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Veröffentlicht am 09.01.2023

Berührendes Romandebüt

Falschgeld
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Herrn Matschke kannte und schätzte ich bisher schon sehr als Schauspieler und Hörbuchsprecher, und so war ich nun gespannt auf seinen ersten Roman. Nachdem mich dieser als Hörbuch begeistert hat, habe ...


Herrn Matschke kannte und schätzte ich bisher schon sehr als Schauspieler und Hörbuchsprecher, und so war ich nun gespannt auf seinen ersten Roman. Nachdem mich dieser als Hörbuch begeistert hat, habe ich nun auch noch das Buch gelesen.

Der Roman beschreibt eine Kindheit und Jugend in einem hessischen Dorf der 80er Jahre. Er ist autofiktional, der gleichnamige Protagonist ist also nicht mit dem Autor zu verwechseln. Der Sprachstil ist klar, aufmerksam beobachtend, nicht wertend, der Grundton melancholisch, ohne in Nostalgie oder Bitterkeit abzugleiten. Der Blick für die kleinen, unscheinbaren Details und die behutsame Schreibweise haben mich besonders berührt. (Das gilt insbesondere für die erste Hälfte und das letzte Drittel, im Mittelteil rund um das "Schloss Lichtenberg"-Kapitel zieht sich das Buch meiner Meinung nach etwas.)

Die Erzählweise ist nicht chronologisch, vielmehr lässt sich der Protagonist scheinbar zufällig von einer Erinnerung zur nächsten treiben. Im Laufe der Geschichte knüpfen diese jedoch immer wieder aneinander an und referenzieren aufeinander (sowohl inhaltlich als auch sprachlich), so dass allmählich ein dichtes Netz entsteht. Dieser außergewöhnliche Stil und Herrn Matschkes Gefühl für Sprache verleihen der Geschichte einen ganz besonderen Reiz.

Ich habe mich immer wieder selbst in der Figur des Matthias erkannt. Regelmäßig wiederholt er den Satz "Ich bin Matthias Matschke", als müsste er sich seiner selbst vergewissern. Wer wir sind, definieren wir über unsere Erfahrungen, unsere Beziehungen, das Sozialgefüge, in das wir eingebunden sind. Wie den Protagonisten führt uns das Schicksal mit nahezu brutaler Gleichgültigkeit an Punkte, ab denen unser Leben irreversibel anders verläuft - oder beinahe hätte verlaufen können, und was bisher unverrückbar, sicher und wichtig schien, fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Der Protagonist wächst in fest geglaubten Strukturen auf, die Familie unterscheidet strikt zwischen dem Innen und dem Aussen. Nach einem Schlaganfall des Vaters erlebt er, wie diese Strukturen plötzlich auseinanderbrechen, Sicherheiten schwinden, Gefühle und Beziehungen an Wert verlieren. Aber wer sind wir eigentlich, wenn wir unseren Erfahrungen, Gefühlen und Werten nicht trauen können? In diesem Zusammenhang wird auch die Demenz des Vaters thematisiert - was bleibt, wenn die Erinnerung schwindet, auf der wir unsere Identität gründen?

Das Wohnhaus, bisher das steinerne Bollwerk gegen das Aussen, Ort der Geborgenheit und Enge zugleich, steht plötzlich mit Matthias im Innen alleine da, mit weit heruntergelassenen Rolläden, nur aufs Nötigste bewohnt. Das Innen definiert sich nur noch als das Komplement des Aussen, ist aber eine leere Hülle, aus der auch Matthias letztlich aus- und aufbricht.

Sehr berührt hat mich das letzte Kapitel des Buches, das ich hier nicht spoilern möchte. Es ist wunderbar leise erzählt, mit einem runden Ende, das auch einen Aufbruch beinhaltet.

Interessant fand ich auch den Abschnitt über Prozesstheologie und Herrn Arnulf Zitelmann, der mir aus meiner eigenen Jugend noch als Autor ein Begriff ist (etwa "Paule Pizolka", leider zZt nicht mehr verlegt).

Fazit: Ein ganz leiser und berührender Roman, dessen Thematik mich sehr nachdenklich gestimmt hat. Das Leben als steter Prozess des Werdens und Vergehens, die Suche nach der eigenen Identität eine lebenslange Aufgabe, das Ende gleichsam ein neuer Anfang.

Anmerkung: Wer zwischen Hörbuch und Printausgabe schwankt, dem würde ich aufgrund der komplexen Erzählweise, die ein sehr genaues Zuhören erfordert, zum gedruckten Buch raten. Danach dann dem Hörbuch zu lauschen, das vom Autor selbst wunderbar eingelesen wurde, ist nochmal ein zusätzlicher Genuss.

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Veröffentlicht am 15.11.2024

Interessanter Überblick über die Geschichte unserer beliebtesten Nahrungsmittel

Ohne Mücken keine Schokolade
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Die Autorin Sarah Schmidt wartet mit interessantem und unterhaltsamem Wissen zu Äpfeln, Bananen, Kaffee, Kakao, Kartoffeln, Kohl, Mais, Reis, Weizen, Zitrusfrüchten und Zucker auf. Diese Nahrungsmittel ...

Die Autorin Sarah Schmidt wartet mit interessantem und unterhaltsamem Wissen zu Äpfeln, Bananen, Kaffee, Kakao, Kartoffeln, Kohl, Mais, Reis, Weizen, Zitrusfrüchten und Zucker auf. Diese Nahrungsmittel sind aus unserem Speiseplan nicht mehr wegzudenken, und dennoch wissen wir häufig wenig über deren Ursprung und Historie in unserer Küche. Auch die dunklen Kapitel - Sklaverei, Kolonialismus, Pestizideinsatz, Monokulturen, Ausbeutung - werden thematisiert. Ein Extra-Kapitel mit grundlegenden Informationen zur Züchtung fehlt ebenfalls nicht.
Das Buch ist kurzweilig geschrieben und die Kapitel zu den einzelnen Nahrungsmitteln lassen sich unabhängig voneinander lesen. Es vermittelt einen sehr guten Überblick über deren Geschichte, verzichtet jedoch auf tiefergehende biologische oder historische Ausführungen. An manchen Stellen hätte ich mir hier noch detailliertere Informationen und ergänzende Illustrationen oder Fotografien gewünscht.

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Veröffentlicht am 08.11.2024

stimmungsvoller Weihnachtskrimi

Der echte Krampus
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"Der echte Krampus" von Uta Seeberg ist der vierte Band um Major Gryszinski, den königlich-bayerischer Sonderermittler der Münchner Kriminalpolizei. Im Jahr 1897 verbringt der Major zusammen mit seiner ...

"Der echte Krampus" von Uta Seeberg ist der vierte Band um Major Gryszinski, den königlich-bayerischer Sonderermittler der Münchner Kriminalpolizei. Im Jahr 1897 verbringt der Major zusammen mit seiner Familie, dem Kindermädchen Anneliese und der Köchin Frau Brunner die Adventszeit bei Franziska Gräfin von Wurmbrand, die sie in ihr neu erworbenes Bauernhaus im abgelegenen bayerischen Bergdorf Berghall eingeladen hat. Doch die beschauliche vorweihnachtliche Idylle wird bald durch einen Mord gestört, und Gryszinski wird mit den Ermittlungen beauftragt…

Ich bin ein großer Fan der Major-Gryszinski-Reihe, und dementsprechend groß war die Vorfreude auf den vierten Band, dessen Ambiente ganz hervorragend in die Vorweihnachtszeit passt. Da es wie immer ein Wiedersehen mit der exzentrischen Wiener Gräfin Wurmbrand, dem Freiherr von Grabow, der umtriebigen Köchin Aloisia Brunner und den Wachtmeistern Voglmaier und Eberle gibt, hatte ich das Gefühl, gute alte Bekannte wiederzutreffen.

Wie immer gibt sich Uta Seeberg viel Mühe, die Atmosphäre des Handlungsortes, in diesem Fall eines kleinen verschneiten Bergdorfes, zu beschreiben, die Einrichtung der weihnachtlich geschmückten Bauernhäuser, die Vielzahl der katholischen religiösen Riten, die heute größtenteils in Vergessenheit geraten sind, und den Aberglauben, der u.a. mit den Raunächten verbunden war.

Die Handlung ist spannend und glaubwürdig, und ich hatte bis zum Schluss großen Spaß daran, mitzurätseln. An Uta Seebergs Kriminalromanen schätze ich ganz besonders ihre Eloquenz und ihren trockenen Humor. Leider kam beides bei „Der echte Krampus“ nicht so gut zur Geltung wie bei den Vorgängerbänden. Stattdessen wurden mir etwas zu oft Aloisia Brunners ausufernde Back- und Kochaktivitäten, die „Topfrunde“ und der Weihnachtsduft und -schmuck beschrieben. Etwas verwundert war ich auch darüber, dass der Brauch des Frauentragens mit ausgelassenem Tanz und einer Feier verbunden wurde, da traditionell im katholischen Bayern damals die Adventszeit als Buß- und Fastenzeit galt und insbesondere nicht getanzt werden durfte.

Fazit: Ein stimmungsvoller winterlicher Kriminalfall, spannend und unterhaltsam, ideal für gemütliche Lesestunden im Advent.

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Veröffentlicht am 31.10.2024

Ein leises Buch mit philosophischen Zügen

Res will nach Hause
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Resilience, kurz „Res“, ist ein Mars-Rover, der von der NASA auf seine Expedition vorbereitet wird. Als Roboter ist er darauf ausgelegt, rational und effizient zu handeln - eine Maschine kennt keine Gefühle. ...

Resilience, kurz „Res“, ist ein Mars-Rover, der von der NASA auf seine Expedition vorbereitet wird. Als Roboter ist er darauf ausgelegt, rational und effizient zu handeln - eine Maschine kennt keine Gefühle. Doch Res ist anders. Er entwickelt mit der Zeit eine Art Gespür für menschliche Regungen und stellt sich im Labor und später auf seiner Mission zusammen mit der Drohne „Fliege“ den großen Fragen: Was ist Liebe und Freundschaft, Hoffnung und Angst, und was ist ein Zuhause? Worin besteht der Sinn eines (Maschinen-)Lebens, und bleibt wirklich nur eine große Leere zurück?
Jasmine Warga hat ein außergewöhnliches, leises und streckenweise philosophisch angehauchtes Kinderbuch geschrieben, das zum Nachdenken anregt und sehr berührt. Ganz besonders gelungen finde ich die Gegenüberstellung von Res‘ Erlebnissen und Gedanken mit den Briefen, die Sofie, die Tochter einer NASA-Wissenschaftlerin, über Jahre an Res schreibt (nur für sich, sie werden nicht abgesandt). Junge Leser/innen, die ein spannungsgeladenes Actionabenteuer mit umfangreicher äußerer Handlung suchen, werden bei diesem Buch nicht fündig werden, und an manchen Stellen hat die Geschichte auch die ein oder andere Länge. Doch es lädt ganz wunderbar dazu ein zu träumen, sich von Res bezaubern zu lassen und darüber nachzudenken, was das Leben und das Menschsein ausmacht.

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Veröffentlicht am 25.10.2024

Akribisch recherchiert, spannendes Thema, manchmal etwas langatmig

Die Lungenschwimmprobe
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Normalerweise gehören historische Romane nicht zu meinen bevorzugten Genres, aber die Lungenschwimmprobe hat mich sofort angesprochen, da ich mich sehr für Medizin interessiere. Auch das Cover erweckt ...

Normalerweise gehören historische Romane nicht zu meinen bevorzugten Genres, aber die Lungenschwimmprobe hat mich sofort angesprochen, da ich mich sehr für Medizin interessiere. Auch das Cover erweckt den Eindruck eines stark medizinhistorischen Schwerpunktes.

Diese Erwartung hat sich nur teilweise erfüllt. Der Roman geht sehr ausführlich auf die Biographien der einzelnen Protagonisten ein und auch auf das historische Rechtssystem. Die medizinischen Aspekte kommen mir hier ein bisschen zu kurz, ebenso wie die des Kindsmordes angeklagte Anna, auf die Renberg erstaunlicherweise relativ wenig eingeht.

Der Schreibstil war zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, da er sich an der damaligen Zeit orientiert, doch nach den ersten Kapiteln hatte ich mich gut eingelesen. Tore Renberg wechselt im Buch immer wieder die Perspektive und auch die Zeitebene, geht hierbei auch auf Details seiner Recherche ein. Diese Informationen hätte ich nicht unbedingt im Roman selbst gebraucht, sondern lieber kompakt in einem Nachwort gelesen.

Das Buch hat mitunter durchaus seine Längen, und der Schreibstil ist recht ausschweifend, so dass ich mir manches Mal gewünscht habe, der Autor hätte einige Stellen deutlich gestrafft. Es gab jedoch auch viele Kapitel, die mich richtig gefesselt haben, so dass ich nur so durch die Seiten geflogen bin.

Unverständlich ist mir jedoch, warum am Ende des Buches lediglich ein QR-Code angegeben ist, mit dem man u.a. zusätzliche Informationen über die historischen Figuren und Karten herunterladen kann. Diese wären mir als Anhang im gedruckten Buch lieber gewesen, da ein solcher das Buch komplettiert hätte. Angesichts des Buchumfangs wäre es hierauf auch nicht mehr angekommen.

Bezüglich der Bewertung bin ich etwas zwiegespalten. Was den inhaltlichem Schwerpunkt und Renbergs Erzählstil angeht, schwanke ich zwischen 3 und 4 Sternen. Da Renberg sehr ausdauernd und akribisch recherchiert hat und ich ihm hierfür Respekt zolle, vergebe ich letztlich 4 Sterne.

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