Penibel recherchiert und fesselnd erzählt
„Ein Text überwindet den Tod“
Autorin Birgit Herold hat sich in ihrem neuesten historischen Roman mit einer interessanten Frau beschäftigt: Clara Hätzlerin (geboren um 1430/verstorben um 1476).
Was ...
„Ein Text überwindet den Tod“
Autorin Birgit Herold hat sich in ihrem neuesten historischen Roman mit einer interessanten Frau beschäftigt: Clara Hätzlerin (geboren um 1430/verstorben um 1476).
Was zeichnet Clara aus?
Sie ist Tochter des realen Augsburger Notars Bartholomäus Hätzler und lernt gemeinsam mit ihrem Bruder Bartholomäus Lesen und Schreiben. Während der Bruder als Nachfolger für den Vater aufgebaut wird, übt sich Clara im Kalligraphieren und Abschreiben von Briefen und anderen Texten. Im 15. Jahrhundert können nur die wenigsten Menschen Lesen und Schreiben, weshalb der Beruf des Lohnschreibers ein durchaus geachteter ist. Außerhalb der Klöster gibt es kaum schreibende Frauen. Claras exakte Handschrift ist begehrt.
Nachdem der Vater einer Intrige zum Opfer fällt und sich Clara in den verheirateten Illustrator Johann Bämler verliebt, müssen die beiden aus Augsburg fliehen. Ausgerechnet in Mainz bei Johannes Gensfleisch, besser bekannt als Johannes Gutenberg, finden sie Unterschlupf und Arbeit. Doch Gutenberg ist allen Mitarbeitern gegenüber misstrauisch, denn er bastelt an einer bahnbrechenden Erfindung: der Druckerpresse. Er weiß, dass der Buchdruck die Welt, wie man sie bislang kennt, verändern wird.
Es kommt, wie es kommen muss. In der Werkstatt treibt ein Verräter sein Unwesen. Clara, die immer mehr zur Hausmagd degradiert wird und kaum mehr Abschriften verfassen darf, entdeckt, wer Gutenbergs Erfindung schamlos kopiert. Nun ist guter Rat teuer. Wie soll sie Gutenberg von ihrer Entdeckung berichten? Wird er ihr glauben? Und was ist mit Bämler? Was führt der im Schilde?
Meine Meinung:
Dieser historische Roman ist penibel recherchiert und gekonnt erzählt. Ich mag das!
Man kann das Verdienst alten Hätzlers, gar nicht hoch genug einschätzen. In einer Zeit, in der nur ein verschwinden kleiner Bruchteil der Menschen Lesen und Schreiben beherrscht haben, darf seine Tochter diese Kulturtechniken lernen. Natürlich ist auch ein wenig Selbstsucht dabei, spart sich der Notar einen zu bezahlenden Schreiber.
Im Personenverzeichnis am Ende dieses Buches finden sich die Namen zahlreicher realer Personen dieser Zeit. So darf zum Beispiel Konrad Peutinger, der später als Wissenschaftler, Berater von Kaiser Maximilian I. und Namensgeber der tabula peutingeriana bekannt wird, als kleines Kind kurz durch den Roman huschen. Solche liebevollen Detail gefallen mir sehr gut.
Der Roman ist flott und flüssig geschrieben. Er beleuchtet auch die Stellung der Frauen im ausgehenden Spätmittelalter an der Schwelle zur Neuzeit.
Beeindruckend sind die Abbildungen von Clara Hätzlerins Handschriften. Das im Roman mehrfach erwähnte Liederbuch, das auch ziemlich frivole Texte enthält, ist im tschechischen Nationalmuseum in Prag zu besichtigen. Von Clara Hätzlerins Leben ist nur wenig bekannt. Sie findet sich aber in der Steuerbüchern der Stadt Augsburg. Ein Lob der Bürokratie!
Fazit:
Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der die Lebensgeschichte der Clara Hätzlerin lebensecht darstellt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.