Rasante Story, lesenswert!
Bibbs liebt Baby. Als sie sich kennenlernten trug sie Kleidergröße 40. Ihr Business als Influencerin lief mächtig. Die Firmen warfen ihr die Parfüms und Schminke hinterher. Mickey half ihr mit seinen Ideen ...
Bibbs liebt Baby. Als sie sich kennenlernten trug sie Kleidergröße 40. Ihr Business als Influencerin lief mächtig. Die Firmen warfen ihr die Parfüms und Schminke hinterher. Mickey half ihr mit seinen Ideen größer zu werden bis sie MTV moderierte. Ganz Stockholm erkannte sie auf der Straße. Sie hatte sich mit Baby eine größere Wohnung in der Slipgatan gemietet. Also Baby hatte sie gemietet, aber Bibbs hatte sie gefunden und als sie noch richtig verdiente kaufte sie schöne Dinge, um sie einzurichten.
Jetzt steht sie mit ihrer Louis Vuitton, in die sie hastig ein paar Unterhosen gestopft hat, vor der Haustür. Es war unfassbar. Baby hatte sich von ihr getrennt. Er wolle nicht mehr, halte die Meinungsverschiedenheiten nicht mehr aus, den Mangel an Gemeinsamkeiten und ihre Lügen. Wenn Bibbs jemanden liebte, dann ganz. Wenn Baby ein Lügner wäre, liebte sie eben einen Lügner, wäre er ein Dieb, dann liebte sie einen Dieb. Außerdem ist eine Lüge nichts anderes, als die Abwesenheit von Wahrheit. Sie hatte ihm laut gesagt, dass sie die Wohnung will. Die kannst du doch gar nicht bezahlen Bibbs, meinte Baby. Tatsächlich hatte sie nahezu kein Einkommen mehr. Sie lebte so in den Tag hinein, verstreute all ihren Krempel in ihrem Sichtfeld und wartete auf Aufträge, Einladungen und Shootings, aber die kamen nicht. Sie musste die Wohnung mit dem schönen Ausblick und dem Lottolädchen, in dem sie immer zwei Lose für den Eurojackpot kaufte haben, soviel war sicher, dafür würde jetzt hart arbeiten. Bis zum Wochenende hatte sie Zeit.
Bibbs wusste nicht wohin, lief ziellos durch die Stadt. Vor einer Bar sah sie Nina. Sie saß an diesem schwülen Sommerabend auf der Terrasse. Nina die dicke Schauspielerin, die ihr immer ein bisschen dumm vorkam. Im Gegensatz zu Bibbs war sie erfolgreich und jung. Bibbs setzte sich zu ihr und lud sie zu einem Glas Wein ein. Nina verneinte wegen der Kalorien. Sie hielt sich den Zeigefinger unter die Nase und blickte zu den Toiletten, Bibbs schüttelte den Kopf und Nina entschuldigte sich kurz. Was hatte Bibbs alles für Baby getan. Sie hatte ihm verziehen, dass er eifersüchtig auf ihre Bekanntheit war. Sie hatte 70.000 Follower, er hundert. Wenn er sie bedrohte, verzieh sie ihm. Wenn er seine Alkoholabstinenz einfach unterbrach, ohne sie zu fragen. Und auch wenn er auf ihre Sprachnachrichten nicht reagierte.
Fazit: Tone Schunnesson hat eine gewaltig gestörte Protagonistin geschaffen. In rasantem Tempo rennt die Ich-Erzählerin auf den Abgrund ihres Lebens zu. Sie leidet darunter älter zu werden und von der Bildfläche zu verschwinden. Weder ist sie mit Beharrlichkeit, Ordnungssinn oder einem moralischen Kompass gesegnet. Sie nimmt sich was sie kriegen kann, begibt sich konsequent in Abhängigkeit, manipuliert ihre Umwelt und fühlt sich unzulänglich. Ihre Liebesbeziehungen sind toxisch, der reale Blick auf ihr Dasein verstellt. Im Verlauf der Geschichte treibt sie ihr Spiel so weit, dass ich mich fragen mag, wer ist Täter. Die Autorin zeichnet die Dystopie einer kranken Liebesbeziehung und das Leben einer traumatisierten Frau, die nicht erwachsen werden konnte und ihre Einsamkeit damit zu kompensieren versucht im Mittelpunkt zu stehen. Das war ein spannender Ritt, voller Gefühle wie Abneigung, Ekel, Scham, Unglauben, aber auch Mitgefühl. Sehr lesenswert.