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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.11.2024

Quer durch Italien

Der Untergang von Thornton Hall
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Während ihr Bruder David auf seiner Kavaliersreise verschwunden ist, haben die Eltern für Elinda eine Hochzeit vorgesehen, um die Zukunft der Familie zu sichern. „Der Untergang von Thornton Hall wäre vielleicht ...

Während ihr Bruder David auf seiner Kavaliersreise verschwunden ist, haben die Eltern für Elinda eine Hochzeit vorgesehen, um die Zukunft der Familie zu sichern. „Der Untergang von Thornton Hall wäre vielleicht nicht das Schlimmste, wenn zu seiner Rettung eine weitere duldsame Frau nötig war, die heiratete und die nächste Generation gebar.“
Doch die Verbindung zwischen den Zwillingen ist so stark wie Elindas Eigensinn. Es kommt also für sie nicht in Frage, sich mit ihrem Schicksal abzufinden. Stattdessen begibt sie sich in zweifelhafter Begleitung auf die Suche von England nach Italien. Wir schreiben das Jahr 1789, die Reise ist also von den Umständen und Konventionen der Zeit geprägt.
Schnell hatte ich die rebellische Heldin in mein Herz geschlossen und habe über 600 Seiten mitgefiebert, wie sie Gefahren bewältigt und ob sie ihr Ziel erreicht. Der Roman birgt eine mitreißende Kombination aus Abenteuer und Romantik, Zeitgeschehen und Übernatürlichem, Humor und Spannung. Für mich war „Der Untergang von Thornton Hall“ eine ungewöhnliche und vergnügliche Lektüre.

Veröffentlicht am 10.11.2024

Von Polen in den Pott

Der Blick reicht weit zurück von hier
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Von Polen aus geht es für Josef und seine Freunde erst in den Krieg und schließlich nach Deutschland. „Essen im Ruhrgebiet stellte er sich vor wie den Vorhof zur Hölle: Überall monströse Schlote, die die ...

Von Polen aus geht es für Josef und seine Freunde erst in den Krieg und schließlich nach Deutschland. „Essen im Ruhrgebiet stellte er sich vor wie den Vorhof zur Hölle: Überall monströse Schlote, die die Teufelsgase der Zechen und Fabriken in den rußgeschwärzten Himmel pumpten und die Landschaft pfählten wie Nadeln ein Nadelkissen.“
Klaus Ulaszewski erzählt die Geschichte einer Freundschaft, die in den jugendlichen Jahren der Figuren beginnt und den 2. Weltkrieg überdauert. Selbst die Zustände im Lager lassen sich überstehen, denn immer wieder gibt es Begegnungen, die zeigen, dass ein bisschen Menschlichkeit eine große Wirkung haben kann.
Auf ein ganzes Leben blickt der Protagonist Josef aus der heute angesiedelten Rahmenhandlung zurück. Durch den detaillierten Erzählstil war es ein Leichtes, Situationen nachzuempfinden und mit ihm mitzufühlen. Die lebhaften Bilder des Romans haben einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen.

Veröffentlicht am 03.11.2024

Leiden und Leichtigkeit

Gratulieren müsst ihr mir nicht
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Lilli verbringt mit Anfang zwanzig viel Zeit im Krankenhaus. Das Einsetzen eines Herzschrittmachers ist erst der Anfang. Wir begleiten sie auf ihrem Leidensweg. „Ich war wütend, weil es mir so vorkam, ...

Lilli verbringt mit Anfang zwanzig viel Zeit im Krankenhaus. Das Einsetzen eines Herzschrittmachers ist erst der Anfang. Wir begleiten sie auf ihrem Leidensweg. „Ich war wütend, weil es mir so vorkam, als würde das Universum testen, wie viel ein Mensch aushalten konnte, und ich war wütend, weil ich das Gefühl hatte, ich sei das Versuchskaninchen dieses Experiments.“
Lilli Polanskys autofiktionaler Roman geht nahe, denn wir erleben sie authentisch in lebensbedrohenden Situationen oder mit einem Galgenhumor bei der Verarbeitung ihrer Lage. Die Figur lernen wir zudem in Rückblenden als Schulkind oder in ihrem Universitätsumfeld kennen, was das Gesamtbild vervollständigt.
Dieses Buch ist Unbeschwertheit und harter Tobak in einem. Szenen aus dem Alltag wechseln sich ab mit Stellen, an denen es um körperliche und psychische Beschwerden geht. Und dann möchte ich Lilli einfach in den Arm nehmen, weil sie so liebenswürdig wirkt und kämpferisch alles durchsteht. Die Autorin hat einen Ton gefunden, mit dem sie ihrer Geschichte Leichtigkeit verleiht, und dennoch geht kein bisschen Intensität verloren. Aufwühlend, berührend, charmant!

Veröffentlicht am 18.10.2024

Sagenhaft

Die Schwarze Greet und ein goldener Fisch
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Diese oder ähnliche Geschichten haben wir schon gehört, denn Sagen werden von einer Generation an die nächste weitergegeben. Oft geht es um einen Konflikt zwischen Gut und Böse oder etwas Übernatürliches. ...

Diese oder ähnliche Geschichten haben wir schon gehört, denn Sagen werden von einer Generation an die nächste weitergegeben. Oft geht es um einen Konflikt zwischen Gut und Böse oder etwas Übernatürliches. Da versucht der Teufel Seelen zu rauben oder Zwerge bringen Schätze zutage.
Bei den norddeutschen Ausprägungen kommt das raue Meer als landschaftliches Element dazu und damit einhergehend dessen Bewohner. „Der Meermann tobte vor Wut. Mürrisch und voller Groll kehrte er ins Meer zurück, zu seinem Meerweib Rahn. Seither versuchte er, den Syltern zu schaden, so oft und so viel er nur konnte.“
Dieser Band sammelt 22 Sagen um Windhexen, Wassermänner und die titelgebende schwarze Greet, selbst Till Eulenspiegel hat einen Gastauftritt. Die leicht verständliche Sprache eignet sich gut zum Vorlesen. Die Illustrationen geben dem Gehörten eine freche und originelle Note. Neben dem Verfolgen der unterhaltsamen Episoden war es mir ein besonderes Vergnügen, kleine Details in den Zeichnungen zu entdecken.

Veröffentlicht am 06.10.2024

Zwischen Wahn und Wohl

Das Wohlbefinden
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Anna ist Patientin in den Heilstätten von Beelitz und hat übersinnliche Fähigkeiten. »Ich sehe manchmal, wie die Dinge wirklich sind. Wie etwas wirklich ist, oder auch sein wird. Das sehe ich.« Johanna ...

Anna ist Patientin in den Heilstätten von Beelitz und hat übersinnliche Fähigkeiten. »Ich sehe manchmal, wie die Dinge wirklich sind. Wie etwas wirklich ist, oder auch sein wird. Das sehe ich.« Johanna ist Schriftstellerin und findet durch Anna Inspiration für ein Buch.
„Das Wohlbefinden“ wird in vier Handlungssträngen erzählt, die von Anna und Johanna Anfang des 20. Jahrhunderts, Johannas in den 1960er Jahren und der ihrer Urenkelin Vanessa im aktuellen Jahrzehnt. Dadurch fügen sich verschiedene Sichten zu einem Gesamtbild, denn die späteren Figuren reflektieren die Geschichte später anders als zum Zeitpunkt des Geschehens.
So lernen wir drei Frauen intensiv kennen. Anna ist die schillerndste Figur, erleben wir sie doch bei ihren Voraussagen ganz authentisch, während sich „Wissenschaftler“ nur mit ihr schmücken wollen. Johanna ist eine zwiespältige Protagonistin, der man auch vorwerfen mag, sie würde sich persönlich an der Situation bereichern. Vanessa fungiert kaum mehr als als Rezipientin des Lebens ihrer Vorfahrin, bildet aber eine gute Rahmenhandlung.
Mir hat unglaublich gut gefallen, wie die Atmosphäre des Gesundheitsinstituts mit seinen modernen Ansätzen eingefangen und wie eine mystische Stimmung verbreitet wurde. Das Hin-und-Herspringen zwischen den Zeiten fiel mir nicht schwer, vielmehr hatten sie jeweils ihre eigene spezifische Erzählweise. Zwar hatte ich nach dem Anfang einen krasseren Verlauf erwartet, doch habe ich hier einen faszinierenden Ausflug an einen besonderen Ort erhalten, der im Kopf bleibt.