Der Tod als sanfte Erfahrung
Morgen und AbendDas Thema Tod gilt auch in der Literatur eher als Tabuthema, doch genau damit beschäftigt sich der norwegische Schriftsteller Jon Fosse
in seinem Buch, Morgen und Abend‘. Der kleine Johannes wird als langersehnter ...
Das Thema Tod gilt auch in der Literatur eher als Tabuthema, doch genau damit beschäftigt sich der norwegische Schriftsteller Jon Fosse
in seinem Buch, Morgen und Abend‘. Der kleine Johannes wird als langersehnter Erbe in eine Fischerfamilie, die in einem typischen
norwegischen Fischerdorf lebt, hineingeboren. Er erlernt das Handwerk von seinem Vater und übernimmt schließlich, wie von der Familie gewollt, dessen Boot. Als Rentner und Witwer erwacht der alte Johannes eines Morgens und alles um ihn ist anders als sonst. Plötzlich macht ihm das Gehen keine Schwierigkeiten mehr, die Muskeln tun ihm nicht mehr weh, er ist wieder in der Lage, die Leiter zum Dachboden hochzuklettern. Auch die Landschaft und das Meer erscheinen ihm leichter. Und er trifft auf Menschen, die längst verstorben
sind, darunter sein guter Freund Peter. Sie verbringen Zeit wie früher, indem sie die Reusen heraufholen und die gefangenen Krebse am Hafen zum Kauf anbieten. Und die wenigen Kunden sind auch hier alle Menschen aus längst
vergangenen Zeiten. Doch Peters erste Andeutung „Johannes, das Meer will dich nicht mehr“, versteht Johannes noch nicht. Selbst die überraschende Anwesenheit seiner Frau lässt ihn noch nicht begreifen, was mit ihm geschehen ist. Erst als ihm seine Tochter Signe schnellen Schrittes und mit besorgtem Blick auf der Straße begegnet, ihn nicht sieht und letztendlich durch ihn hindurchläuft, beginnt er zu verstehen. Schließlich erklärt ihm Peter, dass man ihn geschickt habe, um seinem Freund rüberzuhelfen in eine andere Welt, einen Ort ohne Namen, wo man das findet, was man liebt und wo es das, was man nicht liebt, nicht gibt. Jon Fosse ist es gelungen, ein sehr tröstendes Buch über den Tod als sanfte Erfahrung zu schreiben. Schlichte Wortwahl und ein sehr eigenwilliger Erzählstil machen es zu einer nachhaltigen Leseerfahrung. Gleichzeitig erfährt man viel Interessantes über das Fischerleben von dem gewaltigen Panorama der norwegischen Küstenlandschaft.“