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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.10.2024

Lange nachhallende Familiengeschichte

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
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Ein bisschen beliebig fängt das Buch schon an: narzisstische Mutter, gutmütiger Stabilität gebender Vater und zwei Töchter, die sehr unterschiedlich mit den mütterlichen Ansprüchen umgehen. Doch ganz schleichend ...

Ein bisschen beliebig fängt das Buch schon an: narzisstische Mutter, gutmütiger Stabilität gebender Vater und zwei Töchter, die sehr unterschiedlich mit den mütterlichen Ansprüchen umgehen. Doch ganz schleichend entwickelt sich eine packende, vielschichtige und emotional sehr aufgeladene Geschichte über den Wunsch nach Bindung und Familienzugehörigkeit, nach Anerkennung und gesehen werden.
Wir begleiten die Familie von 1998 bis in die Gegenwart. Und diese zeitliche Einordnung ist zwingend notwendig, um die Protagonistinnen zu verstehen. Auch wenn ich die immer um sich selbst kreisende Mutter am liebsten aufgerüttelt hätte, so wird doch insbesondere in den letzten Kapiteln auch ihre Geschichte verständlich. Und so wie die Mutter um ihren Weg gekämpft hat, tun dies auch ihre beiden Töchter. Wir tauchen tief ein in das Seelenleben von Wanda, die immer gefallen möchte und Antonia, die sich eher zurückgezogen abgrenzt. Und beide Schwestern verlieren sich und einander in dieser aufreibenden Familienkonstellation. Anna Brüggemann schreibt dabei fast szenisch. Ich kann mich in die Töchter total hineinfühlen und möchte gerade Antonia gerne immer wieder ein „bravo“ und „weiter so“ zurufen.
Die Sprache des Buchs ist wunderbar klar. Gerade in den späteren Jahren, als die Töchter sich emanzipieren, fallen unglaublich starke und analytische Sätze wie dieser: „Mama legt immer ein Standard fest, wie bei einer Maßtabelle, und entweder man passt da rein oder nicht. Und wenn wir Idealmaße haben, machen wir sie glücklich“. Besser kann man diese dysfunktionale Beziehung nicht beschreiben.
Ein glaubwürdiges, ganz starkes Buch, das mich auch Tage nach dem Lesen noch beschäftigt. Vielleicht weil ich mich einfach unglaublich mit den Töchtern identifizieren konnte?

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Veröffentlicht am 10.08.2024

Lebensweg zwischen Glück und Verzweiflung

Genau so, wie es immer war
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Ein ganzes Leben verpackt Claire Lombardo in rund 700 Seiten. Manchmal wünsche ich mir das Buch etwas kompakter, manchmal genieße ich den Detailgrad und verliere mich geradezu in den Seiten. Immer wieder ...

Ein ganzes Leben verpackt Claire Lombardo in rund 700 Seiten. Manchmal wünsche ich mir das Buch etwas kompakter, manchmal genieße ich den Detailgrad und verliere mich geradezu in den Seiten. Immer wieder bleibe ich bei einzelnen Sätzen hängen, die mich packen („Eine Partnerschaft am Laufen zu halten ist wahrlich nicht einfach gewesen, sich bei öffentlichen Anlässen blind darauf zu verlassen dagegen nie ein Problem“).

Julia ist belastet durch extrem schwierige Kindheitsverhältnisse, bindungsunsicher, immer die Antennen ausgefahren, um abzuschätzen, was von ihr erwartet wird. Nun ist sie selbst Mutter und Ehefrau und kämpft mit ihren Dämonen. Sie kennt es einfach nicht, anderen zu vertrauen.

Und peu à peu wird ihr Leben aufgerollt. Episoden aus der Kindheit wechseln sich mit dem Erwachsenenleben ab. Und auch hier springt die Autorin zwischen dem hier und jetzt und Erlebnissen, als Julia junge Mutter war. Die Mühelosigkeit dieser Zeitsprünge begeistert mich. Ich leide mit Julia mit, wenn ihre Beziehung zur Mutter aufgearbeitet wird, versuche ihre depressiven Phasen zu verstehen, frage mich, wie sie Frieden finden kann und freue mich mit ihr, wenn ihr Mann Mark und die Kinder immer wieder Fels in der Brandung sind. Mich würde diese Geschichte extrem aus der Sicht von Mark interessieren. Wie er wohl die ganze Zeit empfindet? Einzelne Einblicke gibt es.

Das Buch wirkt auf jeden Fall nach. Vielleicht, weil es eine ganz normale Geschichte ist. Die zeigt, dass jeder um seinen Platz im Leben kämpfen kann und manchmal auch muss.

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Veröffentlicht am 21.07.2024

Geht unter die Haut

Kleine Monster
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Der Klappentext hat mich ganz schön in die Irre geführt. Hatte ich doch die Auseinandersetzung einer Mutter mit ihrem Sohn erwartet. Jessica Lund geht jedoch viel weiter. Es geht um die Auseinandersetzung ...

Der Klappentext hat mich ganz schön in die Irre geführt. Hatte ich doch die Auseinandersetzung einer Mutter mit ihrem Sohn erwartet. Jessica Lund geht jedoch viel weiter. Es geht um die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Es geht darum, wie man eigene – nicht verarbeitete – Erlebnisse ins hier und jetzt transferiert. Wie sich der Blick verschiebt, wenn man traumatisiert ist und gar nicht mehr ans Harmlose, Gute denken kann.
Pia wuchs mit zwei Schwestern auf, eine davon adoptiert. Und genau dieses Mädchen war dabei, als die andere Schwester verunglückt. Schicht für Schicht wird abgetragen, was im Vorfeld und im Nachgang zu diesem Ereignis geschah. Innerhalb der Familie, mit den Eltern, unter den verbliebenen Geschwistern. Pia lernt sehr schmerzhaft „Vielleicht ist nicht alles schwarz oder weiß. Es ist Zeit, in den Schattierungen zu leben“.

Mich hat dieses Buch zutiefst berührt. Die kurzen Kapitel – mal als Rückblende, mal in der Gegenwart – sind sprachlich sehr klar und lassen mich den Schmerz und die Verzweiflung von Pia spüren. Aber nicht nur ihre Perspektive ist großartig beschrieben, auch Mann und Sohn werden lebendig und haben Tiefe.

Eine absolutes Lesehighlight.

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Veröffentlicht am 30.06.2024

Absloutes Highlight der Krimireihe

Totholz
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Wie in jeder Krimireihe gibt es auch bei den Fällen rund um Kreuthner und Wallner von Andreas Föhr mal absolut gelungene, mal etwas weniger begeisternde Bücher. Der 11. Fall „Totholz“ ist jedenfalls ein ...

Wie in jeder Krimireihe gibt es auch bei den Fällen rund um Kreuthner und Wallner von Andreas Föhr mal absolut gelungene, mal etwas weniger begeisternde Bücher. Der 11. Fall „Totholz“ ist jedenfalls ein absolutes Lesehighlight.

Kreuthner laviert sich mit seiner Spürnase und seinem speziellen Sinn für Gerechtigkeit (wie kann es jemand wagen, seiner Schwarzbrennerei Konkurrenz zu machen?) wieder in aussichtslose Situationen. Abwechselnd unterstützt und hängen gelassen von seinen Spezln aus der Mangfallmühle stellt er sich Entführern, Drogenhändlern und anderen kriminellen Gestalten. Es geht ihm bisweilen arg an den Kragen. Gut, dass er sich auf Opa Manfred verlassen kann, der ihm in einer Mischung aus Überschätzung und Bauernschläue immer wieder weiterhilft.

Und so gibt es immer wieder Szenen, die einen beim Lesen laut auflachen oder fein schmunzeln lassen.

Ein großartiger Schreibstil, ein unterhaltsamer Fall und liebenswert-skurille Charaktere ermöglichen großes Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 30.05.2024

Feine Beobachtungen des Lebens

Im wechselnden Licht der Jahre
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Alex wird 60 und das macht ihm unglaublich Angst. Dabei läuft es für ihn hervorragend: perfekte Frau, wohlgeratene Kinder, ein Haus im Speckgürtel Berlins, er lernt sein Musikeridol kennen…
In vielen kleinen, ...

Alex wird 60 und das macht ihm unglaublich Angst. Dabei läuft es für ihn hervorragend: perfekte Frau, wohlgeratene Kinder, ein Haus im Speckgürtel Berlins, er lernt sein Musikeridol kennen…
In vielen kleinen, unabhängigen Geschichten lernen wir Alex kennen. Großartig erzählt ist die Jugend von Alex, als er als schüchterner Junge plötzlich das begehrenswerteste Mädchen der ganzen Schule zur Freundin hat. Da werden Erinnerungen an die eigene Jugend wach! Tom Liehr wählt wunderbare Vergleiche, um die Gefühlswelt des Jungen zu beschreiben und ist äußerst detailgetreu in den 70er Jahren unterwegs. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen lese ich diese Abschnitte.
Der erwachsene Alex hat nicht so ganz meine Sympathien. Er philosophiert leicht abgehoben über die Nachbarn und das Leben. Und dann bricht seine schöne Welt über ihm zusammen. Auch hier findet Tom Liehr Worte, die mich mitfühlen und tief in Alex‘ Gefühlswelt eintauchen lassen – einfach großartig.
Toll, wie ich mich beim Lesen an Alex reiben kann, ich stehe fast im Zwiegespräch mit ihm. Großartig!

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