»Ich muss oft daran denken, wie viel Liebe verloren geht, während schwule Kinder groß werden. Man beraubt uns der Möglichkeit, die Unschuld jugendlicher Verliebtheit zu erleben, weil man die ganze Zeit Angst hat und mit dem Stress beschäftigt ist, die Fassade aufrechtzuerhalten.« (S.272)
Obiefuna wächst im konservativen Nigeria der Neuzeit auf. Von klein an ist er anders, interessiert sich nicht wie die anderen Jungen für Fußball und Machtkämpfe, sondern tanzt lieber und entdeckt früh, dass er sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt. Er pflegt ein inniges Verhältnis zu seiner Mutter, welches ein jähes Ende findet, als der Vater ihn mit einem anderen Jungen erwischt. Er schickt ihn auf ein christliches Internat, wo „er wieder zu sich finden soll“.
Zwischen Religion und seinem Begehren fühlt sich Obiefuna hin und her gerissen, versucht sich anzupassen, tritt nicht für sich ein.
Während des Studiums scheint er sich endlich so zu akzeptieren, wie er ist. Während jedoch in Amerika die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt wird, stellt die nigerianische Regierung Homosexualität unter Strafe und sein Weltbild wird erneut in Frage gestellt.
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Chukwuebuka Ibeh ist ein tiefgründiges, detailiertes Portrait eines jungen Mannes gelungen, der auf der Suche nach Zugehörigkeit und Identität ist. Die innere Zerissenheit des Protagonisten Obienfuna ist quasi greifbar. Lange versucht er sich anzupassen, sich zu verleugnen und im Glauben Hilfe zu finden.
Seine Jugend ist geprägt von gegensätzlichen Erkenntnissen und Gewalt. Während er auf der einen Seite Erfahrungen mit anderen Jungen sammelt, wird ihm aus dem Elternhaus, dem Internat und auch aus dem Freundes- und Bekanntenkreis immer wieder suggeriert, dass sein Begehren falsch ist… dass er falsch ist. Die Unbeschwertheit, die das Erwachen seiner Sexualität mit sich bringt, wird ihm verwehrt. Er gibt vor jemand anderes zu sein, beteiligt sich sogar an „Vergeltungsaktionen“ gegenüber anderen homosexuellen jungen Männern, nur um nicht aufzufallen. Er lebt in der permanenten Angst „enttarnt“ zu werden.
Auch in späteren Jahren wird klar, dass es nicht leicht ist er selbst zu sein, vor allem unter dem Aspekt der gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten.
Für mich war es sehr erdrückend zu lesen, wie vor allem der Vater hier reagiert. Er versucht nicht mal auf seinen Sohn einzugehen, mit ihm zu sprechen und vielleicht ein bisschen zu verstehen, sondern akzeptiert nur seine vorgefertigte Meinung. Ab es aus Angst vor der Reaktion anderer ist oder wirklich seinen konservativen Einstellungen entspringt, lässt sich schwer sagen, ist aber auch absolut irrelevant. Anstatt sein Kind so zu akzeptieren, wie es ist, schickt er es weg… Die Mutter hingegen nimmt hier den Gegenpart ein, ist verständnisvoll und urteilt nicht, leider ist es Obienfuna selbst, der hier für die Entfremdung sorgt, weil er annimmt, dass sie die Meinung des Vaters teilt.
Ich denke der Roman ist ein gutes Abbild dessen, was es mit einem Kind macht, wenn es sich nicht akzeptiert fühlt, wie stark Selbstzweifel ausgebildet werden, wie einsam es sich fühlt und welche Auswirkungen dies auch auf das spätere Leben hat. Ibeh hat dies wahnsinnig einfühlsam beschrieben und ich kann euch dieses Debüt nur allen ans Herz legen.