Cover-Bild All die kleinen Vogelherzen
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: GOYA
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 384
  • Ersterscheinung: 09.10.2024
  • ISBN: 9783833747960
Viktoria Lloyd-Barlow

All die kleinen Vogelherzen

Sabine Längsfeld (Übersetzer)

Sunday lebt mit ihrer sechzehnjährigen Tochter Dolly noch immer in dem Haus, in dem schon sie aufgewachsen ist. Sie ist anders als die meisten Menschen. An manchen Tagen isst sie ausschließlich weißes Essen und sie hat einen Ratgeber aus den Fünfzigern, der ihr in komplexen sozialen Situationen hilft. Sundays geordnetes Leben gerät jedoch aus den Fugen, als die charismatische Vita mit ihrem Mann nebenan einzieht. Gänzlich von der schillernden Person eingenommen, freunden die beiden Familien sich schnell an, gehen im Haus der anderen ein und aus. Sunday fühlt sich akzeptiert und geliebt wie selten zuvor. Auch Dolly ist zunehmend fasziniert von Vita. Genau hier liegt das Problem, denn was Sunday nicht ahnt: Unter der makellosen Fassade versteckt sich etwas Dunkles.

»Nuanciert, manchmal beinahe sezierend in ihrer ungeheuren Beobachtungsgabe, sprachgenau und authentisch schreibt Viktoria Lloyd-Barlow vom Leben einer autistischen Frau, von Liebe – der bedingungslosen und der sehr bedingten – von Familie, Freundschaft und Nachbarschaft, von Unverständnis und Missverständnissen, von erahnten menschlichen Abgründen, aber auch von Langsamkeit und Stille und der manchmal gewaltsamen Kraft der Natur. Ein berührender, zuweilen subtil erschreckender Roman, getragen von der Perspektive einer einzigartigen Ich-Erzählerin, welche sich der unterschwelligen Spannung, die sich durch den gesamten Text zieht, selbst nicht bewusst zu sein scheint.«
Sabine Längsfeld

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.10.2024

Eine ganz besonders berührende Geschichte

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Wenn Sunday aufgeregt ist, besteht ihr Speiseplan ausschließlich aus weißen Lebensmitteln. Toast und Haferflocken zum Frühstück, Hühnchen und Kartoffelpüree am Abend und vielleicht auch mal ein Rührei, ...

Wenn Sunday aufgeregt ist, besteht ihr Speiseplan ausschließlich aus weißen Lebensmitteln. Toast und Haferflocken zum Frühstück, Hühnchen und Kartoffelpüree am Abend und vielleicht auch mal ein Rührei, aber nur wenn Sunday das als weiß befindet. Zuweilen nervt ihre sechzehnjährige Tochter Dolly das Essverhalten ihrer Mutter, wie es schon Dollys Vater – den König – genervt hat. Während der Ehe zu ihrem Ex Mann hat sich das bestätigt, was Sunday schon bei ihrer Mutter gelernt hat, Sunday ist sonderbar, manchmal erschreckend in ihrer Direktheit und das Anstarren zum Fürchten.

Seit der Scheidung verdient sich Sunday ein kleines Zubrot in der Gärtnerei ihrer ehemaligen Schwiegereltern. Mit David, der ihr zur Hand geht, braucht es nicht vieler Worte. Sie unterhalten sich in Gebärdensprache, denn David ist nach einer Meningitis in seiner Kindheit taub. Die Stille, das Berühren der Erde und der zarten Pflänzchen helfen Sunday, sich zu Fokussieren, wenn ihr Alltag aus dem Ruder gelaufen ist.

An einem sonnigen Herbsttag beobachtet Sunday eine Frau im Nachbargarten. Sie liegt auf dem Rücken, Arme und Beine von sich gestreckt. Fast sieht sie aus, als könne sie vom Baum gestürzt sein. Die glatten schwarzen Haare ergießen sich über ihre schwarze Kleidung. Sunday will wissen, was die fremde leblose Frau da drüben macht und schleicht sich an, um einen näheren Blick zu erhaschen, doch als die sich bewegt, zieht Sunday sich zurück. Kurz darauf steht die dunkle Schönheit vor Sundays Tür. Als die öffnet, stellt die Fremde sich als Vita vor, sie habe mit ihrem Mann das Nachbarhaus gemietet. Schnell werden die spröde Sunday, der die Benimmregeln aus dem frühen 19ten Jahrhundert heilig sind und die charismatische, lebhafte Vita Freundinnen und Sunday fühlt sich und ihre Eigenarten so akzeptiert wie nie im Leben zuvor.

Fazit: Diese besondere Geschichte hat mich tief berührt. Viktoria Lloyd – Barlow – selbst Autistin – nimmt mich mit in das Innenleben ihrer autistischen Protagonistin. Mit großem Feingefühl zeigt sie die Stärken und Schwächen Sundays. Sie ist in der sozialen Interaktion holprig, plump und direkt, wenn sie die Kontrolle über sich verliert. Andere empfinden ihr Sosein als störend und befremdlich. Ihr ganzes Leben war sie falsch, als Kind die ungeliebte Tochter, deren Schwester glorifiziert und bevorzugt wurde. Gerade als sie sich von ihren früheren Enttäuschungen erholt hat und gefestigt ihr Leben bestreitet, trifft sie auf eine Frau, die alles verkörpert, was sie gerne wäre. Die mit Leichtigkeit kommuniziert, berührt und ihr schönes Äußeres durch exzentrische Kleidung unterstreicht. Sunday ist so mit der Analyse beschäftigt, was die Wertschätzung und Akzeptanz der anderen mit ihr macht, dass sie vergisst, sich zu fragen, warum gerade sie in den Fokus der Zuneigung gerät. Die Stimmfarbe der Autorin ist ruhig, lässt mir Zeit, mir die Fragen zu stellen, die sich die Protagonistin nicht stellt und ihr hilflos dabei zusehen, wie sie sich blenden lässt. Ein grandioses psychologisches Katz – und Mausspiel. Ich habe jede Zeile genossen.

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Veröffentlicht am 09.10.2024

Lesehighlight 2024

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Neue Nachbarn können etwas aufregendes sein, jedoch sind es eben jene Veränderung, die Sundays Leben aus dem Tritt bringen. Zwar lebt sie mit ihrer Tochter eher ein zurückgezogenes Leben in ihrem Elternhaus, ...

Neue Nachbarn können etwas aufregendes sein, jedoch sind es eben jene Veränderung, die Sundays Leben aus dem Tritt bringen. Zwar lebt sie mit ihrer Tochter eher ein zurückgezogenes Leben in ihrem Elternhaus, ordnet ihre Mahlzeiten nach Farbe statt nach Vitamingehalt, aber im Großen und Ganzen hat sie sich mit ihren kleinen und größeren Besonderheiten arrangiert. Aus der anfangs freundlichen Nachbarin wird nach und nach eine Frau, die zwei Gesichter hat...


Manchmal sind es gerade die leisen Töne, die am meisten Eindruck hinterlassen. Und genau das passiert, wenn die Leser:innen "All die kleinen Vogelherzen" beendet haben - sie sind tief beeindruckt und zugleich verstört über die Handlung, die so harmlos beginnt.

Die Geschichte spielt in einem scheinbar harmonischen Umfeld, in dem die Protagonistin Sunday, eine Autistin, ihr Leben nach den Regeln eines kleinen Ratgeberbuchs aus den 1950er Jahren gestaltet. Diese Regelhaftigkeit und das doch eher antiquierte Frauenbild bieten ihr Sicherheit, während sie gleichzeitig eine tiefgründige und bemerkenswerte Figur verkörpert, die mit den herrschenden Vorurteilen konfrontiert und zur Zielscheibe für Missverständnisse, fehlende Akzeptanz und Unverständnis wird.

Die Ruhe, mit der Sunday ihr Leben führt, wird durch den Einzug von Vita, der neuen Nachbarin, jäh gestört. Vita ist das krasse Gegenteil von Sunday und verkörpert all das, was Sunday niemals sein wird und genau da setzt sie den Hebel an. Sie manipuliert und entfremdet schrittweise Dolly von ihrer Mutter und währenddessen fällt immer häufiger ihre ach so wunderschöne Maske. Die Demaskierung bringt schrittweise die tiefsitzenden Probleme von Vita hervor und daraus entsteht eine absolut fesselnde Handlung.

Die Autorin versteht es hervorragend, die innere Zerrissenheit und die emotionalen Kämpfe der Charaktere darzustellen. Durch Sundays Augen erleben die Leser:innen die subtilen und oft schmerzhaften Veränderungen in ihrer Welt. Die Beziehung zwischen Sunday und Dolly wird auf eine harte Probe gestellt, der schmerzhafte Prozess der Entfremdung tut beim Lesen fast schon seelisch weh und die Lesenden werden dazu angeregt, über eigene Vorurteile, den Umgang mit dem "Anderssein" und die verborgenen Verletzlichkeiten nachzudenken, die wir alle in uns tragen.

Die Sprache des Buches ist ebenso präzise wie poetisch und schafft es, die kleinen, aber bedeutenden Momente des Lebens einzufangen. Die Beobachtungen sind scharfsinnig und oft von einer subtilen Bösartigkeit durchzogen, die die Handlung umso fesselnder macht. Es ist ein Spiel mit den Erwartungen, das die Leserschaft immer wieder überrascht und zum Nachdenken anregt.

"All die kleinen Vogelherzen" ist mehr als nur ein Roman – es ist ein Lesehighlight 2024, das sich durch eine tiefgehende Charakterstudie und eine packende Erzählweise auszeichnet. Es konfrontiert uns mit vermeintlichen Privilegien sowie den Schattenseiten der Menschlichkeit und der Gesellschaft und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

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Veröffentlicht am 07.11.2024

Mutterliebe

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Sunday liebt ihr geordnetes Leben mit ihrer Teenagertochter Dolly, obwohl sie spürt, wie diese immer wieder Probleme mit der besonderen Lebensweise der Mutter hat. Als nebenan die charismatische Vita mit ...

Sunday liebt ihr geordnetes Leben mit ihrer Teenagertochter Dolly, obwohl sie spürt, wie diese immer wieder Probleme mit der besonderen Lebensweise der Mutter hat. Als nebenan die charismatische Vita mit ihrem Ehemann einzieht, fegt sie wie ein Orkan in Sundays Leben und in das ihrer Tochter.

Sunday führt als Ich-Erzählerin durch das Buch, der Leser erlebt die Geschichte, alle Ereignisse, alle Gespräche, alle Erinnerungen, einzig aus ihrer Sicht. Schnell ist klar, das Sunday ein besonderer Mensch ist, ohne, dass das dem Leser allerdings in einem Vorwort, oder auf andere Art und Weise erklärt wird. Stattdessen wundert man sich über Sundays merkwürdigen Verhaltensweisen, ihre Eigenart nur möglichst farbloses Essen zu sich zu nehmen, ihre Fixierung auf sizilianische Märchen und Sagen und einen überholten Etiketteratgeber aus den 50er Jahren, ihre Unfähigkeit Gespräche mit anderen Personen zu führen, Emotionen zu zeigen, oder angemessen auf sie zu reagieren. Wer sich mit der Thematik etwas auskennt, wird merken, dass bei Sunday eine kognitive Störung vorliegt, sie leidet an einer Form von Autismus. Leser die sich hier nicht so auskennen, werden die Figur Sunday schnell als schrullig, ja sogar nervig, vielleicht sogar durchgeknallt abstempeln, wie es Sundays Mitmenschen, sogar die Familie tut und das wäre schade, denn es tut ihr unrecht. Leider wird der Umstand das Sunday unter Autismus leidet nur ganz kurz auf dem Buchrücken erwähnt und geht so leicht unter, was schade ist, weil es die Aussage des Buches total verzerrt.

Wenn man Sunday kennenlernt ist es recht einfach ein pauschales Urteil über sie zu fällen, im Verlauf des Buches lernt man sie und ihre Vergangenheit aber immer besser kennen und entwickelt einen gewissen Beschützerinstinkt ihr gegenüber. Besonders natürlich gegenüber Nachbarin Vita, die sich laut, unkonventionell und übergriffig erst in Sundays Küche, dann in ihren Alltag und letztlich zwischen sie und Tochter Dolly drängt. Der Leser ahnt schnell worauf das hinausläuft, Sunday hingegen kann die Zeichen einfach nicht deuten. In dieser Phase des Buches überwiegt die Wut, angesichts ihrer Untätigkeit, aber natürlich ist klar, sie kann einfach nicht aus ihrer Haut.

Viktoria Lloyd-Barlow schreibt unglaublich eindringlich, man folgt gern ihren poetischen Sätzen und den Bildern, die sie damit erzeugt. Sie schafft es gut die verschiedenen Stimmungen einzufangen, Vitas überbordendes Wesen im Gegensatz zu Sundays Ruhe, aber auch deren Ängste, der Druck der auf ihr lastet, die inneren Kämpfe die sie ausficht und verliert und über allem die Spannung, die Vitas Anwesenheit erzeugt, diesen Anflug von etwas Dunklem, Bedrohlichen, dass man nie wirklich zu fassen bekommt.

In all diesen Punkten bin ich bei der Geschichte und diesem besonderen Buch, leider schafft es die Autorin aber in letzter Instanz nicht, mich bis zu Ende hin mitzunehmen. Der Abschluss von Sunday und Dollys Mutter-Tochter-Beziehung wird mir zu oberflächlich abgehandelt. Es werden da noch schnell ein paar erklärende Details hingeworfen und am Ende steht der Leser genauso allein auf der Straße wie Sunday. So virtuos wie die Geschichte bis dahin war, so unbefriedigend und lieblos wird sie abgeschlossen. Schade.

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Veröffentlicht am 03.11.2024

Eine andere Welt

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Anfängliche Schwierigkeiten, den Schreibstil zu verstehen konnten mich nicht davon abhalten, doch noch in die Geschichte hinein zu finden. Sunday lebt mit ihrer Tochter Dolly in ihrem Haus in einem englischen ...

Anfängliche Schwierigkeiten, den Schreibstil zu verstehen konnten mich nicht davon abhalten, doch noch in die Geschichte hinein zu finden. Sunday lebt mit ihrer Tochter Dolly in ihrem Haus in einem englischen Dorf. Sie ist von ihrem Mann getrennt und trotzdem ist sie glücklich. Doch sie lebt in ihrer eigenen Welt, denn Sunday leidet unter Autismus und nimmt daher viele Dinge ganz anders war als ihre Mitmenschen. Die Geschichte ist sehr herausfordernd und doch unheimlich interessant, denn wir blicken in die Gefühlswelt und in den Kopf von Sunday. Ich habe mitgefiebert und mit gelitten und Sundays Geschichte hat mich zum nachdenken angeregt! Es ist ein durchaus lesenswertes Buch, welches ich weiter empfehlen kann. Da ich in meinem privaten Umfeld mit autistischen Menschen zu tun habe, fand ich die Reise ins Buch sehr inspirierend.

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Veröffentlicht am 02.11.2024

Das Leben mit Autismus

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Sunday ist die Protagonistin der Geschichte, sie hat eine Tochter, Dolly, ist alleinerziehende Mutter und ist Autistin. Dolly hat aber leider oft kein Verständnis für ihre Mutter. Dann zieht auch noch ...

Sunday ist die Protagonistin der Geschichte, sie hat eine Tochter, Dolly, ist alleinerziehende Mutter und ist Autistin. Dolly hat aber leider oft kein Verständnis für ihre Mutter. Dann zieht auch noch Vita mit ihrem Mann in die Ortschaft und wird ihre neue Nachbarin. Da werden sie dann jeden Freitag zum Dinner eingeladen. Vita interessiert sich aber irgendwann nur noch für Dolly und sie fängt auch an für Vita und ihren Mann zu arbeiten. Sunday fühlt sich irgendwann ausgegrenzt und versucht erfolglos die Situation zu ändern.

Ich fand die Geschichte sehr interessant, denn Autismus ist leider immer noch ein seltenes Thema in Geschichten. Die Autorin ist selbst Autistin und hat es 2023 auf die Longlist des Booker Prize geschafft und das absolut zurecht finde ich. Ich habe einiges aus der Geschichte lernen können. Für 5 Sterne reicht es leider nicht ganz, aber ich vergebe gerne 4 Sterne und eine klare Empfehlung für alle, die etwas lernen wollen.

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