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Veröffentlicht am 20.12.2017

Ein Okapi als Todesbote

Was man von hier aus sehen kann
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Im kleinen Westerwälder Dorf kündigt sich der Tod auf ungewöhnliche Weise an: durch ein Okapi, das Selma, der Großmutter der Ich-Erzählerin Luise im Traum erscheint. Den tragischsten Todesfällen im Umfeld ...

Im kleinen Westerwälder Dorf kündigt sich der Tod auf ungewöhnliche Weise an: durch ein Okapi, das Selma, der Großmutter der Ich-Erzählerin Luise im Traum erscheint. Den tragischsten Todesfällen im Umfeld von Selma ging seit Jahrzehnten dieser Traum voraus und so ist auch Luises erste Erfahrung damit eine tragische, die ihr im Alter von zehn Jahren widerfährt und die ihr weiteres Leben - zumindest, so lange wir sie begleiten dürfen, prägen wird.

Neben Selma, DER prägenden Gestalt in Luises Leben, lernen wir eine Reihe anderer Dorfbewohner kennen, die allesamt - jeder auf seine Weise - speziell sind - die Vorstellung vom knorrigen Westerwälder, die zumindest im Rheinland (ich bin Kölnerin) gang und gäbe ist, manifestiert sich hier in Gänze.

Neben Selma und dem jahrzehntelang unglücklich in sie verliebten Optiker sind dies Luises Eltern - die sie beide, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, nicht zu fassen bekommt, ihr gleichaltriger Freund Martin, der Einzelhändler, Elsbeth und Marlies, um nur mal ein paar Namen zu nennen. Jeder von ihnen wird von Autorin Marianna Leky in aller Kürze so eindringlich geschildert, dass man ihn gleich vor sich sieht, in einigen Fällen auch hört bzw. riecht.

Ein wunderbares Buch, in dessen Verlauf wir Luise von ihrer Kindheit bis ins Erwachsenenalter hinein begleiten und ihr tragikomisches Schicksal - nichts anderes wird hier geschildert - in verschiedenen Lebensabschnitten erleben dürfen. Wir begegnen Luise in ihrer Einsamkeit, aber auch in Zeiten der Liebe. Ja, die Liebe ist es, die im Westerwald - und nicht nur dort - nicht immer schwer zu finden, aber stets schwer zu halten ist! Und zwar in all ihren Formen. Mariana Leky findet wunderbare Worte, um die unterschiedlichen Stimmungen, die den Roman in Bezug auf dieses ganz besondere Gefühl durchdringen, darzustellen.

Ein Roman mit Sogwirkung, so zumindest habe ich es empfunden und sehe es in der Nähe eines frühen Irvings (vor allem von Hotel New Hampshire) oder auch von "Tango für einen Hund" von Sabrina Janesch. Überflüssig zu erwähnen, dass ich beide genannten Bücher ebenfalls sehr schätze und sie bereits oft empfohlen habe. Auch dem vorliegenden wird es so gehen: ich war von der Leseprobe gleich vollkommen ergriffen, auch wenn ich vor Jahren den Vorgängerroman "Die Herrenausstatterin" nur stellenweise genießen konnte. Falls es Ihnen genauso ergeht, zögern Sie trotzdem nicht: es könnte ja sein, dass Sie Luises Charme ebenso erliegen wie es bei mir der Fall war!

Dieser Roman bietet um einiges mehr, als das, "Was man von hier aus sehen kann". Luise zumindest und auch einige andere sind bereit zu wachsen und über den Tellerrand hinweg zu schauen - in vielerlei Hinsicht. Im kleinen Westerwälder Dorf und weit darüber hinaus!

Veröffentlicht am 05.12.2024

Kampfhunde gibt es nicht nur in der Tierwelt

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
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Nein, manchmal sieht man sie auch in der menschlichen Sozialisation wie bspw. hier in der Familie Richter. Wobei es sich hier ausnahmslos um Hündinnen handelt, denn der Vater Edgar ist ein ...

Nein, manchmal sieht man sie auch in der menschlichen Sozialisation wie bspw. hier in der Familie Richter. Wobei es sich hier ausnahmslos um Hündinnen handelt, denn der Vater Edgar ist ein eher friedlicher Typ. Dagegen geht Mutter Regina, eine Psychologin, im eigenen Familienkreis ständig auf Konfrontationskurs, vor allem gegenüber dem ruhigen, aus ihrer Sicht laschen Teil der Familie, zu dem außer ihrem Ehemann auch noch Antonia, die ältere Tochter, gehört. Wanda, die Jüngere der beiden, ähnelt dagegen deutlich ihrer Mutter und wird von dieser dafür geliebt - nein, vergöttert!

Wir begegnen der Familie in drei unterschiedlichen Jahrzehnten, wobei sie sich ab dem zweiten bereits dezimiert, doch in Erinnerungen leben alle weiter. Und alle verändern sich - sowohl im Leben als auch in der Wahrnehmung bzw. in den Erinnerungen der anderen.

Es ist ein eindringlicher, dazu trotz vieler schmerzhafter Passagen ausgesprochen unterhaltsamer und immer wieder auch ironischer Roman, den ich nicht aus der Hand legen konnte. Meines Erachtens hat die Autorin Anna Brüggemann mit diesem Buch ein wahres Meisterwerk geschaffen, das - so scheint es mir - auch manch eine Momentaufnahme oder auch mehr aus ihrer ganz persönlichen Erfahrung beinhaltet.

Veröffentlicht am 30.10.2024

Hildur und ihre Lieben

Hildur – Der Schatten des Nordlichts
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Dieser Krimi ist der dritte Teil einer ungewöhnlichen Trilogie um die Kommissarin Hildur Rúnarsdóttir, die in den Westfjorden Islands, auf gut Deutsch am A... der Welt, ermittelt. Eigentlich leitet sie ...

Dieser Krimi ist der dritte Teil einer ungewöhnlichen Trilogie um die Kommissarin Hildur Rúnarsdóttir, die in den Westfjorden Islands, auf gut Deutsch am A... der Welt, ermittelt. Eigentlich leitet sie die Abteilung für vermisste Kinder, aber aufgrund der dünnen Besiedlung und der damit verbundenen ebenso dünnen Besetzung des Polizeireviers hat sie immer wieder in anderen Bereichen zu tun.

Mit ihrem Kollegen, dem Finnen Jakob versteht sie sich nach wie vor gut: sie vertrauen einander bedingungslos, was sich diesmal als besonders relevant erweist.

Diesmal wird zunächst eine Leiche in einem Fischernetz gefunden - die Ermittlungen bleiben jedoch nicht nur daran hängen. Nein, Hildur verschlägt es sogar nach Finnland - ihr Kollege Jakob droht in seiner Heimat in ernste Schwierigkeiten zu geraten.

Hildur ist eine sehr sympathische Figur, der ich gern weiter folgen würde, wenn diese Erzählungen nicht von vornherein als Trilogie ausgewiesen wären. An den recht verschachtelten und umständlich daher kommenden Stil habe ich mich inzwischen gewöhnt: auch im dritten Teil kommen wieder einige Erzählstränge und Informationen vor, sogar noch mehr als in den beiden vorherigen. Dennoch empfinde ich ihn als besonders spannungsreich.

Dies hängt vor allem mit der Familienhistorie von Hildur zusammen - ihre jüngeren Schwestern sind vor Jahrzehnten verschwunden, die Eltern verunglückt. Es gibt nur noch eine blinde Tante - die jüngere Schwester ihrer Mutter, bei der sie aufgewachsen ist. Und die hat neuerdings einen Freund, der bei Hildur alle Alarmglocken schrillen lässt. Zudem ist das Ende - wie es bei einer Trilogie sein sollte - ausgesprochen rund und bringt alle Themen zusammen. Dennoch würde ich mir wünschen, dass der Autorin Satu Rämo noch der ein oder andere Fall für Hildur und Jakob in den Sinn kommen würde, den sie ihren LeserInnen nicht vorenthalten möchte!


Veröffentlicht am 29.09.2024

Auf der Suche nach der Wahrheit

Die vergessenen Kinder
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Wir Leser:innen begleiten Superintendent Jo Hamilton durch die letzten Tage ihres Berufslebens - ausgerechnet da wird die Leiche eines jungen Mädchens entdeckt. Jo ist sich sicher, dass es sich um das ...

Wir Leser:innen begleiten Superintendent Jo Hamilton durch die letzten Tage ihres Berufslebens - ausgerechnet da wird die Leiche eines jungen Mädchens entdeckt. Jo ist sich sicher, dass es sich um das Mädchen handelt, das sie selbst seit langen Jahren sucht und mit zu dem sie eine ganz besondere Bindung hat - durch ein Schlüsselereignis, das sich in den ersten Tagen ihres Berufsleben, also vor rund vierzig Jahren zutrug.

Doch wenn Sie meinen, dass diese beiden Punkte den Rahmen der Geschichte bilden, sind Sie auf dem Holzweg. Denn die Geschichte reicht viel, viel länger zurück, bis in die letzten Kriegsjahre, als Jos Mutter Olive sich auf eine weite Fahrt in einen anderen Teil des Landes aufmachte, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellte.

Emily Gunnis schreibt eindringlich und faszinierend und hat zudem sorgfältig recherchiert. Für alle, sie sich wie ich für Historisches interessieren, wird es besonders bereichernd sein, hier den ein oder anderen bisher unbekannten Umstand kennenzulernen - und das sind nicht gerade wenige.

Zudem erfährt man viel über die Lebensumstände von Frauen in früheren Zeiten, die eigentlich noch gar nicht so lange zurück liegen - ich war froh, dass so manches davon inzwischen Geschichte ist. Aber längst nicht alles!

Veröffentlicht am 29.09.2024

Die Vergangenheit ruht nicht

Blutbuße
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Das bekommen Polizeikommissarin Hanna und ihr Kollege Daniel in ihrem aktuellen Fall hautnah zu spüren. Diesmal ist das Mordopfer im auch zu Ostern tief verschneiten Nordschweden eine Investorin, ...

Das bekommen Polizeikommissarin Hanna und ihr Kollege Daniel in ihrem aktuellen Fall hautnah zu spüren. Diesmal ist das Mordopfer im auch zu Ostern tief verschneiten Nordschweden eine Investorin, die ein längst verlassenes Hotel neu aufbauen will. Und zwar eines, das sie aus ihrer Kindheit, aus den Urlauben mit ihren Eltern kennt. Das ist vielleicht nicht jedem in Are recht, aber ermorden und dazu noch besonders übel zurichten muss man deswegen doch niemanden.

Wer wie ich Hannas vorherige Fälle mit großem Genuss verfolgt hat, der darf sich freuen: es geht mindestens genauso spannend weiter. Ich empfand diesen Fall als besonders spannend: auch wenn einiges verdächtig erscheint, ist am Ende wenn auch nicht alles, so doch vieles ganz anders, als es scheint.

Auch einen Vermisstenfall - die Autorin scheint zumindest im Rahmen dieser Reihe eine Vorliebe dafür zu haben - gibt es im Zusammenhang mit dem Mord: Hanna und ihr Kollege Daniel haben wieder gut zu tun und wir lernen auch andere Kollegen des Teams besser kennen.

Viveca Sten schreibt wie gewohnt so fesselnd und mitreißend, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und die gut 500 Seiten in zwei Tagen durch hatte. Ich habe mich durch den Fall gefressen, muss ich sagen. Denn nicht nur der Stil der Autorin vermag zu begeistern, nein, mehr noch ist es der Inhalt. Diesmal hat mich besonders das Schicksal junger Frauen in früheren Jahren - lange vor Me Too und deren Hilflosigkeit in manchen Situationen berührt. Wie froh bin ich, in (zumindest etwas) gerechteren Zeiten leben zu dürfen! Wieder einmal hält die Autorin geschickt die Balance zwischen Zufällen und den Entwickungen der letzten Jahrzehnte. Das Einzige was mich ein wenig stört, sind die Liebesgeschicke der Ermittler:innen, die teilweise etwas zu sehr im Mittelpunkt stehen.