Ein modernes »Northanger Abbey«
Die schottische Thrillerautorin Val McDermid hat sich mit »Northanger Abbey« auf ein ganz besonderes Experiment eingelassen und einen Liebesroman geschrieben. Das Genre ist schon ungewöhnlich genug, aber ...
Die schottische Thrillerautorin Val McDermid hat sich mit »Northanger Abbey« auf ein ganz besonderes Experiment eingelassen und einen Liebesroman geschrieben. Das Genre ist schon ungewöhnlich genug, aber noch ungewöhnlicher ist die Tatsache, dass sie einen bestehenden Roman der großen Schriftstellerin Jane Austen in die heute Zeit transformiert hat. Sie hat sich »Northanger Abbey« vorgenommen und neu geschrieben. Dabei aber das 19. Jh. gegen das 21. Jh. ausgetauscht. Herausgekommen ist ein sehr frisch wirkender jugendlicher Liebesroman, der immer noch genügend Auskunft über das gesellschaftliche gebaren der britischen Bevölkerungsschichten gibt. Das Projekt ließe sich auch als „Val McDermid feat. Jane Austen“ nicht besser beschreiben, um es mit heutigen Worten zu sagen.
Catherine Morland, genannt Cat, 17 Jahre, Tochter eines Pfarrers in Dorset, jüngere Schwester von James, lebt in ihrer kleinen, liebevollen Familie. Sie ist das, was heute als Bücherjunkie bezeichnet wird. Sie verschlingt Bücher und lebt auch in ihren Tagträumen in den Geschichten, die sie liest. Vorrangig sind das momentan Vampirromane. Ihre Tagträume lassen die reale Welt mit der virtuellen Welt verschmelzen.
Eines Tages wird sie von den Nachbarn, einem freundlichen kinderlosen Ehepaar namens Allen, zu einem Buchfestival nach Edinburgh eingeladen. Mr Allen fährt seit vielen Jahren jedes Jahr teils geschäftlich dort hin. Dieses Jahr fährt seine Gattin mit und denkt mit der Nachbarstochter Cat an eine nette Begleitung. Cat nimmt die Einladung natürlich an, schließlich kann das nur ein großes Abenteuer werden. Etwas anderes als ein Abenteuer erwartet sie eh nicht vom Leben. Genauso wie in den Geschichten.
Cat gewinnt in Edinburgh neue Freunde, lernt neue Menschen kennen und besonders die Familie Tilney, denen das Anwesen Northanger Abbey gehört., welches etwas außerhalb Edinburghs liegt. Die Tilneys laden Cat dann ihrerseits nach Northanger Abbey ein. Dort muss sie in den alten Gemäuern mit verschlossenen Türen, Gängen und Treppen feststellen, dass irgendetwas mit dieser Familie nicht zu stimmen scheint. Der Tod deren Mutter vor wenigen Jahren erscheint ihr besonders mysteriös.
Val McDermid hat den Stoff von Jane Austen hervorragend umgesetzt und auch die deutsche Übersetzung hat das gängige moderne Vokabular, um der Geschichte einen frischen Anstrich zu geben. SMS, Facebook, Twitter gehören genauso dazu wie aktuelle Buch- und Musiktitel. Die weiblichen Figuren stehen voll im heutigen Leben und lassen nichts vom generösen Staub des 19. Jh., wie es zwangsläufig im Original erscheint, spüren. Gerne bin ich Cat gefolgt, wie sie ihren Weg ins Leben findet und zu dem Schluss gelangt, dass das reale Leben nicht das ihrer Romanhelden ist.
Eine hinreißende, moderne Liebesgeschichte nicht nur für Jugendliche.