Liebevolles, ironisches Sittenbild einer Dorfgemeinschaft im hier und heute
Der Name Anne Gesthuysen sagte mir zunächst nichts. Doch als ich das Foto auf der Buchhülle bzw. in derem Inneren gesehen habe, wusste ich sofort, diese Frau kennst du. Natürlich kannte ich sie als Moderatorin. ...
Der Name Anne Gesthuysen sagte mir zunächst nichts. Doch als ich das Foto auf der Buchhülle bzw. in derem Inneren gesehen habe, wusste ich sofort, diese Frau kennst du. Natürlich kannte ich sie als Moderatorin. Das sie auch Bücher schreibt war mir neu. Ich kenne keines ihrer bisherigen Bücher. Doch das werde ich schnellstens nachholen.
Denn diese begabte und beliebte Moderatorin ist auch eine begnadete Schriftstellerin. Wie sie mit viel niederrheinischem Humor diese tragische Familiengeschichte erzäht und dabei das Bild einer kleinen Dorfgemeinschaft treffsicher und haargenau zeichnet, ist genial.
Ich wohne ebenfalls in einem kleinen 400-Seelen-Dorf (allerdings in Thüringen) und kann den Kampf von Pastorin Anna mit dem Klatsch und Tratsch der Dorfgemeinschaft voll nachempfinden. Doch eins weiß ich gewiss: Auf diese Dorfgemeinschaft ist Verlass, wenn es darum geht, dass eine Person aus unserer Mitte Hilfe braucht.
Anne Gesthuysen berührt mit ihrer Dorfgeschichte viele Themen der gegenwärtigen Zeit wie Homosexualität, Drogen, Menschen mit Beeinträchtigungen, Standes- und Klassendünkel. Dabei ist das Buch zu keiner Zeit belehrend oder überfrachtet. Es liest sich flüssig und leicht, betrachtet die Vorgänge humorvoll, manchmal ironisch, mit gebührendem Ernst. Der Leser fühlt sich, als ob er mittendrin wäre in diesem Dorfgeschehen und bangt mit Anna und Heike nicht nur um das Schicksal der jungen Raffa, sondern auch um das persönliche Glück der Pastorin.
Und ganz nebenher erfährt der Lesende, die Macht und die Kraft, die einer solchen Familie aber auch solch einer Dorfgemeinschaft innewohnt.
Meine Lieblingsfiguren neben Freddy, dem Hund der jungen Pastorin, sind eindeutig Großtante Ottilie und Postbote Martinchen. Solche Freunde braucht ein Mensch.
Das Coverbild soll wohl Pastorin Anna mit ihrem kleinen Hund abbilden, passt aber meines Erachtens nicht so gut. Ich hätte anhand dieses Bildes vermutet, das die Geschichte vor 40 bis 60 Jahren spielt und nicht nach der Jahrtausendwende. Die Kleidung der Pastorin fällt etwas aus dieser Zeit. Doch dieser kleine Mangel ist entschuldbar und führt zu keinem Abzug in der Bewertung.
Hilfreich hätte ich allerdings gefunden, wenn im Klappentext ein Hinweis auf den Vorgängerroman enthalten wäre. Ich habe erst aus anderen Rezenzionen erfahren, dass dies ein Fortsetzungsroman des Buches "Wir sind schließlich wer" ist. Hätte ich das gewusst, hätte ich mir erst das vorangegangene Buch besorgt und gelesen.