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Veröffentlicht am 30.01.2025

Gedichte gegen den Hass und das Patriarchat

BILLIE »Ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden«
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Mit ihren zwei Schwestern und drei Brüdern verbringt Sibylla Schwarz, genannt Billie, eine unbeschwerte Kindheit in Greifswald. Doch der Dreißigjährige Krieg macht vor Pommern nicht Halt. Während die Stadt ...

Mit ihren zwei Schwestern und drei Brüdern verbringt Sibylla Schwarz, genannt Billie, eine unbeschwerte Kindheit in Greifswald. Doch der Dreißigjährige Krieg macht vor Pommern nicht Halt. Während die Stadt unter der Besetzung leidet, entdeckt die 14-Jährige ihre Liebe zur Dichtkunst - und zu der hübschen Pfarrerstochter Judith Tanck. Beides kann sie in große Schwierigkeiten bringen…

„Billie“ ist der Debütroman von Stefan Cordes.

Die Geschichte basiert auf der historischen Persönlichkeit Sibylla Schwarz, einer interessanten und leider zu Unrecht vielen unbekannten Dichterin. Der Roman setzt ihr nicht nur ein Denkmal, sondern bringt sie einem breiteren Publikum nahe. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich sehr gut nachvollziehen. Sowohl die Protagonistin als auch die weiteren Figuren wirken authentisch.

Unterteilt in 144 kurze Kapitel, wird die Geschichte in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Billie erzählt. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahre und spielt an wechselnden Orten, vorwiegend in Greifswald.

Auf den knapp 380 Seiten wird Billies Leben auf unterhaltsame, berührende und fesselnde Weise beschrieben. Unerwartete Geschehnisse sorgen dafür, dass beim Lesen keine Langeweile aufkommt. Zugleich spart der Roman an Übertreibungen und unnötiger Dramatisierung.

Die fundierte Recherche ist der Geschichte immer wieder anzumerken. Nur an wenigen Stellen weicht sie von den tatsächlichen Fakten ab. Von der sorgfältigen Quellenarbeit zeugt auch das Nachwort („Was aus ihnen wurde“), das den eigentlichen Roman perfekt ergänzt.

Mit dem Vokabular, das behutsam an das 17. Jahrhundert angepasst wurde, und einem poetischen Unterton passt die Sprache des Romans hervorragend zur Geschichte. Zugleich ist es gelungen, einen ganz eigene, unverwechselbare Erzählstimme zu schaffen. Gut gefallen hat mir auch, dass sich die Zitate aus dem Werk der Dichterin sehr harmonisch und organisch in den Gesamttext einfügen.

Ausgesprochen gelungen empfinde ich das ungewöhnliche Covermotiv. Es zeigt Erato, Billies Lieblingsmuse.

Mein Fazit:
Mit „Billie“ hat mich Stefan Cordes in mehrfacher Hinsicht überzeugt. Ein unbedingt empfehlenswerter Roman, der mehr als nur Unterhaltung bietet und schon jetzt einen Platz unter meinen Jahreshighlights ergattert hat

Veröffentlicht am 24.01.2025

Im Hinterhof der Erde

Umlaufbahnen
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Anton (Russland), Chie (Japan), Nell (England), Pietro (Italien), Roman (Russland) und Shaun (USA): Vier Astronauten und zwei Astronautinnen kreisen in einer Raumstation um die Erde. Sie leben auf engstem ...

Anton (Russland), Chie (Japan), Nell (England), Pietro (Italien), Roman (Russland) und Shaun (USA): Vier Astronauten und zwei Astronautinnen kreisen in einer Raumstation um die Erde. Sie leben auf engstem Raum und haben einen anspruchsvollen, durchgetakteten Tagesablauf. Weit weg von Familie und Freunden haben sie nicht nur mit Sehnsucht und Entbehrungen zu kämpfen, sondern auch besondere Herausforderungen zu meistern. Doch sie bereuen ihre Entscheidung nicht, denn aus ihren Fenstern haben sie die Schönheit der Welt ständig vor Augen.

„Umlaufbahnen“ ist ein Roman von Samantha Harvey, der mit dem Booker Prize 2024 ausgezeichnet worden ist.

Der Aufbau des Romans ist klar und schlüssig: Es gibt 21 Kapitel, die nach den Umlaufbahnen benannt sind. Die erzählte Zeit umspannt genau 24 Stunden, in denen die Raumstation 16 Male die Erde umrundet, auf den im Innenteil abgebildeten Umlaufbahnen. Die Handlung spielt in der nahen Zukunft.

Mit poetischer Note und wunderbar unaufgeregt wird erzählt. Gelungene, teils ungewöhnliche Bilder sind eine der Stärken des Romans. Darüber hinaus wird viel Atmosphäre transportiert. Beeindruckt haben mich zudem die Beschreibungen der Erdlandschaften und Städte von oben, der Sonnenauf- und -untergänge, der Polarlichter und Sterne. Die Übersetzung von Julia Wolf wird dabei dem Originaltext gerecht.

Stück für Stück, aber nicht bis ins letzte Detail lernen wir die sechs unterschiedlichen Protagonisten kennen. Die eigentliche Hauptfigur ist jedoch unser aller Heimatplanet. Denn auf der inhaltlichen Ebene dreht sich vieles um existenzielle Themen wie Liebe, Glaube und Tod, aber auch Weltpolitik und Klimaschutz. Wie stellt sich unser Planet von dort oben dar? Was macht die weite Entfernung zur Erde mit den Teilnehmern der Weltraummission? Wie ändern sich Ansichten und Gefühle draußen im Weltall? Immer wieder gibt der Roman Impulse zum Nachdenken und berührt. Nebenbei erfährt der Leser zudem einiges über die Vorbereitungen für die Mission und den Alltag der Crew.

Obwohl die Handlung auf den rund 220 Seiten überschaubar ist, manche Passagen sogar ein wenig redundant anmuten, habe ich mich beim Lesen keine Sekunde gelangweilt. Im Gegenteil.

Der prägnante englischsprachige Titel wurde sinnerhaltend ins Deutsche übertragen. Auch beim Cover wurde sich erfreulicherweise am Original orientiert.

Mein Fazit:
Mit ihrem preisgekrönten Roman hat Samantha Harvey auch mich begeistert. „Umlaufbahnen“ ist mein erstes Lesehighlight im Jahr 2025.

Veröffentlicht am 05.12.2024

Schattierungen des Abschieds

Von dem, der bleibt
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Es ist November 1998, als sich A. mit Anfang 40 das Leben nimmt. Sein Ex-Partner, der 32-jährige Matteo Bianchi, findet ihn erhängt in der Wohnung in Mailand. Entsetzen, Schock und Trauer bestimmen von ...

Es ist November 1998, als sich A. mit Anfang 40 das Leben nimmt. Sein Ex-Partner, der 32-jährige Matteo Bianchi, findet ihn erhängt in der Wohnung in Mailand. Entsetzen, Schock und Trauer bestimmen von diesem Moment an den Alltag des Hinterbliebenen, des Davongekommenen…

„Von dem, der bleibt“ ist ein autofiktionaler Roman von Matteo B. Bianchi.

Der Schreibstil ist ein wenig fragmentarisch, bisweilen anekdotenhaft. Kurze Passagen wechseln sich ab. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Matteo - mal im Präsens, mal im Präteritum, aber nicht chronologisch. Dabei wird nicht nur in den Zeiten, sondern auch hinsichtlich der Themen oft gesprungen. Dennoch wirkt die Struktur nur auf den ersten Blick chaotisch. Beim Lesen erschließt sich allmählich die sinnvolle Abfolge.

Die atmosphärische, eindringliche und zugleich unaufgeregte Sprache des Romans hat mich beeindruckt. Kein Wort ist zu viel. Kluge Gedanken reihen sich aneinander. Gelungene Bilder vermitteln das beinahe Unbeschreibliche. Immer wieder eingestreute Zitate ergänzen den Text auf bereichernde Weise.

Im Zentrum stehen vor allem Matteo und A. Die Gedanken und Gefühle des Ich-Erzählers werden sehr gut deutlich. Viele weitere Figuren tauchen nur kurz auf und bleiben blass, was jedoch in diesem Fall absolut passt.

Drei Schwerpunkte zeichnen sich auf der inhaltlichen Ebene ab: Erlebnisse aus der gemeinsamen Vergangenheit mit A., der Suizid an sich und vor allem die Zeit nach dieser drastischen Erfahrung. Insbesondere die Frage, wie es den Angehörigen nach einem Selbstmord geht und wie schwierig diese Art von Verlust für das eigene Weiterleben ist, wird intensiv beantwortet. Offen, selbstkritisch und ehrlich werden Schuldgefühle, Zweifel, Verzweiflung, Trauer, Liebe und weitere Emotionen, die damit verbunden sind, geschildert. Das macht die Lektüre einerseits sehr bewegend und andererseits für Nicht-Betroffene zudem sehr aufschlussreich. Neben den persönlichen Umständen sind allgemeinere Informationen zum Thema Suizid eingeflochten, was für zusätzliche Einblicke sorgt.

Obwohl es auf den rund 300 Seiten keine Spannungskurve oder Ähnliches gibt, hat mich der Text durchweg bei der Stange gehalten. Zwar konnte ich nicht jedes Gefühl des Protagonisten komplett nachempfinden. Dies ist jedoch verständlich und nimmt dem Buch nichts von seiner Aussagekraft.

Der deutsche Titel weicht vom italienischen Original („La vita di chi resta“) ab, ist allerdings nicht mehr oder weniger treffend gewählt. Das Cover erschließt sich leider nicht sofort.

Mein Fazit:
Mit „Von dem, der bleibt“ hat Matteo B. Bianchi ein bewegendes Buch verfasst, das bei mir noch lange nachhallen wird. Eine interessante und intensive Lektüre. Ein Jahreshighlight 2024!

Veröffentlicht am 02.11.2024

Wer mobbt, ist feige

Perla der Superhund 1
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Hündin Perla wohnt mit Familie Rico in einem großen Haus. Vor allem mit dem Jungen Nico verbringt sie viel Zeit. Zwei Talente kann sie vorweisen: Sie bringt andere dazu, sie zu lieben, und sie kann furchteinflößend ...

Hündin Perla wohnt mit Familie Rico in einem großen Haus. Vor allem mit dem Jungen Nico verbringt sie viel Zeit. Zwei Talente kann sie vorweisen: Sie bringt andere dazu, sie zu lieben, und sie kann furchteinflößend kläffen. Als Nico in der Schule zum Opfer von Hänseleien und Schikanen wird, ist vor allem ihre letztere Fähigkeit gefragt…

„Perla der Superhund“ ist das erste Bilderbuch von Isabel Allende, empfohlen für Kinder ab vier Jahren.

Auf knapp 30 Seiten breitet sich die Geschichte aus. Erzählt wird sie in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Perla. Das hat uns sehr gut gefallen.

Der Text ist kindgerecht und verständlich formuliert: Die Sätze sind nicht zu lang, die meisten Wörter stammen aus dem Alltagsgebrauch. Daher ist die Geschichte meines Erachtens schon für Kinder ab dreieinhalb Jahren nachvollziehbar. Ein Stolperstein ist lediglich, dass der Junge Nico Rico heißt, insbesondere da der Nachname hierzulande mit einem Vornamen verwechselt werden kann.

Protagonistin Perla und Rico stehen im Vordergrund der Geschichte, zwei sympathische Charaktere. Auch die übrigen Figuren werden angemessen dargestellt.

Zwei begrüßenswerte Botschaften enthält die Geschichte auf der inhaltlichen Ebene. Erstens: Wer mobbt, ist feige. Zweitens: Gegen Mobbing kann man sich zur Wehr setzen. Beides wird auf verständliche Weise erklärt. Zwar ist die Umsetzung in der Geschichte recht einfach. Für die Zielgruppe erscheint es mir jedoch passend. Mir als Erwachsene hat sich nicht erschlossen, was es mit dem erwähnten Zauberer und dem Zauberversteck auf sich hat.

Das Erzähltempo ist absolut angemessen. Der Handlung lässt sich sehr gut folgen. Auch der Abschluss ist sinnvoll und macht das Bilderbuch zu einer schönen Abendlektüre.

Die bunten Illustrationen aus der Feder von Sandy Rodriguez sind ebenfalls gelungen. Sie erstrecken sich zum Teil über eine Doppelseite und zeigen teilweise nur Ausschnitte. Die Bebilderung ergänzt die Geschichte hervorragend und zeigt das Geschehen. Der Stil ist eher modern. Dennoch gibt es etliche liebevolle Details zu entdecken.

Das hübsche Cover, für das eine Szene aus dem Buch herausgegriffen wird, ist eine gute Wahl. Auf den prägnanten Titel, der sich eng am Original orientiert („Perla The Mighty Dog“), trifft das ebenso zu.

Mein Fazit:
Mit „Perla der Superhund“ hat Isabel Allende ein empfehlenswertes Bilderbuch geschrieben, das beim abendlichen Vorlesen mittlerweile zu den Favoriten zählt. Die positiven Botschaften zum Thema Mobbing haben uns überzeugt. Wir hoffen auf eine Fortsetzung.

Veröffentlicht am 16.10.2024

Wo das Rampenlicht Schatten wirft

Das Comeback
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Seit etwa einem Jahr ist Grace Turner bei ihren Eltern in Anaheim untergetaucht. Einst war sie ein gefeierter Teenie-Star. Zuletzt stand sie kurz vor ihrer ersten Golden Globe-Nominierung. Nun will sie ...

Seit etwa einem Jahr ist Grace Turner bei ihren Eltern in Anaheim untergetaucht. Einst war sie ein gefeierter Teenie-Star. Zuletzt stand sie kurz vor ihrer ersten Golden Globe-Nominierung. Nun will sie sich ihr Leben zurückholen…

„Das Comeback“ ist der Debütroman von Ella Berman.

Die Struktur des Romans ist klar ersichtlich und einleuchtend: Auf einen kurzen Prolog folgen zwei Teile („Davor“ und „Danach“). Darüber hinaus ist die Geschichte in insgesamt 60 kurze Kapitel gegliedert. Der Roman endet mit einem Epilog.

Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Grace - zwar in chronologischer Reihenfolge, aber mit diversen Rückblenden. Der Schreibstil ist schnörkellos, aber dennoch atmosphärisch, eindringlich und anschaulich. Er ist geprägt von authentisch klingenden Dialogen.

Mit Grace steht eine interessante Figur im Fokus. Sehr gefallen hat mir, dass dieser Charakter mit viel psychologischer Tiefe ausgestattet ist. Ihre Fehler und Schwächen machen sie nicht ungeschränkt sympathisch, jedoch lebensnah. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich gut nachvollziehen.

Auf der inhaltlichen Ebene ist der Roman sehr aktuell: Es geht es um patriarchale Machtstrukturen in der Unterhaltungsindustrie. Die Geschichte stellt einen „Me too“-Fall dar, wobei die Autorin nicht auf wahre Begebenheiten eingeht. Phänomene wie Gaslighting und Grooming tauchen auf. Damit wirft der Roman ein Schlaglicht auf wichtige Themen wie den Machtmissbrauch, vor allem gegenüber Frauen. Er klärt auf, rüttelt wach, erschüttert und macht nachdenklich. Anderen Betroffenen, die nicht über ihre Erlebnisse und eventuelle Traumata sprechen können, verleiht die Geschichte eine Stimme. Weitere Aspekte wie Abhängigkeit von Alkohol und Drogen sorgen für Vielschichtigkeit.

Auf den mehr als 400 Seiten konnte mich die Story nicht nur berühren, sondern auch gut unterhalten. Schon nach wenigen Kapiteln hat sich ein Lesesog eingestellt, der dank weniger Längen bis zum Schluss erhalten geblieben ist. Die Handlung erscheint schlüssig.

Der deutsche Titel ist wortgetreu aus dem englischsprachigen Original („The Comeback“) übersetzt. Er passt meiner Ansicht nach gut zum Inhalt. Auch das Cover, ebenfalls eine sinnvolle Wahl, wurde übernommen.

Mein Fazit:
Mit „Das Comeback“ hat mich Ella Berman in mehrfacher Hinsicht überzeugt. Ich hoffe, dass auch ihr zweiter Roman in Deutschland verlegt werden wird.

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