja Geschmackssache. Der Roman ist allen Leser*innen von Historien und Neuerzählungen zu empfehlen. ⭐️4/5⭐️

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere