Ein bewegendes Buch über Autismus und Selbstbestimmung
Strong Female Character von Fern Brady ist mehr als nur eine Autobiografie – es ist eine tief bewegende, ehrliche und aufrüttelnde Erzählung, die Leser*innen
auf eine Reise durch das Leben einer Frau mit ...
Strong Female Character von Fern Brady ist mehr als nur eine Autobiografie – es ist eine tief bewegende, ehrliche und aufrüttelnde Erzählung, die Leser*innen
auf eine Reise durch das Leben einer Frau mit Autismus nimmt. Mit ihrer ungeschönten und direkten Art gibt Brady Einblicke in ihre Erfahrungen, die von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter reichen, und verbindet dabei persönliche Anekdoten mit gesellschaftskritischen Reflexionen. Dieses Buch ist ein echtes Must-Read für alle, die sich intensiver mit Autismus und den Herausforderungen, die damit verbunden sein können, auseinandersetzen möchten. Besonders wertvoll ist dabei Bradys Perspektive als Own-Voice-Autorin, die ihre Erlebnisse auf authentische Weise schildert.
Besonders die ersten Kapitel des Buches ziehen einen sofort in ihren Bann. Brady nimmt uns mit in ihre Kindheit, die Mitte der 2000er-Jahre spielt, und zeigt auf, wie offensichtlich die Anzeichen für Autismus schon damals waren – zumindest aus heutiger Sicht. Ihre Erzählungen sind so lebendig und emotional, dass man sich mitten in ihrem Alltag wiederfindet. Was jedoch frustrierend ist: Niemand in ihrem Umfeld – weder ihre Eltern noch Lehrkräfte oder medizinisches Fachpersonal – erkannte diese Signale. Brady beschreibt, wie schwer es für sie war, in einer Welt zurechtzukommen, die sie nicht verstand und die sie ebenso wenig verstand. Diese Passagen machen deutlich, wie wichtig es ist, die Sensibilisierung für Autismus weiter voranzutreiben, um frühzeitig Unterstützung bieten zu können.
Ein weiterer zentraler Aspekt des Buches ist die Unterdrückung, die Brady immer wieder durch patriarchale Strukturen erfahren hat. Egal, ob in der Schule, im Studium oder in ihrem beruflichen Umfeld – Respekt wurde ihr selten entgegengebracht. Besonders aufwühlend sind die Schilderungen ihrer toxischen Beziehung, die einen tiefen Einblick in die Dynamiken von Macht, Kontrolle und emotionalem Missbrauch geben. Brady beschreibt, wie schwer es für sie war, sich aus dieser Beziehung zu lösen, und reflektiert eindrucksvoll, warum sie trotz allem immer wieder dorthin zurückkehrte. Diese Erzählungen sind oft schwer zu lesen, wirken aber gerade deshalb so real und bewegend.
Während die meisten Kapitel durch ihre emotionale Tiefe und Authentizität bestechen, gibt es in den späteren Abschnitten Passagen, die etwas langatmig wirken. Manche Themen wiederholen sich und hätten zugunsten eines strafferen Erzählflusses gekürzt werden können. Auch der Schreibstil wird stellenweise monoton, was den Lesefluss ein wenig hemmt. Doch diese kleineren Schwächen werden durch den inhaltlichen Mehrwert des Buches mehr als ausgeglichen. Bradys Erzählungen sind ehrlich, schonungslos und gehen unter die Haut – ein Buch, das noch lange nachwirkt, selbst nachdem man die letzte Seite umgeblättert hat.
Ein wichtiger Hinweis: Einige Szenen im Buch sind emotional extrem herausfordernd und könnten für manche Leser
belastend sein. Triggerwarnungen sollten daher unbedingt beachtet werden. Dennoch ist Strong Female Character eine unglaublich wichtige und beeindruckende Geschichte, die nicht nur die Autismus-Diagnose enttabuisiert, sondern auch Themen wie Geschlechterungleichheit und emotionale Gewalt in den Fokus rückt. Brady schafft es, ihre Erfahrungen so zu vermitteln, dass man nicht nur mitfühlt, sondern auch zum Nachdenken angeregt wird.
Mit einer Bewertung von 4,5 von 5 Sternen gehört dieses Buch definitiv zu den Highlights meiner Lektüre. Es ist ein Werk, das ich allen empfehlen kann, die sich mit den Themen Autismus, Feminismus und persönlicher Selbstfindung beschäftigen möchten. Ein großes Dankeschön geht an die Lesejury für das Rezensionsexemplar und die inspirierende Leserunde, die mich dazu motiviert hat, dieses Buch zu lesen und zu reflektieren.