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Veröffentlicht am 17.11.2019

Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Tintenwelt 1. Tintenherz
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"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. ...

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. Ich weiß noch sehr gut, dass ich meine Eltern laufend in den Wahnsinn getrieben habe, in dem ich als Kind etliche (vielleicht nicht ganz altersgemäße ^^) Fantasy Bücher verschlungen habe während andere meines Alters noch "Connie" oder "Die wilden Hühner" gelesen haben. Das erste Fantasybuch, das ich gelesen und das augenblicklich mein Schicksal als Bücherwurm und Fantasy-Nerd besiegelt hat, war "Tintenherz". Diese Geschichte war mein erster Ausflug in eine komplexe, kunterbunte Märchenwelt abseits von Kindergeschichten und ich habe mich sofort in dieses Gefühl des Weltenwanderns verliebt, sodass ich ziemlich viel mit dieser wunderschönen Geschichte verbinde. Als ich es vor kurzem endlich nochmal gelesen habe, hat sich meine Liebe nochmal verfestigt und ich kann es allen, die tatsächlich noch nie zu diesem Meisterwerk von Cornelia Funke gegriffen haben, nur wärmstens ans Herz legen.


Erster Satz: "Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen."


Schon von der ersten Seite an werden wir mitgerissen in ein magisches Abenteuer, dem schon bevor wir in die Tintenwelt eintreten einen Hauch von unendlichen Möglichkeiten und Mystik anhaftet. Wir lernen die junge Meggie kennen, die seit dem Verschwinden ihrer Mutter alleine mit ihrem büchervernarrten Vater Mo in einem alten Haus lebt. Als eines Nachts plötzlich ein unbekannter Mann namens Staubfinger auftaucht und Mo vor jemandem namens Capricorn warnt, kann sie noch nicht ahnen, dass das der Auftakt zum größten Abenteuer ihres Lebens ist. In einer Nacht und Nebel Aktion fliehen die drei zu ihrer Tante Elinor und Meggie muss herausfinden, dass ihr Vater allerlei Geheimnisse vor ihr verbirgt. Wieso hat er sich zum Beispiel immer geweigert, ihr vorzulesen? Und was ist mit Meggies Mutter wirklich geschehen, die vor vielen Jahren verschwand? Als ihr Vater entführt wird und Staubfinger von einer magischen Welt erzählt, deren Bewohner herausgelesen wurden, wird ein Albtraum lebendig und ein Buch erwacht zum Leben. Und Meggie wird zum Angelpunkt eines dunklen Kampfes zwischen Realität und allzu realer Fiktion...


"Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur wenige kaut man und verdaut sie ganz."


Wie auch schon in "Die unendliche Geschichte" verbinden sich hier Fantasiewelt und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin. Feen, Glasmänner, Kobolde oder geheimnisvolle Schatten - wir treffen auf allerlei Gestalten aus fremden Welten, die durch "Vorleser" ihren Weg in die Realität gefunden haben. Eine wundervolle Metapher für den Wert des Lesens allgemein, die durch jeweils ein passendes Zitat aus einem anderen Buch zu Beginn eines jeden Kapitels unterstrichen wird. Weiter angeregt wird unsere Fantasie auch durch passende Strichzeichnungen in den einzelnen Kapiteln. Die Autorin würdigt mit ihrer Geschichte Klassiker wie "Peter Pan", "Der Zauberer von Oz" oder "1001-Nacht" und betont durch das Auftauchen des Autors Fenoglio, der die Tintenwelt in seinem Buch "Tintenherz" mit allseinen Bewohnern erschaffen hat, das Schaffen aller Autoren hervor und schreibt somit eine Hommage an das Lesen und Schreiben von Fantasy allgemein.


"Man kann einen Schriftsteller als dreierlei ansehen: als Geschichtenerzähler, als Lehrer oder als Magier... aber das Übergewicht hat der Magier, der Zauberer."


Neben ihrer detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Tintenwelt, in die wir vor allem in den folgenden beiden Bänden "Tintenwelt" und "Tintentod" entführt werden, sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Neben der tapferen Meggie, die durch ihre Liebe zu Büchern, ihrem großen Herz und ihrem Mut eine wunderbare Identifikationsperson für den jungen, abenteuerlustigen Leser darstellt, stehen vor allem ihr Vater Mo und der geheimnisvolle Staubfinger im Mittelpunkt des ersten Teils. Vor allem letzterer hat es mir angetan da er, von dem unbändigen Wunsch getrieben, endlich heimkehren zu können, gerne auch mal richtig und falsch verwechselt und man so nie genau weiß, was er als nächstes tun wird. Insbesondere in den folgenden Bänden erscheint er immer mehr als tragischer Held, den man in seiner Ambivalenz und Tiefe einfach lieben muss! Die vielen Einzelpersonen, die aus ihren Welten herausgelesen werden wie zum Beispiel Farid, der unschuldige Besucher aus "1001-Nacht", oder die zarte Tinker Bell aus "Peter Pan" fügen sich wunderbar ins Spektrum der Protagonisten mit ein, genau wie die vielen toll gestalteten Romanfiguren, die wir in den folgenden Bänden kennenlernen. Auch wenn die fantasievoll gewählten Namen wie "Zauberzunge", "Staubfinger", "Capricorn", "Basta", "Speckfürst", "Wolkentänzer", "Rußvogel" oder "Natternkopf" erstmal verwirrend erscheinen, passen sie doch gut in diese verrückte und doch schöne Welt.


"Wenn du ein Buch auf eine Reise mitnimmst", hatte Mo gesagt, als er ihr das erste in die Kiste gelegt hatte, "dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst du wieder dort sein, wo du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Wörtern wird alles zurückkommen: die Bilder, die Gerüche, das Eis, das du beim Lesen gegessen hast... Glaub mir, Bücher sind wie Fliegenpapier. An nichts haften Erinnerungen so gut wie an bedruckten Seiten."
"Vermutlich hatte er damit Recht. Doch Meggie nahm ihre Bücher noch aus einem anderen Grund auf jede Reise mit. Sie waren ihr Zuhause in der Fremde -vertraute Stimmen, Freunde, die sich nie mit ihr stritten, kluge, mächtige Freunde, verwegen und mit allen Wassern der Welt gewaschen, weit gereist, abenteuererprobt. Ihre Bücher munterten sie auf, wenn sie traurig war, und vertrieben ihr die Langeweile."


Die Autorin hat ein gutes Händchen dafür, die richtige Mischung aus wunderschön und unheimlich zu finden, sodass es Kinder aber auch Erwachsene beim Lesen angenehm gruselt. Die düstere, zum Teil gefährliche Tintenwelt übt auf junge wie alte Leser eine unheimliche Faszination aus und durch peppige Ideen, wird es nie langweilig, egal was auch passiert. Zwischen den Zeilen geht es hier um Fantasie, die Flucht vor der Realität und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, seine Heimat zu finden und verlorene Lieben wieder zutreffen. So begleitet uns auch in schwierigen Situationen immer das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, sodass sich das Buch vor allem in der kalten Jahreszeit gut lesen lässt. Im Laufe der Trilogie wird Meggie älter und gewinnt allerlei Erfahrungen dazu, sodass sich auch die Themen und der Erzählton ein wenig verändern. Es geht plötzlich auch um Liebe, die Kämpfe werden blutiger und die Erzählweise erwachsener. Nichtdestotrotz bleibt es eine anrührende, mitreißende Geschichte über das Lesen und die Wichtigkeit von Fantasie im öden Alltag, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.


"Nichts verscheuchte böse Träume schneller als das Rascheln von bedrucktem Papier."



Fazit:


In dieser anrührenden, mitreißenden Geschichte verbinden sich Fantasie und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin.
Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Veröffentlicht am 09.11.2024

Ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität

WANT
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In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen ...

In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen Welt und knüpft damit an Nancy Fridays "My Secret Garden" (1973) an, um zu beleuchten, was sich seit diesem epochalen Werk in der weiblichen Sexualität verändert hat – und was nicht.

Die eingesendeten Berichte stammen von Frauen verschiedenen Alters mit den unterschiedlichsten ethnischen, sozioökonomischen, kulturellen und religiösen Hintergründen, aus verschiedenen Lebensphasen und -formen, in unterschiedlichsten Partnerschaften mit und ohne Kinder. Man erkennt sofort, dass sich große Mühe gegeben wurde, die gesamte Bandbreite an weiblich gelesenen Personen abzudecken und kann nicht umhin, den Mut der Frauen zu bewundern, die auf Andersons Aufruf reagiert haben. Die Briefe selbst bieten intime Einblicke in das Innenleben der Frauen, insbesondere dort, wo reflektiert wird, warum bestimmte Fantasien bestehen und wie die Autorinnen selbst dazu stehen. Besonders spannend waren zum Beispiel auch die zahlreichen Perspektiven von queeren Menschen in homophoben Ländern oder behinderten Frauen, die im Alltag oft infantilisiert werden.

Naturgemäß sind die einzelnen Berichte in unterschiedlichem Stil, Umfang und literarischer Qualität verfasst. Während manche Frauen seitenweise in die Tiefe gehen, ausführliche Szenarien bildhaft beschreiben, konzentrieren sich manche Beiträge auf die Gefühlsebene und wieder andere Autorinnen beschränken sich auf wenige Sätze. Doch das spielt im Endeffekt keine Rolle, denn statt um literarische Qualität geht es hier vielmehr um die authentische und unzensierte Darstellung weiblicher Sehnsüchte, die sowohl Fantasie als auch Realität beleuchten und in ihrer Direktheit erfrischend enttabuisierend wirken.

Um die Lesbarkeit der einzelnen Einsendungen zu verbessern, hat die Editorin die Briefe in grobe Kategorien eingeteilt, die sie jeweils mit mal persönlichen, mal allgemeinen hinführenden Bemerkungen und nicht selten mit Triggerwarnungen einleitet. Obwohl die Intros bewusst kurz gehalten sind, um die Beiträge für sich sprechen zu lassen, hätte ich es an dieser Stelle interessant gefunden, weitere Informationen zur Psychologie der Fantasien mit einzubinden und das Buch somit von einer reinen Sammlung zu einem richtigen Sachbuch zu erheben. Denn so setzt trotz der Vielfalt der Beiträge irgendwann auf den 400 Seiten eine gewisse Sättigung ein. Ich verstehe, dass die Autorin möglichst viele Briefe aufgreifen wollte und sich damit schwer tat, auszuwählen welche Fantasien nun einen Mehrwert für die LeserInnen haben und welche nicht (denn kann man das überhaupt pauschal entscheiden??). Fest steht allerdings, dass 100 Seiten weniger mit einer gezielteren Auswahl der Beiträge auch ausgereicht hätten.

Dennoch bietet "Want" eine umfangreiche und lesenswerte Sammlung, die neben den Fantasien Themen wie Intimität, Lust, Ängste, Verwundbarkeit, Unsicherheit, Liebe und Selbstermächtigung erforscht. In ihrem Vorwort betont Anderson das Ziel, Scham rund um Sexualität abzubauen und Frauen eine Stimme zu geben. Das ist ihr in "Want" ganz wunderbar gelungen – das Lesen hat etwas sehr Befreiendes und schafft ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität. Zum Abschluss der Rezension allerdings noch der kurze Tipp, dieses Buch (und besonders nicht das Hörbuch) in der Öffentlichkeit zu lesen, wenn man kein besonders gutes Poker-Face hat! 😂

"In unserer Gesellschaft werden Frauen oft in Schubladen gesteckt und auf bestimmte Identitäten und Rollen reduziert - die verführerische Sexpartnerin, die liebevolle Mutter, die smarte Karrierefrau -, aber die hier versammelten Fantasien belegen, dass keine Frau nur eine einzige Identität besitzt."


Fazit


"Want" ist eine erfrischend enttabuisierende Lektüre, die durch ihre Authentizität fesselt und eine befreiende Offenheit über weibliche Sexualität vermittelt.

Veröffentlicht am 09.11.2024

Ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität

WANT
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In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen ...

In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen Welt und knüpft damit an Nancy Fridays "My Secret Garden" (1973) an, um zu beleuchten, was sich seit diesem epochalen Werk in der weiblichen Sexualität verändert hat – und was nicht.

Die eingesendeten Berichte stammen von Frauen verschiedenen Alters mit den unterschiedlichsten ethnischen, sozioökonomischen, kulturellen und religiösen Hintergründen, aus verschiedenen Lebensphasen und -formen, in unterschiedlichsten Partnerschaften mit und ohne Kinder. Man erkennt sofort, dass sich große Mühe gegeben wurde, die gesamte Bandbreite an weiblich gelesenen Personen abzudecken und kann nicht umhin, den Mut der Frauen zu bewundern, die auf Andersons Aufruf reagiert haben. Die Briefe selbst bieten intime Einblicke in das Innenleben der Frauen, insbesondere dort, wo reflektiert wird, warum bestimmte Fantasien bestehen und wie die Autorinnen selbst dazu stehen. Besonders spannend waren zum Beispiel auch die zahlreichen Perspektiven von queeren Menschen in homophoben Ländern oder behinderten Frauen, die im Alltag oft infantilisiert werden.

Naturgemäß sind die einzelnen Berichte in unterschiedlichem Stil, Umfang und literarischer Qualität verfasst. Während manche Frauen seitenweise in die Tiefe gehen, ausführliche Szenarien bildhaft beschreiben, konzentrieren sich manche Beiträge auf die Gefühlsebene und wieder andere Autorinnen beschränken sich auf wenige Sätze. Doch das spielt im Endeffekt keine Rolle, denn statt um literarische Qualität geht es hier vielmehr um die authentische und unzensierte Darstellung weiblicher Sehnsüchte, die sowohl Fantasie als auch Realität beleuchten und in ihrer Direktheit erfrischend enttabuisierend wirken.

Um die Lesbarkeit der einzelnen Einsendungen zu verbessern, hat die Editorin die Briefe in grobe Kategorien eingeteilt, die sie jeweils mit mal persönlichen, mal allgemeinen hinführenden Bemerkungen und nicht selten mit Triggerwarnungen einleitet. Obwohl die Intros bewusst kurz gehalten sind, um die Beiträge für sich sprechen zu lassen, hätte ich es an dieser Stelle interessant gefunden, weitere Informationen zur Psychologie der Fantasien mit einzubinden und das Buch somit von einer reinen Sammlung zu einem richtigen Sachbuch zu erheben. Denn so setzt trotz der Vielfalt der Beiträge irgendwann auf den 400 Seiten eine gewisse Sättigung ein. Ich verstehe, dass die Autorin möglichst viele Briefe aufgreifen wollte und sich damit schwer tat, auszuwählen welche Fantasien nun einen Mehrwert für die LeserInnen haben und welche nicht (denn kann man das überhaupt pauschal entscheiden??). Fest steht allerdings, dass 100 Seiten weniger mit einer gezielteren Auswahl der Beiträge auch ausgereicht hätten.

Dennoch bietet "Want" eine umfangreiche und lesenswerte Sammlung, die neben den Fantasien Themen wie Intimität, Lust, Ängste, Verwundbarkeit, Unsicherheit, Liebe und Selbstermächtigung erforscht. In ihrem Vorwort betont Anderson das Ziel, Scham rund um Sexualität abzubauen und Frauen eine Stimme zu geben. Das ist ihr in "Want" ganz wunderbar gelungen – das Lesen hat etwas sehr Befreiendes und schafft ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität. Zum Abschluss der Rezension allerdings noch der kurze Tipp, dieses Buch (und besonders nicht das Hörbuch) in der Öffentlichkeit zu lesen, wenn man kein besonders gutes Poker-Face hat! 😂

"In unserer Gesellschaft werden Frauen oft in Schubladen gesteckt und auf bestimmte Identitäten und Rollen reduziert - die verführerische Sexpartnerin, die liebevolle Mutter, die smarte Karrierefrau -, aber die hier versammelten Fantasien belegen, dass keine Frau nur eine einzige Identität besitzt."


Fazit


"Want" ist eine erfrischend enttabuisierende Lektüre, die durch ihre Authentizität fesselt und eine befreiende Offenheit über weibliche Sexualität vermittelt.

Veröffentlicht am 09.11.2024

Ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität

WANT
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In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen ...

In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen Welt und knüpft damit an Nancy Fridays "My Secret Garden" (1973) an, um zu beleuchten, was sich seit diesem epochalen Werk in der weiblichen Sexualität verändert hat – und was nicht.

Die eingesendeten Berichte stammen von Frauen verschiedenen Alters mit den unterschiedlichsten ethnischen, sozioökonomischen, kulturellen und religiösen Hintergründen, aus verschiedenen Lebensphasen und -formen, in unterschiedlichsten Partnerschaften mit und ohne Kinder. Man erkennt sofort, dass sich große Mühe gegeben wurde, die gesamte Bandbreite an weiblich gelesenen Personen abzudecken und kann nicht umhin, den Mut der Frauen zu bewundern, die auf Andersons Aufruf reagiert haben. Die Briefe selbst bieten intime Einblicke in das Innenleben der Frauen, insbesondere dort, wo reflektiert wird, warum bestimmte Fantasien bestehen und wie die Autorinnen selbst dazu stehen. Besonders spannend waren zum Beispiel auch die zahlreichen Perspektiven von queeren Menschen in homophoben Ländern oder behinderten Frauen, die im Alltag oft infantilisiert werden.

Naturgemäß sind die einzelnen Berichte in unterschiedlichem Stil, Umfang und literarischer Qualität verfasst. Während manche Frauen seitenweise in die Tiefe gehen, ausführliche Szenarien bildhaft beschreiben, konzentrieren sich manche Beiträge auf die Gefühlsebene und wieder andere Autorinnen beschränken sich auf wenige Sätze. Doch das spielt im Endeffekt keine Rolle, denn statt um literarische Qualität geht es hier vielmehr um die authentische und unzensierte Darstellung weiblicher Sehnsüchte, die sowohl Fantasie als auch Realität beleuchten und in ihrer Direktheit erfrischend enttabuisierend wirken.

Um die Lesbarkeit der einzelnen Einsendungen zu verbessern, hat die Editorin die Briefe in grobe Kategorien eingeteilt, die sie jeweils mit mal persönlichen, mal allgemeinen hinführenden Bemerkungen und nicht selten mit Triggerwarnungen einleitet. Obwohl die Intros bewusst kurz gehalten sind, um die Beiträge für sich sprechen zu lassen, hätte ich es an dieser Stelle interessant gefunden, weitere Informationen zur Psychologie der Fantasien mit einzubinden und das Buch somit von einer reinen Sammlung zu einem richtigen Sachbuch zu erheben. Denn so setzt trotz der Vielfalt der Beiträge irgendwann auf den 400 Seiten eine gewisse Sättigung ein. Ich verstehe, dass die Autorin möglichst viele Briefe aufgreifen wollte und sich damit schwer tat, auszuwählen welche Fantasien nun einen Mehrwert für die LeserInnen haben und welche nicht (denn kann man das überhaupt pauschal entscheiden??). Fest steht allerdings, dass 100 Seiten weniger mit einer gezielteren Auswahl der Beiträge auch ausgereicht hätten.

Dennoch bietet "Want" eine umfangreiche und lesenswerte Sammlung, die neben den Fantasien Themen wie Intimität, Lust, Ängste, Verwundbarkeit, Unsicherheit, Liebe und Selbstermächtigung erforscht. In ihrem Vorwort betont Anderson das Ziel, Scham rund um Sexualität abzubauen und Frauen eine Stimme zu geben. Das ist ihr in "Want" ganz wunderbar gelungen – das Lesen hat etwas sehr Befreiendes und schafft ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität. Zum Abschluss der Rezension allerdings noch der kurze Tipp, dieses Buch (und besonders nicht das Hörbuch) in der Öffentlichkeit zu lesen, wenn man kein besonders gutes Poker-Face hat! 😂

"In unserer Gesellschaft werden Frauen oft in Schubladen gesteckt und auf bestimmte Identitäten und Rollen reduziert - die verführerische Sexpartnerin, die liebevolle Mutter, die smarte Karrierefrau -, aber die hier versammelten Fantasien belegen, dass keine Frau nur eine einzige Identität besitzt."


Fazit


"Want" ist eine erfrischend enttabuisierende Lektüre, die durch ihre Authentizität fesselt und eine befreiende Offenheit über weibliche Sexualität vermittelt.

Veröffentlicht am 09.11.2024

Ein kurzweiliges, humorvoll-groteskes Abenteuer!

Der Bücherdrache
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Um meinen ausgedehnten Streifzug durch das Zamonien-Universum fortsetzen, habe ich mich als achtes Buch von Walter Moers seiner Novelle "Der Bücherdrache" gewidmet. Seitdem ich im Frühjahr 2024 mit "Prinzessin ...

Um meinen ausgedehnten Streifzug durch das Zamonien-Universum fortsetzen, habe ich mich als achtes Buch von Walter Moers seiner Novelle "Der Bücherdrache" gewidmet. Seitdem ich im Frühjahr 2024 mit "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" ins Zamonien-Universum eingestiegen bin, habe ich großen Spaß mit all seinen großen und kleinen Werken, wie man meiner wachsenden Sammlung an (begeisterten) Rezensionen entnehmen kann. Auch wenn "Der Bücherdrache" mit knappen 200 Seiten eher ein Appetithappen ist, der es an Komplexität nicht mit seinen ausgewachsenen Romanen aufnehmen kann, hatte auch diese Geschichte wieder den gewohnten Moers´schen Charme, grotesken Humor und darüber hinaus originelle Spannungsmomente zu bieten!

"Ohne die Bücher wäre es gar nicht auszuhalten. Lektüre: das einzig wahre Schmerzmittel, um das Leben zu ertragen, nicht wahr?"

Bevor ich schildere, was sich der Autor für dieses Büchlein ausgedacht hat, wie immer ein paar kurze Worte des Lobes zur Gestaltung. Das Cover von "Der Bücherdrache" zeigt im Großformat ein ein schuppiger Kopf, der bei genauem Hinsehen aus gemusterten braunen Büchern besteht und aus dem zwei geschlitzte Augen hervorblitzen. Davor ist ein kleiner grüner Buchling zu sehen, der etwas verloren auf einem Bücherberg steht. Mit dem großflächig gemusterten Hintergrund und dem großen gelben Titel ist es mal wieder ein typisches Zamonien-Cover, das wunderbar zu den Gestaltungen der anderen Romane passt. Hervorheben möchte ich auch wieder die Gestaltung Inneren des Buches, die wieder zahlreiche Illustrationen der Umgebung, der Flora und Fauna sowie der handelnden Figuren beinhaltet. Besonders toll sind die illustrierten Initialen der einzelnen Kapitel, sowie die Illustration des Bücherdrachens, die sich über gleich mehrere Seiten erstreckt.

"In bösen, dunklen, kalten Tümpeln
Wo alte Bücher Orm gebären
Die tief in toten Sümpfen dümpeln
Wo Bücherwürmer sich vermehren
Wo alle Fragen Antwort finden
Doch niemand seine Frage kennt
Dort soll sich jener Dämon winden
Den man den Bücherdrachen nennt“
— Ojahnn Golgo van Fontheweg

Soweit so bekannt. Was hier neu ist, sind die in die Handlung integrierten Comic-Seiten, die als erzählerisches Mittel genutzt werden, um in ein Traumgespräch zwischen unserem bekannten Zamonien-Autor Hildegunst von Mythemetz und einem Buchling Hildegunst Zwei hinein und hinaus zu leiten (Letzterer ist deswegen nach dem Lindwurm benannt, da Hildegunst Zwei sämtliche Werke von Mythenmetz auswendig aufsagen kann). Denn anders als seine anderen Geschichten spielt sich die Handlung ausschließlich auf einer Metaebene im Traum ab und es bleibt bis zum Ende offen, ob es sich um ein Produkt von Hildegunsts Fantasie oder eine tatsächliche Erzählung handelt. Doch diese Unsicherheit wird eigentlich schon im Comic durch Hildegunst für nichtig erklärt:

"Alles was wir seh´n und schau´n,
ist nur ein Traum in einem Traum.
Das schreibt Perla La Gadeon in einem seiner Gedichte.
Tja. Was ist der Unterschied zwischen einer Geschichte und einem Traum?
Beides sind nur Hirngespinste, oder?"


Egal ob Traum oder nicht - wir besuchen hier auf 192 Seiten zusammen mit dem Buchling Hildegunst Zwei die Katakomben von Buchhain und erleben ein kompakt erzähltes wie originelles Abenteuer. Zwar lebt das Buch vor allem von Dialogen zwischen den beiden Hildegunsts sowie dem Buchling und dem Bücherdrachen, dennoch passiert auf den wenigen Seiten wirklich einiges. Ausgehend von der Ledernen Grotte wandern wir durch den Kristallgarten an Insekten vorbei bis zum Ormsumpf voller Treibsandbücher, Bücherwürmer und lebender Bücher, in dem auch der Bücherdrache Nathaviel - oder je nach Legende auch Elivathan, Levanthia, Thanaviel oder Ilathevan, haust. Was als Mutprobe des jungen Buchlings beginnt, wird schnell zu einem spannenden Abenteuer, bei dem es um Leben oder Tod geht. Denn der Bücherdrache mag zwar allwissend sein, aber er ist auch riesig, gelangweilt und ziemlich hungrig...

"Wer einmal gelernt hat, in der Melancholie zu Hause zu sein, der kann es selbst in der schlechtesten aller Welten aushalten. Gute Lektüre, schwarzen Humor und gesunde, gut abgehangene Melancholie, mehr braucht man eigentlich nicht. (...) Humor ist wichtig! Es gibt eine feine Grenzlinie zwischen Schwermut und Verzweiflung. Diese Grenze, dieser hauchdünne Schutzwall, der ins vor dem Sturz ins Bodenlose, ins schreckliche Nichts bewahrt: Das ist der Humor. Und je schwärzer dieser Humor ist, desto besser funktioniert er."


Da es sich nicht um einen vollwertigen Roman, sondern eher um den Umfang einer Novelle handelt, schreitet die Handlung dabei eher geradlinig und simpel voran und gerade als es beginnt, besonders spannend zu werden, ist sie schon wieder vorbei. Als anregender Appetithappen, der die Katakomben von Buchhain zum Leben erweckt und Lust auf mehr macht, ist das Büchlein aber sehr empfehlenswert. Generell wird die faszinierende unterirdische Welt von Buchhain hier nur grob angeschnitten, sodass ich nun sehr gespannt bin auf die anderen Buchhain-Bücher allen voran "Die Stadt der träumenden Bücher". Besonders die Buchlinge haben es mir angetan, denn neben Hildegunst Zwei bringen auch der Club der "Ormlinge" bestehend aus Estrakos, Arkaneon, Eliastrotes, Eideprius, Steraphasion und Klosophes (viel Spaß beim Enträtseln der in den Namen versteckten Philosophen...) viel frischen Wind in die Geschichte.

"Wer will das schon? Nur Schriftsteller. Nur Dichter. Außer denen unterhalten sich nur Kinder und Geisteskranke in Gedanken mit Figuren, die sie sich selber ausgedacht haben. Genau das ist es, was Dichter eigentlich tun: Sie drehen durch, ganz langsam und systematisch. Satz für Satz, Seite für Seite, Kapitel für Kapitel, Buch für Buch, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Bis sie endlich aus Papier und Buchstaben ihre ganz eigene Irrenanstalt gebaut haben, in der sie alleine hausen dürfen. Wer will denn so was? Nur Bekloppte! Ich jedenfalls nicht!"

Apropos enträtseln... Fans von Wortspielen (Stichwort: "Ojahnn Golgo van Fontheweg" oder "Perla La Gadeon"), Anspielungen auf Klassikern der Literaturgeschichte und intertextuellen Köstlichkeiten, die Moers´ klassischen Humor ausmachen, werden hier wieder voll auf ihre Kosten kommen. Denn was würde sich besser eignen, um sich über Bücher, Schriftstellerei, Dichtkunst und Inspiration auszulassen als eine Geschichte über einen aus Bücher bestehenden Drachen...?


Fazit


"Der Bücherdrache" ist ein kurzweiliges, humorvoll-groteskes Abenteuer, das mit gewohntem Moers'schen Witz und viel Liebe zum Detail die Katakomben von Buchhain lebendig werden lässt und Lust auf weitere Zamonien-Abenteuer macht.