Außergewöhnlich!
Rhi hat es nicht leicht: sie wurde von ihrer Stiefmutter schikaniert (ich finde ja, dass diese stereotypische Begebenheit nicht nötig gewesen wäre), dann wurde ihr krimineller Vater verhaftet, jetzt wohnt ...
Rhi hat es nicht leicht: sie wurde von ihrer Stiefmutter schikaniert (ich finde ja, dass diese stereotypische Begebenheit nicht nötig gewesen wäre), dann wurde ihr krimineller Vater verhaftet, jetzt wohnt sie bei ihrem Onkel, der im Happy Valley Wildreservat arbeitet.
Als sie dort sie eine Gruppe von “verwilderten” Mädchen entdeckt, will sie helfen, auch weil eins der Vier verletzt ist. Sie landen also im Krankenhaus, wo schnell wird klar, die Zivilisation ist nichts für sie. Sie haben in einem hohlen Baumstamm gelebt, bei einer Person, die sich als Mutter bezeichnet hat und ihnen ein Leben in der Wildnis “anerzogen” hat. Sie lebten im Einklang mit der Natur: erwachen bei Sonnenaufgang, schlafen legen bei Sonnenuntergang. Sie aßen Fisch, Bärenfett und Nüsse. Sie waren wild, frei, glücklich, denn Mutter hat ihnen ein Märchen aufgetischt, über ihre Identität, über ihr Leben ...
Die Mädchen werden zu einer öffentlichen Sensation, man will sie zivilisieren, zähmen, und sie werden von einer Psychiaterin betreut.
Man findet Angehörige eines Mädchens, die anderen kommen in Pflegefamilien. Zwischen Rhi und ihnen besteht eine interessante Nähe, aber alle zwischenmenschlichen Beziehungen (innerhalb der Pflegefamilien etc.) sind faszinierend (verstörend).
Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven: Es gibt Rhis Sicht, die der einzelnen Mädchen, Einblicke in ihre Vergangenheit, in E-Mails, in Notizen der Psychiaterin und einiges mehr.
“The Wilderness of Girls” ist spannend, ergreifend, erschütternd, überraschend sowie feministisch gestaltet. Es geht um (überholte) Rollenbilder, Bodyshaming, psychische und physische Misshandlungen, Kannibalismus, Suizid. Keine leichte Kost, das Schmerzliche macht allerdings auch das Schöne in dieser Geschichte aus: Stärke, die aus Zusammenhalt erwächst, Verständnis und Aufgeschlossenheit fühlen sich intensiver bzw. wertvoller an, wenn sie in der Not entstehen bzw. zur “Heilung” beitragen.
Die außergewöhnliche, mutige, gehaltvolle sowie bewegende Geschichte mit komplexen, Figuren und unerwarteten Wendungen wird ungemein einfühlsam erzählt. Die Autorin schildert die Verzweiflung der Mädchen, angesichts der einengenden Konventionen der zivilisierten Welt, emotional, nachvollziehbar, hautnah.
In “The Wilderness of Girls” prallen eine Fantasiewelt und die Realität aufeinander. Das Buch regt zum Nachdenken an, lässt tiefverwurzelte Normen hinterfragen, hallt lange nach!