Verdammt wütend
Britt, Ehefrau und Mutter, ist ständig wütend. Wütend auf sich selbst, auf ihr Leben, auf ihren Ehemann, auf andere Personen und deren Leben. Es gibt so viele Gründe, warum sie wütend ist. Doch am wütendsten ...
Britt, Ehefrau und Mutter, ist ständig wütend. Wütend auf sich selbst, auf ihr Leben, auf ihren Ehemann, auf andere Personen und deren Leben. Es gibt so viele Gründe, warum sie wütend ist. Doch am wütendsten macht es sie, weil niemand fragt, WARUM sie so wütend ist. Während eines Sommerurlaubs mit ihrer Familie und Freunden platzt ihr der Kragen und sie lässt all ihre angesammelte Wut raus.
"In meiner Wut verbergen sich noch ein Haufen anderer Gefühle. Enttäuschung, Entmutigung, Verzweiflung, Trauer, eine so enorme Trauer, dass nichts so ist, wie es hätte sein sollen, dass nicht mehr aus mir geworden ist als die, die ich am Ende nun bin." (S. 173)
Dann verschwindet sie mit Nico, einer langjährigen Freundin ihres Mannes, die so ganz anders ist als Britt - nämlich unabhängig, frei von Regeln und Konventionen und alles leicht nimmt.
Doch Britt kann nichts leicht nehmen. Britt hat gelernt, ein Mädchen zu sein. "Mädchen zu sein, bedeutet vorsichtig zu sein. Weinen, aber nicht schreien, schön sein, dünn sein, mit heller Stimme singen und lieb sein. (S. 11)
Und dann hat Britt gelernt, eine Frau zu werden. "Frau zu sein bedeutet, mit den Kindern zu Hause zu bleiben, die Care-Arbeit zu übernehmen, [...] Frau zu sein bedeutet, wütend zu sein, Frau zu sein bedeutet, eine Furie zu sein, Frau zu sein bedeutet, zur Therapie zu gehen, weil man nicht gelernt hat, sich zu spüren. [...] Frau zu sein bedeutet, neues Leben in die Welt zu setzen und es nicht zu schaffen, das eigene Leben zu leben." (S. 14)
Britt, die ihre Bedürfnisse nicht in Worte fassen kann, hat diese immer hinten an gestellt, um es allen recht zu machen. Sie will stark sein und keine Hilfe annehmen. Um sich vor Enttäuschungen zu schützen, geht sie immer mit einer negativen Erwartungshaltung an eine Sache. Britt kann nicht sagen "Ich liebe dich!", vielmehr zeigt sie ihre Zuneigung und Fürsorge dadurch, dass sie ihre Liebsten an Aufgaben erinnert. "Denk dran, dass Elise morgen früh zum Handball muss, Espen. Denk dran, die Spülmaschine anzustellen, Espen." (S. 164)
Britt hat ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden. Wird es ihr nach ihrem Ausraster gelingen - auf ihre Bedürfnisse zu hören, ihr Leben nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu gestalten? Was hat der Wutausbruch bei ihrem Ehemann bewirkt? Lest es unbedingt selbst!
Die Autorin hat mit Britt eine sehr authentische Protagonisten erschaffen, mit der ich mich erschreckenderweise ziemlich gut identifizieren konnte.
Der Aufbau der Kapitel und die Sprache sind sehr besonders und haben mir richtig gut gefallen. Einige Stellen haben sich wie ein Poetry Slam gelesen; ich musste ganz oft an Julia Engelmann denken.
Tolles Buch und eine klare Leseempfehlung!