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Veröffentlicht am 07.11.2024

»Nie stand der Menschheit das Tor zur Zukunft so weit auf wie heute.«

Herrliche Zeiten - Die Himmelsstürmer
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»Nie stand der Menschheit das Tor zur Zukunft so weit auf wie heute.«

Peter Prange entführt die Lesenden in diesem ersten Teil seiner Duologie mitten ins deutsche Kaiserreich.
Schon während des Prologs ...

»Nie stand der Menschheit das Tor zur Zukunft so weit auf wie heute.«

Peter Prange entführt die Lesenden in diesem ersten Teil seiner Duologie mitten ins deutsche Kaiserreich.
Schon während des Prologs – 1871 in Karlsbad – treffen die drei Protagonisten das erste Mal aufeinander.
Vicky Paxton-Stokes, eine englische Industriellen-Erbin, befindet sich auf dem Weg zum Frühstücksaal des Hotels, jedoch wird sie von einer lautstarken Auseinandersetzung aufgehalten, welche sie kurz darauf, um eine Eskalation zu vermeiden, unterbindet. Bei den zwei Streithähnen handelt es sich um Paul Biermann, einen Ingenieur aus Deutschland und um den französischen Koch Auguste Escoffier. Auf frischer Tat ertappt, bereuen beide ihren Zwist augenblicklich.

Schon auf diesen ersten Seiten bahnt sich eine große Liebesgeschichte an, welche den ganzen Roman sowie die Lebensläufe der drei Protagonisten überschattet. Dabei werden stets einzelne Figuren mit den gesellschaftlichen Problemen der Zeit konfrontiert. Insbesondere Paul Biermann, der für den Bau des Kurfürstendamms zuständig ist, aber sich zugleich, um seinem politischen Amt gerecht zu werden, mit dem stetig wechselnden Kurs der Kolonialpolitik unter Bismarck auseinandersetzen muss.
Der immer währende Kampf zwischen Fortschritt und länderübergreifender Verständigung oder Stagnation und blühendem Patriotismus betrifft dagegen alle Länder gleichermaßen.
Pranges kurze Kapitel und die wechselnden Perspektiven, lassen die Lesenden an den zeitlichen Geschehnissen bis zur Jahrhundertwende 1900 in Großbritannien, Frankreich und Deutschland wahrhaftig teilhaben.
Obwohl dieser Roman großteils auf erfundenen Fiktionen beruht, werden einige reale Ereignisse und Persönlichkeiten geschildert. Darunter der Koch Auguste Escoffier, welcher später mit dem Schweizer Hotelier und Unternehmer César Ritz gemeinsame Sache macht und beide durch das Hotel Savoy in London oder das Ritz in Paris Weltruhm erlangen.

Ein Roman, in dem man sich regelrecht verliert. Schade nur, dass man nicht sogleich weiterlesen kann.

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Veröffentlicht am 25.10.2024

»[D]ie grausame Unmöglichkeit der hiesigen Situation frisst uns täglich ein bisschen Leben weg.«

Allianz der Heimatlosen
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»[D]ie grausame Unmöglichkeit der hiesigen Situation frisst uns täglich ein bisschen Leben weg.«

Erika Mann, Klaus Mann und Annemarie Schwarzenbach. Ein Trio mit vielen Gemeinsamkeiten und doch waren ...

»[D]ie grausame Unmöglichkeit der hiesigen Situation frisst uns täglich ein bisschen Leben weg.«

Erika Mann, Klaus Mann und Annemarie Schwarzenbach. Ein Trio mit vielen Gemeinsamkeiten und doch waren sie so verschieden.
Als die drei im Herbst 1930 aufeinandertrafen, war Annemarie sofort von den beiden Geschwistern fasziniert und verliebte sich augenblicklich in Erika. In den nächsten Jahren folgten unendlich viele bewundernde Briefe, mit dem Wunsch nach Erikas Anerkennung.

Alle drei schrieben beruflich, strebten einer erfolgreichen Karriere entgegen und engagierten sich gemäß ihrer antifaschistischen Haltung. Während sich Erika zu einer gefragte Schriftstellerin, Kabarettistin und Vortragsrednerin entwickelte, Klaus Herausgeber mehrerer Zeitungen und selbstverständlich Schriftsteller wurde, überholte beide der Ruhm und Annemarie blieb zurück. Zwar veröffentlichte sie einige Werke, aber weder ein beruflicher, noch privater Erfolg mochte sich bei ihr einstellen. Ebenfalls entwickelten alle drei eine große Liebe zu immer stärkeren Drogen, doch keiner fiel diesen, gleichfalls dem Alkohol, so gravierend zum Opfer wie Annemarie.
Zeitlebens hatte sie eine schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, welche – selbst eine gleichgeschlechtliche Affäre unterhaltend – die Homosexualität, Emanzipation und das politische Engagement ihrer Tochter verabscheute und selbst eng mit der „Schweizer Front“ verbunden war, welche einen Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland anstrebte.
Nach Annemaries frühen Tod, infolge eines Fahrradsturzes sowie schwerer Hirnschäden, sollte dieser Zwist – an Dreistigkeit kaum zu überbieten – jedoch seinen Höhepunkt erreichen. Gemäß ihrem Testament sollte ihr Nachlass, insbesondere die Briefe, Tagebücher und Manuskripte, ihrer Freundin Anita Forrer vermacht werden. Doch ihre Mutter Renée und Oma Clara Wille verbrennen zwei Kisten ihrer Korrespondenz, darunter die Briefe von Erika und Klaus Mann.

Was für eine turbulente Reise!

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Veröffentlicht am 25.10.2024

Eine große Empfehlung!

Mein Weg als Deutscher und Jude
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»Genau betrachtet war man Jude nur dem Namen nach und durch die Feindseligkeit, Fremdheit oder Ablehnung der christlichen Umwelt«

Wie verlief das Leben des Jakob Wassermann? Wie kam er überhaupt zum Schreiben? ...

»Genau betrachtet war man Jude nur dem Namen nach und durch die Feindseligkeit, Fremdheit oder Ablehnung der christlichen Umwelt«

Wie verlief das Leben des Jakob Wassermann? Wie kam er überhaupt zum Schreiben? Und welche Rolle nahm dabei sein Judentum ein?

Dieses autobiografische Buch erzählt eindrücklich vom Aufwachsen des gebürtigen Fürther Schriftstellers Jakob Wassermann und seiner oftmals erfolglose Suche nach einer Rolle in der Gesellschaft – als Jude unter nichtjüdischen Menschen. Gleichfalls schildert er seine ersten Schreibversuche. Dem vorangegangen waren Geschichten, welche er seinem um fünf Jahre jüngeren Bruder, vor dem Schlafengehen, erzählte. Daraufhin verspürte er bald den Drang, diese Geschichten schriftlich festzuhalten und als er gar den Wunsch äußerte Schriftsteller zu werden, waren erwidernde Reaktionen nur verhöhnender Spott. Mit nur fünfzehn Jahren hatte er bereits seinen ersten Roman geschrieben und dessen Anfang erschien kurz darauf, gedruckt in einer Zeitung.
Eigentlich sollte er eine Karriere als Kaufmann unter der Obhut seines Onkels anstreben, doch dies widersprach seinen Vorstellungen. Auch ein anschließendes Studium sowie der Militärdienst, bescherten ihm keine rechte Freude.
Wassermann sah sich im Zwiespalt gefangen. Wollte er Deutscher sein oder Jude? Beides gleichermaßen schien ihm, der Gesellschaft geschuldet, nicht miteinander vereinbar.
Dieser Zerissenheit folgend, entstanden seine wohl bekanntesten Romane „Die Juden von Zirndorf“ und „Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens“.
Mit diesem Buch wollte er einen Weckruf entsenden, der auf selbst durchlebten Erfahrungen beruht und Ungerechtigkeiten anprangert.

Mittlerweile muss man leider sagen, dass Wassermann, obwohl er einer der größten Erzähler seiner Zeit war, eher zu den vergessenen Autoren gehört. Liest man seine Werke oder allein dieses Buch, ist diese Tatsache nicht nachvollziehbar, denn er schreibt einfach großartig!

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Veröffentlicht am 25.10.2024

»Katia, manchmal denke ich, glücklich zu sein, das kommt für mich gar nicht infrage.«

Ein tadelloses Glück
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»Katia, manchmal denke ich, glücklich zu sein, das kommt für mich gar nicht infrage.«

Als Thomas Mann die acht Jahre jüngere Katia, Tochter des angesehenen Mathematikprofessors und Millionärs Alfred Pringsheim, ...

»Katia, manchmal denke ich, glücklich zu sein, das kommt für mich gar nicht infrage.«

Als Thomas Mann die acht Jahre jüngere Katia, Tochter des angesehenen Mathematikprofessors und Millionärs Alfred Pringsheim, zum ersten Mal sah, wusste er es bereits: diese oder keine! Doch Katias Interesse an den stürmischen Liebesbekundungen des aufstrebenden Schriftstellers hielt sich in Grenzen und selbstbewusst wie sie war, sagte sie ihm das, ganz ohne Umschweife. Und doch gab sie ihm, nach langem Zögern, ihr Ja als Ehefrau und lebenslange Unterstützung. Ohne sie wäre Thomas Mann nicht der geworden, als den wir ihn heute kennen.
Heinrich Breloer, der sich seit über vierzig Jahren mit den „Manns“ beschäftigt, schildert das Auf und Ab dieser Werbungsphase und versucht hinter die Fassade zu blicken. Dabei nähert er sich den portraitierten Figuren mit viel Fachwissen, lässt Tagebucheinträge und Briefe einfließen und ergänzt, um der Anschaulichkeit willen, fiktive Dialoge.

Dieses Buch definiert das Spiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit, welches nicht nur Thomas, sondern auch Heinrich, grandios inszenierte. So widmet sich der Autor ferner autobiografisch beeinflussten Werken, u.a. dem Roman „Königliche Hoheit“, welcher eben diese ersten Begegnungen bis zur Hochzeit literarisiert.

Bezogen auf Breloers Fernseh-Dreiteiler „Die Manns“, der sich mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigt, bildet dieses Buch eine passende Ergänzung. Schließlich beschäftigt es sich primär mit der Brautwerbungsphase, Thomas‘ ersten literarischen Erfolgen und den Umgang mit seinen homoerotischen Neigungen.
Dabei ermöglichen Breloers genaue, in die Tiefe gehenden Beschreibungen ein einzigartiges Portrait des späteren Nobelpreisträgers und dessen Frau Katia. Zusätzlich zeichnen diese das Leben zur damaligen Zeit, besonders die gesellschaftlichen Rollenverteilung von Mann und Frau, charakteristisch nach.

Breloers Buch läutet auf äußerst gelungene Weise den Auftakt einer Vielzahl an Neuerscheinungen zu Thomas Manns 150. Geburtstag im kommenden Jahr ein.

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Veröffentlicht am 23.10.2024

»In Palästina sind Unruhen, und die Welt zittert vor dem Untergang«

Im Schnellzug nach Haifa
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»In Palästina sind Unruhen, und die Welt zittert vor dem Untergang«

Nachdem bereits Tergits Ehemann Heinz, der Einladung seines Bruders folgend, nach Palästina geflohen war, zog nun auch sie selbst im ...

»In Palästina sind Unruhen, und die Welt zittert vor dem Untergang«

Nachdem bereits Tergits Ehemann Heinz, der Einladung seines Bruders folgend, nach Palästina geflohen war, zog nun auch sie selbst im November 1933 nach. Skeptisch trat sie diesem Land gegenüber und doch dauert es nicht lange, bis ihre Faszination sämtliche Zweifel ablöste. Aus dieser Begeisterung entstanden die in diesem Buch versammelten meist relativ kurzen Reportagen über jüdisches Leben in Palästina sowie aufgezeichnete Gespräche und kleinere, haarscharf beobachte Portraits. Tergit beleuchtet einzelne Schicksale, die sich schließlich zu einem Gesamtbild fügen, welches wiederum deutlich macht, wie vielfältig das Leben vor der Staatsgründung war und wie dieses sich abspielte. Hierbei erhalten die lesenden einzigartige Einblick in das Alltagsleben, Rituale, wie z.B. dem traditionellen Pessach-Fest oder der Arbeitsbewältigung, wie sie vor knapp neunzig Jahren üblich war.
Was sie schildert, ist eine Gesellschaft im Aufbruch, der ein hartes Schicksal bevorsteht, welches sich zu dieser Zeit bereits teils erahnen lässt.

Liest man die Texte gründlich, hört man immer wieder Tergits unterdrückte Wut und Verzweiflung über ihre unausweichliche Flucht. Gleichfalls ist die Unterdrückung aufgrund der jüdischen Religion in den Texten präsent, während diese auch offen Absurditäten der Religion(en), einhergehende Zwänge und Vorurteile aufzeigen und kritisch kommentieren.

„Im Schnellzug nach Haifa“ ist ein einzigartiges Zeitzeugnis, das glücklicherweise neu aufgelegt wurde und besonders in der jetzigen Zeit lesenswert ist. Tergits teils ironische Texte, bereiten selbst bei dieser Thematik eine gewisse Freude. Empfehlenswert ist es, die Texte einzeln und mit zeitlichem Abstand zu lesen. Abrundend bietet das Nachwort der Herausgeberin und Tergit-Expertin Nicole Henneberg eine gelungene Ergänzung und ordnet die Texte in das Werk von Gabriele Tergit ein.

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