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Veröffentlicht am 03.08.2017

Eine überzeugend realistische und berührende Robinson-Crusoe-Geschichte

Der Marsianer
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Allgemeines:

Titel: Der Marsianer - Rettet Mark Watney
Autor: Andy Weir
Verlag: Heyne Verlag (14. September 2015)
Genre: Science-Fiction
ISBN-10: 3453316916
ISBN-13: 978-3453316911
Originaltitel: The ...

Allgemeines:

Titel: Der Marsianer - Rettet Mark Watney
Autor: Andy Weir
Verlag: Heyne Verlag (14. September 2015)
Genre: Science-Fiction
ISBN-10: 3453316916
ISBN-13: 978-3453316911
Originaltitel: The Martian
Seitenzahl: 512 Seiten
Preis: 3,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
11,49€ (Audio-CD)



Inhalt:

Gestrandet auf dem Mars
Bei einer Expedition auf dem Mars gerät der Astronaut Mark Watney in einen Sandsturm und wird bewusstlos. Als er aus seiner Ohnmacht erwacht, ist er allein. Auf dem Mars. Ohne Nahrung. Ohne Ausrüstung. Und ohne Crew, denn die ist bereits auf dem Weg zurück zur Erde. Für Mark Watney beginnt ein spektakulärer Überlebenskampf …


Bewertung:

„Ich werde sogar meinen Urin elektrolytisch aufspalten … Wenn ich das hier überlebe, werde ich den Leuten erzählen, dass ich Raketentreibstoff gepinkelt habe.“

Man muss es einfach sagen: an diesem Buch kommt man als Science-Fiction-Liebhaber und aufmerksamer Verfolger von Trends kaum vorbei. "Der Marsianer" hat zuerst als Roman und dann als Film die Herzen und Regale der Welt erobert. Als ich das Buch dann in einem Kaufhaus reduziert entdeckt habe, musste ich es einfach kaufen und mir selbst eine Meinung zu der Geschichte machen. Als ich etwa in der Hälfte des Buches war, habe ich mir gleich noch den Film besorgt, das sagt als Fazit ja schon mal recht viel aus

Doch wie immer das Cover zuerst: Eigentlich hasse ich großgedruckte Gesichter auf Cover, doch hier passt es wirklich unwahrscheinlich gut. Das Gesicht im EVA-Anzug hat so einen ganz bestimmten Gesichtsausdruck, der sich perfekt mit den Hauptemotionen Mark Watneys deckt: ernst, konzentriert, aber auch ein wenig herausfordernd. Ein schöner Effekt, der das ganze Abrundet ist die Spiegelung der Marsoberfläche im Visier des Helmes. Auch der Titel passt natürlich haargenau. Deshalb zur Gestaltung einen großen Daumen nach oben! Ich finde nur, auf dem Cover steht ein wenig zu viel drauf, die ganzen Aufschriften mit Titel, Untertitel, Genre, Autor, Verlag und zwei Vermarktungssprüchen sind für meinen Geschmack ein wenig zu viel. Auch dass auf meinem Exemplar noch zwei Aufkleber waren, einer mit "Jetzt im Kino", der anderen mit "Der New York Times- Bestseller", fand ich etwas Zuviel des Guten. Aber das nur am Rande.

Der Marsianer - der exzentrische aber liebenswerte Botaniker mit den durchgeknallten Ideen, der auf dem Mars vergessen wird. Die perfekte Grundlage für eine packende Heldengeschichte. Und das ist Mark Watney definitiv - ein Held.
Doch beginnen wir doch am Anfang.


Erste Sätze: "Ich bin so was von im Arsch.
Das ist meine wohlüberlegte Meinung.
Im Arsch."


Mark Watney bleibt nach einem Unfall, bei dem die Crewmitglieder ihn für tot hielten, alleine auf dem Mars zurück. Als er aufwacht und bemerkt, dass alle weg sind und ihn zurückgelassen haben, beschließt er, zu überleben und den Planeten zu besiegen. Eigentlich ein hoffnungsloses Unterfangen, doch er käme nie auf die Idee zu verzagen, beginnt sofort sämtliche Lösungsansätze abzuwägen und berechnet wie lange er mit den Nahrungs- sowie Wasservorräten durchhalten würde, denn in 4 Jahren ist in 3200km Entfernung die nächste Ares Mission geplant, die ihn retten könnte. Genau hier setzt die Geschichte an. Er ist nicht tot. Und doch ist er, wie er es so treffend auf der ersten Seite formuliert: „im Arsch“, denn wie soll er es in den 3200km entfernten Schiaparelli-Krater schaffen und 4 Jahre mit der Ausrüstung überleben, die für 30 Tage hätte reichen sollen? Jetzt heißt es durchhalten, doch was macht man 4 Jahre in einer kleinen Wohnkuppel in feindlicher Atmosphäre, ... so ganz alleine...?


"Mein heutiger Tag begann mit einer Kartoffel, die ich mit etwas Marskaffee hinuntergespült habe. So nenne ich heißes Wasser mit einer aufgelösten Koffeinpille. Der echte Kaffee ist mir schon vor Monaten ausgegangen."

...Abwarten und Kaffee trinken? Nein! So alleine in der lebensfeindlichen Umgebung der Mars gibt es viel zu tun. Das Buch erzählt in fast täglichen Logbucheinträgen Watneys, mit welchen Problemen er zu kämpfen hat und wie er sie lösen will. So wird es dem Leser Schritt für Schritt ermöglicht in die Materie einzutauchen und mit Mark an Lösungen zu "basteln". Und so beginnt Andy Weirs Robinson Crusoe Version für gestrandete Astronauten: Ob es nun um eine explodierte Luftschleuse, um Wassermangel, die Langweiligkeit von Disco-Musik oder um die Einsamkeit geht - Mark verzagt nie und findet immer eine Lösung. Das ist wohl vorrangig das beeindruckende an diesem Roman: das unerschöpflich positive und konstruktive Denken Mark Watneys, ohne welches er niemals alleine überlebt hätte. Man merkt im deutlich an, dass ihm die Einsamkeit zu schaffen macht, lenkt sich jedoch erfolgreich selbst von der Tatsache ab, dass nur ein hochtechnisiertes Zelt und ein Haufen Kartoffeln ihn vom Tod trennt. Man könnte meinen, nur auf ihn zu blicken würde irgendwann langweilig werden, er ist jedoch so erfrischend, geerdet (haha, versteht ihr den Wortwitz ) und lebendig gezeichnet, dass man sich gut mit ihm identifizieren kann und gut unterhalten wird. Immer wieder hat er mich verblüfft mit durchgeknallten Ideen und die gedrückte Atmosphäre immer wieder gekonnt durch Witz und Sarkasmus aufgelockert. Es scheint, als wollte er sich selbst ab und zu etwas aufheitern, versuchen über die abstruse Situation zu lachen, um nicht durchzudrehen, gleichzeitig auch dem Leser seines Logbuches keine deprimierende Überlebensgeschichte liefern. Das hat er geschafft, der liebe Mark, ich habe mehrmals herzlich gelacht! So ist die Geschichte erstaunlich wenig düster, für eine Story, in der jemand einsam auf einem anderen Planeten versucht nicht zu sterben...


"Ich bin auf dem Mars gestrandet und kann weder mit der Hermes noch mit der Erde Kontakt aufnehmen. Alle halten mich für tot. Ich sitze in einer Wohnkuppel, die einunddreißig Tage stabil bleiben soll. Wenn der Oxygenator versagt, ersticke ich. Wenn der Wasseraufbereiter versagt, verdurste ich. Wenn die Wohnkuppel nicht hält, explodiere ich einfach. Wenn das alles nicht passiert, geht mir einfach irgendwann der Proviant aus und ich verhungere. Also bin ich wohl im Arsch."


Doch der Roman ist bei weitem nicht nur etwas für Science-Fiction-Liebhaber, denn als typischen Vertreter dieses Genres würde ich dieses Buch nicht beschreiben. Anstatt von krassen Raumschiffen und zig neuen Galaxien wie andere Lebensformen zu phantasieren gibt der Roman eher eine gut durchachte Vorschau auf eine baldige, recht reale Zukunft. Denn die ersten Marsmissionen sind längst kein Traum unrealistischer Autoren mehr: Ob ihrs glaubt oder nicht, die niederländische Organisation, Mars One, plant 2024 zum ersten Mal Menschen zum Mars zufliegen. Auch wenn der Autor nicht immer auf die Realität zurückgreift, erklärt und belegt er die Geschehnisse so überzeugend, dass man ihm jedes Wort als Fakt aus der Hand frisst. Hier verstehe ich die vielen Kritiker nicht, die an der Glaubwürdigkeit der Fakten im Buch herumnörgeln - es ist immer noch Fiktion, und die darf alles, solange man es als Leser glaubt und der Autor es nicht in echt als Fakt deklariert ist also alles in Ordnung.
Um die Lösungen zum Überleben auf dem Mars zu belegen, geht Andy Weir oftmals auf mathematische, physikalische oder chemische Phänomene und Grundlagen ein, die interessant und verständlich erklärt sind. Man muss definitiv ein wenig Interesse den Naturwissenschaften gegenüber mitbringen, sonst wird man in diesem Buch vor Langweile sterben, muss aber nicht viel wissen um alles zu verstehen.


"Ein Problem habe ich nicht bedacht: das Wasser.
Nach ein paar Millionen Jahren auf der Marsoberfläche enthält der Staub keinerlei Feuchtigkeit mehr. Dank meines Abschlusses in Botanik bin ich ziemlich sicher, dass Pflanzen zum Wachsen feuchte Erde brauchen."

Der Schreibstil des Buches ist sehr einfach und schlicht - Umgangssprache eines Logbucheintrags eben. Dabei wird immer ein positiver Umgangston behalten. Trotz der Schlichtheit der Sätze sind Details, die den Mars betreffen sehr genau und gut vorstellbar erklärt, sodass man bald ein detailliertes Bild seines Daseins vor Augen hat. Dazu hilft auch die Marskarte, die am Anfang des Buches beifügt ist.
Besonders interessant an seiner Art, durch Logbucheinträge das Geschehen zu erklären ist, dass er sich bewusst zu sein scheint, dass das jemand liest und den Leser oft direkt anspricht und für ihn technische Details einfach erklärt, sodass es jeder verstehen würde. Das ist ein sehr raffinierter Kniff des Autors. Mark Watney sagte einmal, wenn er wieder auf die Erde zurückkomme, würde sein Logbuch ein Bestseller werden. Hat ja ganz gut geklappt...


"(12.04) NASA: Übrigens, hüten Sie bitte Ihre Zunge. Alles, was Sie tippen, wird live auf der ganzen Erde verbreitet.
(12.15) WATNEY: Seht mal da! Zwei Titten -> (.Y.)"


Doch die Geschichte hat seinen Fokus nicht alleine auf Watney gelegt, bloß eine Person in einem Buch wäre ja auch ein wenig trist, selbst wenn diese eine Person erfrischend und abwechslungsreich charakterisiert wurde. So wechselt die Logbuch-Ich-Perspektive ab etwa einem Fünftel des Romans zeitweise auf die Erde zur NASA. Ein Haufen schlauer Köpfe, die es schafft, Watney von einigen Lichtsekunden Entfernung aus zu unterstützen. Ein Haufen guter Leute, die ihn nicht aufgeben und immer wieder nach neuen Lösungen suchen, ihn zurückzuholen. Es wird aus der Sicht verschiedener NASA-Mitarbeiter berichtet. Sei es aus der Sicht des NASA-Chefs, des Leiters der Mars-Mission, oder einer kleinen, anfangs unbedeutenden Mitarbeiterin, die schließlich den alles entscheidenden Hinweis liefert, der Marks Rettung in Gang bringt - es lockert Marks One-Man-Show deutlich auf. Auch die Crew begleitet man zwischendurch und es wird geschildert, wie die Mitglieder mit dem vermeintlichen Tod von Watney umgehen. Wir können außerdem verfolgen, was die Nachricht eines Satellitenbildes, das Watney lebendig zeigt, in der Bevölkerung auslösen kann. Es ist mega interessant zu beobachten, was die Erde schaffen kann, wenn sie sich zusammentut um ein Menschenleben zu retten. Das bringt einen dazu darüber nachzudenken, wie viel ein einzelnes Menschenleben wert ist. Wie groß darf der finanzielle Aufwand sein um eine einzige Person zu retten - wo ist die Grenze? Darf ich fünf Menschenleben in Gefahr bringen, um einen Menschen (vielleicht) zu retten?


"Was ich im Überfluss besitze sind Plastiksäcke. Sie unterscheiden sich kaum von normalen Mülleimerbeuteln, aber da sie für die NASA angefertigt wurden, kosten sie vermutlich 50.000$. Außerdem habe ich Klebeband. Gewöhnliches Klebeband, wie man es im Baumarkt bekommt. Anscheinend kann nicht einmal die NASA Klebeband aus dem Baumarkt verbessern."


Spannend? Ja auf jeden Fall! Wir erleben zusammen mit Mark viele Abenteuer, die dafür sorgen, dass auch das Warten auf dem Mars nicht langweilig wird. Zeitweise gibt es auf den guten 500 Seiten kurze Löcher, durch die man sich ein bisschen angestrengt durchlesen muss, doch der Drang zu erfahren, was am Ende mit Mark passiert, hat mich immer wieder dazu gebracht, weiterzulesen. Und da man nie weiß, dass er in Sicherheit ist, kann man sich nie zurücklehnen. Immer, wenn man denkt, dass er in Sicherheit ist oder einen großen Schritt Richtung Rettung geschafft hat, dann passiert etwas, das ihn wieder meilenweit zurückwirft. Zwischendurch stand ich kurz vor der Verzweiflung, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie Mark da wieder rauskommen sollte. Krass, wie doch die einfachsten Dinge, die wir als selbstverständlich ansehen, auf einem anderen Planten wie der Erde zu einem riesigen Problem werden können. Lebenserhaltung - Luft, Wasser, Druck - über so etwas habe ich mir nie Gedanken gemacht, weil unser Heimatplanet das alles perfekt für uns bereithält. So denkt man viel mehr über unsere Erde als Heimat nach, während man die Geschichte eines Mannes liest, der sich weit abgeschottet und alleine in einer lebensfeindlichen Staubwüste aufhalten muss.

Das Ende ist dann verblüffend gut, actionreich aber auch irgendwie berührend. Es hat für mich perfekt gepasst. Ich werde ganz sicher nochmal was von Andy Weir lesen!

Und noch mein Lieblingszitat zum Schluss:


"Er wandte sich An Venkat. "Ich frage mich, was er gerade denkt."
Logbuch Sol 61: Wie kommt es, dass Aquaman Wale kontrollieren kann? Sie sind Säugetiere. Das ist doch Unsinn."


Fazit:

Eine überzeugend realistische und berührende Robinson-Crusoe-Geschichte über den Überlebenskampf eines einfallsreichen und positiven Astronauten auf dem Mars. Ein Muss für jedermann!

Veröffentlicht am 03.08.2017

LESEN! LESEN! LESEN!

Erwacht
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Allgemeines:

Titel: Erwacht
Autor: Jessica Shirvington
Verlag: cbt (18. April 2011)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3570380114
ISBN-13: 978-3570380116
Seitenzahl: 480 Seiten
Originaltitel: The Violet Eden Chapters ...

Allgemeines:

Titel: Erwacht
Autor: Jessica Shirvington
Verlag: cbt (18. April 2011)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3570380114
ISBN-13: 978-3570380116
Seitenzahl: 480 Seiten
Originaltitel: The Violet Eden Chapters # 1 - Embrace
Preis: 7,99€ (Kindle-Edition)
8,99€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Verlockt; Gebannt; Entbrannt; Vereint




Inhalt:
Gefallene Engel, unmögliche Liebe und ein Kampf gegen dunkle Mächte

An Violet Edens 17. Geburtstag gerät ihre Welt aus den Fugen. Sie erhält einen Brief ihrer verstorbenen Mutter und erfährt: Sie ist eine Grigori, ein Wächter-Engel – genau wie der unglaublich attraktive, nur leider so unnahbare Lincoln, für den sie schwärmt. Mit siebzehn erwachen ihre Fähigkeiten und rufen gefährliche Gegner auf den Plan. Nun muss sie sich entscheiden, ob sie ihre Gabe annimmt in einer Welt, in der Engel des Lichts und Engel der Finsternis einen schrecklichen Kampf führen ...



Bewertung:

Nur um das mal gleich klarzustellen: Ich LIEBE diese Reihe! Ich lese viele Fantasy Reihen und bin auch recht einfach zu begeistern, gebe ich zu, aber diese Reihe hat mich richtig umgehauen, sodass ich sie einfach nochmal komplett lesen musste. Also, überlegt euch, der Reihe eine Chance zu geben, sie hat definitiv viel zu wenig Aufmerksamkeit!

Die Reihe ist mitten im Vampirhype entstanden und hat den Trend, diese durch Engel abzulösen mit gesettet. Zuerst dachte ich, es sei eine Fantasy-Reihe wie jede andere auch, mitten im Hype, oberflächlich aber amüsant, eine Abklatsche, die schon hundertfach existiert, doch ich wurde rasch eines besseren belehrt. Ich kann es schlecht sagen, was der Reihe den absolut besonderen, mitreißenden Touch verleiht - sind es die unglaublich authentischen Gefühlsdarstellungen, die vielen innovativen Ideen, die tollen Charaktere oder doch er Schreibstil? -, doch er ist definitiv da und verzaubert den Leser.


Erster Satz: "Bilder von Morgen und Abend flimmerten vor meinen Augen, blendeten mich."


Die Geschichte beginnt spannend und reißt von der ersten Seite an mit. Wir werden zuerst in das chaotische Leben der 16 jährigen Violet Eden eingeführt, die bei ihrem Vater lebt und schon ewig für den 22 jährigen Lincoln schwärmt, was leider nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Als "Sportfreund", der mit ihr trainiert wirkt er viel zu desinteressiert und zu alt für sie. Alles ändert sich jedoch an ihrem 17. Geburtstag, als sie von ihrem Dad ein Kästchen bekommt, das ihr ihre Mutter, die bei ihrer Geburt gestorben ist, vermacht hat. Darin sind Briefe und ein silbernes Armband. Am Tag ihres Geburtstages feiert sie mit ihrer besten Freundin Steph, Lincoln und ihrem Dad in einer Bar, und zum ersten Mal zeigt Lincoln so etwas wie Gefühle, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Als Violet ihn am nächsten Tag aufsuchen möchte, um über die Situation vom Vortag zu reden, belauscht sie ein Gespräch zwischen Lincoln und noch einer Person und sie erfährt eine Nachricht, die ihr ganzes Leben ins Wanken zu bringen droht: Violet ist eine Grigori, eine Art Wächterengel und Lincoln ist ihr Grigori Partner, Griffin ihr Anführer. Ihr Schicksal hat sie nun aber selbst in der Hand: Sie kann ihre Bestimmung annehmen, oder sich davor verstecken. Um alles verarbeiten zu können zieht sich Violet erst einmal zurück, denn nicht nur dass ihr alles zu viel ist, auch dass Lincoln sie all die Jahre angelogen hat, macht ihr zu schaffen. In ihrer Trauerphase steht ihr der mysteriöse Phoenix, ein Verbannter der sie seit ihrem Geburtstag verfolgt, zur Seite. Trotz dass Verbannte von Natur aus Feinde der Grigori sind, scheint er ihr nicht feindlich gesinnt zu sein - im Gegenteil. Nun muss sich Violet entscheiden wer oder was sie sein möchte, und wem nun ihre Liebe gehört....

Die Autorin hat, von ihrem einfachen und doch gleichermaßen tiefgründigen Schreibstil abgerundet, eine Welt erschaffen, die einen ganz anderen Blick auf die Engelswesen wirft, in der ein ewiger Kampf tobt und Gutes nicht sofort von Bösem unterschieden werden kann. Durch gewaltige Bilder und phänomenale Gefühlsbeschreibungen wird man geradezu gezwungen, sich in den Plot hineinzuversetzen und wird infiziert mit dem unbändigen Drang, schnell weiterzulesen.
Es tun sich immer neue Abgründe auf, Violet bekommt immer tiefere Einblicke in ihre und die gesamte Vergangenheit der Gregori. Somit bleibt das Buch ständig spannend, auch wenn es ganz klar als Einleitung in die Reihe fungiert und viel erklärt wird. So wird man mit ihr langsam in die Welt der Grigori eingeführt und bekommt einige Appetithäppchen vorgesetzt, die Lust auf mehr machen!

Die Person Vilolet Eden ist ein Phänomen für sich! In erster Linie lernen wir sie hier als selbstbewusste junge Frau kennen, die ihren Weg im Leben gehen will und mit einigen Problemen zu kämpfen hat, wodurch ihr Kämpferherz schon gleich deutlich wird. Ihr Vater hat den Tod der Mutter kurz nach ihrer Geburt scheinbar nie richtig überwunden. Er vergräbt sich in Arbeit und Violet ist irgendwie für ihre Erziehung selbst verantwortlich, doch hat sogar ihr Vater mal den ein oder anderen lichten Moment und benimmt sich auch wie ein Dad. Neben ihrer zeitweisen Einsamkeit muss sie noch mit einem schweren Übergriff eines Lehrers klarkommen. Viel Sicherheit und Kraft zieht sie aus ihrer Freundschaft zu Steph, die einfach genial ist, die wir aber leider erst in den Folgebänden genauer kennenlernen dürfen. Ihre Kraft und ihr Vertrauen stehen also auf recht wackligen Beinen, sodass die Offenbarung über ihre wahre Bestimmung sie trifft wie ein Blitzschlag. Sie ist verwirrt, aber vor allem wütend: Sie will keine Grigori sein, keine Verbannten jagen, nicht Lincolns Partnerin sein und deshalb niemals als Frau für ihn in Frage kommen, sie will nur ein ganz normales Leben führen, mit ihrer besten Freundin Steph shoppen gehen, Kunstkurse belegen, erwachsen werden. Da ist es natürlich klar, dass sie unsicher und verletzt reagiert, als sie bemerkt, dass ihr Schwarm und bester Freund sie schon immer belogen hat und ihr gesamtes Weltbild zusammenklappt wie ein Kartenhaus. Ihre seltsamen Stimmungsschwankungen und zeitweise Hassattacken kann man sich als Leser jedoch nicht erklären, so ist sie doch eine liebenswürdige und friedfertige Person. Hier kommt der geheimnisvolle Verbannte Phoenix ins Spiel, der ihr Leben immer mehr durcheinander bringt und ihr eine Alternative zu ihrem Grigori Dasein weist. Doch was verbirgt sich hinter ihm wirklich und wer will sie überhaupt sein?


"An irgendeinem Punkt müssen wir alle versuchen, ein wenig darauf zu vertrauen, dass sich selbst hinter dem Chaos irgendein Sinn verbirgt."


Doch natürlich geht es nicht nur um Liebe, aber was wäre solch eine Geschichte ohne? Es geht vorrangig um Violets Kämpfe, die sich über die gesamten Bände ziehen und sich immer wieder wandeln. Kämpfe mit Engeln, gegen Verbannte, gegen das Schicksal, gegen Freunde, gegen Feinde, gegen die Zeit und auch gegen sich selbst. Sie kämpft und leidet und liebt und kämpft... Ich habe gelacht, gebangt, gehofft, gejubelt, geweint und war immer irgendwo zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Selten sind die Emotionen während des Lesens so mit mir durchgegangen. Sie entwickelt sich immer weiter und muss schließlich entdecken, dass sie Teil einer großen Entwicklung ist, die viel gewaltiger ist, als sie es sich jemals vorstellen konnte...

Neben Violet sind noch vor allem ihre beiden männliche Freunde ausschlaggebend für die Genialität des Buches. Zum einen ist da Lincoln, der sehr schwer einschätzbar ist. Man merkt fast von Anfang an, das Violet mehr als nur ein Freundin für ihn ist, dass er sich jedoch zurück nimmt. Durch Vilotes Augen wird er als geradezu perfekt beschrieben - gutaussehend, geheimnisvoll, stark, sportlich, intelligent, treu, sympathisch -, macht jedoch auch viele Fehler in seinem Drang, Violet zu beschützen. Er versucht, das Beste für sie zu tun, auch wenn er damit in einigen Fällen total daneben liegt. Die gesamte Zeit wohnt ihm eine gewisse Zerrissenheit inne. Einerseits will er sie bei sich haben, als seine Grigori-Partnerin, ihr seine Welt zeigen, andererseits will er sich auch von allem fernhalten und beschützen. Man kann seinen inneren Kampf und seine Verletztheit im Laufe der Geschichte ist fast mit den Händen greifen, was ihn wirklich sympathisch macht. An manchen Stellen ist vielleicht etwas zu dick aufgetragen und sein ganzes Heldengedöns kann schon ein kleines bisschen übertrieben wirken, doch das gehört eben zu dieser Art von Fantasy-Buch auch ein bisschen dazu

„Du warst gestern Abend im Hades!"
Er klopfte mit den Fingern auf den Tisch.
„Ich fragte mich schon, wann du dich an unseren Tanz erinnern würdest. Normalerweise vergisst man mich nicht so leicht.“
Ich ignorierte den Kommentar. Ich würde mich nicht von seinem großen Ego ablenken lassen."


Der zweite Typ, mit dem sich Violet herumschlagen muss ist der geheimnisvolle Phoenix. Der umwerfend schöne Verbannte mit dem violett schimmernden Haar ist der widersprüchlichste Charakter, über den ich jemals gelesen habe. Dass er keiner der "Guten" ist, merkt man fast vom ersten Wort an, doch wirklich böse scheint er auch nicht zu sein. Es scheint, als ob er selbst sich auch noch nicht so ganz sicher wäre, was er sein will. Ich war von Anfang an eigentlich "Team Lincoln" und habe versucht, Phoenix nicht zu mögen, der sich mit bösen Tricks versucht, einen Weg in Violets Leben zu erschleichen, doch irgendwie wird immer mehr klar, dass er wirklich mehr für Violet empfindet als er sollte und wollte. Und immer mehr kommt die Frage auf, was er mit Hintergedanken bloß spielt, und was wirklich echt ist. So wird sein Charakter sehr rätselhaft, düster aber gleichzeitig auch ein wenig einsam und verletzt gezeichnet - eine geniale Mischung, die ihn deutlich interessanter als Lincoln macht, aber es ist von Anfang an klar, dass das mit ihm und Violet nicht gut enden kann.
So ist zwar klar, dass er ein sehr dunkles Geheimnis in sich trägt, doch man hofft bis zum Ende, dass er sich doch noch einen Ruck gibt und sich für die richtige Seite entscheidet.

Eigentlich hasse ich Dreiecks-Beziehungen wirklich wie die Pest, da sie oft oberflächlich und ungenügend ausgearbeitet sind und als unnötige Problemquelle für den Plot missbraucht werden. Doch in diesem Fall war sie einfach nur WOW. Die Beziehung von Violet und Lincoln erinnert an eine tiefe Verbundenheit, fast so etwas wie Seelenverwandtschaft, während die Beziehung zwischen Phoenix und Violet auf einer ganz anderen Ebene stattfindet. Hier spielen vor allem starke Anziehungskräfte eine Rolle, auch Beeinflussung und Täuschungen, Lust und Hass und irgendwie auch ... Freundschaft? Somit sind die Fäden ihrer Beziehungen ein wichtiger Grundstein für die Story, nicht nur ein nerviger Nebeneffekt und aus den vielen Emotionen entwickeln sich die meisten Motive, Antriebe und Handlungen heraus.


"Wenn Verbannte des Lichts einen menschlichen Körper erhalten, ist es so, als würde man einem Sektenführer zusagen. Bei Verbannten der Finsternis ist es eher so, als würde man einen Serienmörder übers Wochenende aus dem Gefängnis entlassen und ihm eine Knarre mitgeben."


Dass die Geschichte niemals ins Kitschige abrutscht verhindert alleine schon der geniale Humor, der immer wieder hervorblitzt. Die Geschichte strahlt eine solche Lebendigkeit aus, dass man gar nicht hängen bleiben kann. Vor allem im zweiten Teil, als dann... huch, ich fange an zu Spoilern
Die Geschichte rund um die Engel fand ich allgemein sehr spannend. Auch wenn das Thema Engel schon unzählige Male von Autoren wieder und wieder verwendet wird, finde ich die Lösung von Jessica Shirvington alles andere als durchgekaut und abgeschaut. In ihrer Interpretation der Engel gibt es im Engelsreich die Engel des Lichts und der Finsternis, die zusammen existieren, wie zwei Seiten der Medaille und auch nicht unbedingt Feinde sind. Alles braucht seinen Gegenpart, das Gleichgewicht wird fast heilig dargestellt. Also kein Himmel-Hölle-Verhältnis, sondern vielmehr eine freundschaftliche Koexistenz. Aufgefrischt wird die Story durch etliche Bibelzitate, die die Story zu jedem Zeitpunkt gekonnt unterstreichen und immer passen. Dabei schafft es die Autorin, nicht religiös rüberzukommen, sondern sie verwendet die vorhandenen Legenden und Tatsachen so, dass sie perfekt zur Geschichte passen, was des Öfteren eine Gänsehaut auslöst.

Hier so ein Zitat für euch:

"Unsere Pflicht ist es, nützlich zu sein. Nicht entsprechend unseren Wünschen, sondern entsprechend unseren Fähigkeiten."
-Henri-Frédéric Amiel

Neben den alltäglichen Problemen der 17-Jährigen und all den neuen, ungewöhnlichen Veränderungen die mit Violet einhergehen, wird auch vor allem das Thema "Gut und Böse" sehr stark thematisiert. Wirklich interessant fand ich, dass die Autorin es schafft, wirklich klar zu machen, dass Engel des Lichts nicht immer gut sind und Engel der Finsternis nicht immer nur böse. Kein Schwarz-Weiß-Denken wird hier vermittelt, alles gibt es nur im Doppelpack und beide Seiten sind wichtig. Das ist ein sehr interessanter Gedanke.

Das Ende ist nochmal total gut gemacht und lässt einen mit Spannung dem nächsten Teil entgegenfiebern.
Mehr will ich auch gar nicht dazu sagen: Lest selbst.
Nun noch einige Worte zu Cover und Gestaltung: Das Cover ist zwar an sich mit dem dunklen Hintergrund, dem Mädchen mit den Flügeln und der leuchtenden Schrift ganz hübsch, passt für mich aber nur eher schlecht als recht zur Reihe. Die Flügel sind zwar ein Bezug zur Thematik: Engel, doch jene haben im Buch gar keine Flügel. Das verschlungene Tattoo passt eigentlich auch, aber die beweglichen Symbole erstrecken sich nicht über Violets gesamten Arm, sondern nur über ihre Handgelenke…Das Mädchen-Model passt für mich persönlich auch gar nicht auf Violet. Ich hätte mir ein etwas neutraleres Cover gewünscht, vielleicht mit einer angedeuteten Silhouette. Das Originalcover finde ich in dem Fall leider auch nicht passender, also will ich aufhören zu motzen und noch zu den positiven Anmerkungen kommen. Gut gefallen haben mir nämlich wie gesagt die vielen gut ausgewählten Zitate und Bibelstellen, ebenso wie die Übersichtsgrafik am Ende des Buches, die ein wenig Klarheit in die Engelshierarchie gebracht hat. Und - ich geb´s ja zu - mit dem dunklen Hintergrund und dem Flügel sieht das Cover gar nicht mal sooo schlecht aus... Als Titel hätte sich der Verlag aber eindeutig etwas Kreativeres ausdenken können. Es gibt gefühlt tausende Bücher mit dem Namen "Erwacht", "Gebannt", "Verliebt" und dieses ganzen Kalibers. Diese Reihe hätte etwas Innovatives verdient, das lange in Erinnerung bleibt und bei dem keine Verwechslungsgefahr besteht!


Fazit:

Ein toller Auftakt einer wahnsinns-Reihe, die viel zu wenig Aufmerksamkeit genießt.
LESEN! LESEN! LESEN!

Veröffentlicht am 17.11.2019

Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Tintenwelt 1. Tintenherz
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"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. ...

"Ach konnte man sich doch die Worte aus Hirn und Herz wegwischen und die Welt nur ein einziges Mal mit den eigenen Augen sehen."

Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an Bücher aus meiner Kindheit denke. Ich weiß noch sehr gut, dass ich meine Eltern laufend in den Wahnsinn getrieben habe, in dem ich als Kind etliche (vielleicht nicht ganz altersgemäße ^^) Fantasy Bücher verschlungen habe während andere meines Alters noch "Connie" oder "Die wilden Hühner" gelesen haben. Das erste Fantasybuch, das ich gelesen und das augenblicklich mein Schicksal als Bücherwurm und Fantasy-Nerd besiegelt hat, war "Tintenherz". Diese Geschichte war mein erster Ausflug in eine komplexe, kunterbunte Märchenwelt abseits von Kindergeschichten und ich habe mich sofort in dieses Gefühl des Weltenwanderns verliebt, sodass ich ziemlich viel mit dieser wunderschönen Geschichte verbinde. Als ich es vor kurzem endlich nochmal gelesen habe, hat sich meine Liebe nochmal verfestigt und ich kann es allen, die tatsächlich noch nie zu diesem Meisterwerk von Cornelia Funke gegriffen haben, nur wärmstens ans Herz legen.


Erster Satz: "Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen."


Schon von der ersten Seite an werden wir mitgerissen in ein magisches Abenteuer, dem schon bevor wir in die Tintenwelt eintreten einen Hauch von unendlichen Möglichkeiten und Mystik anhaftet. Wir lernen die junge Meggie kennen, die seit dem Verschwinden ihrer Mutter alleine mit ihrem büchervernarrten Vater Mo in einem alten Haus lebt. Als eines Nachts plötzlich ein unbekannter Mann namens Staubfinger auftaucht und Mo vor jemandem namens Capricorn warnt, kann sie noch nicht ahnen, dass das der Auftakt zum größten Abenteuer ihres Lebens ist. In einer Nacht und Nebel Aktion fliehen die drei zu ihrer Tante Elinor und Meggie muss herausfinden, dass ihr Vater allerlei Geheimnisse vor ihr verbirgt. Wieso hat er sich zum Beispiel immer geweigert, ihr vorzulesen? Und was ist mit Meggies Mutter wirklich geschehen, die vor vielen Jahren verschwand? Als ihr Vater entführt wird und Staubfinger von einer magischen Welt erzählt, deren Bewohner herausgelesen wurden, wird ein Albtraum lebendig und ein Buch erwacht zum Leben. Und Meggie wird zum Angelpunkt eines dunklen Kampfes zwischen Realität und allzu realer Fiktion...


"Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur wenige kaut man und verdaut sie ganz."


Wie auch schon in "Die unendliche Geschichte" verbinden sich hier Fantasiewelt und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin. Feen, Glasmänner, Kobolde oder geheimnisvolle Schatten - wir treffen auf allerlei Gestalten aus fremden Welten, die durch "Vorleser" ihren Weg in die Realität gefunden haben. Eine wundervolle Metapher für den Wert des Lesens allgemein, die durch jeweils ein passendes Zitat aus einem anderen Buch zu Beginn eines jeden Kapitels unterstrichen wird. Weiter angeregt wird unsere Fantasie auch durch passende Strichzeichnungen in den einzelnen Kapiteln. Die Autorin würdigt mit ihrer Geschichte Klassiker wie "Peter Pan", "Der Zauberer von Oz" oder "1001-Nacht" und betont durch das Auftauchen des Autors Fenoglio, der die Tintenwelt in seinem Buch "Tintenherz" mit allseinen Bewohnern erschaffen hat, das Schaffen aller Autoren hervor und schreibt somit eine Hommage an das Lesen und Schreiben von Fantasy allgemein.


"Man kann einen Schriftsteller als dreierlei ansehen: als Geschichtenerzähler, als Lehrer oder als Magier... aber das Übergewicht hat der Magier, der Zauberer."


Neben ihrer detaillierten, ausgeklügelten, liebevoll ausgearbeiteten Tintenwelt, in die wir vor allem in den folgenden beiden Bänden "Tintenwelt" und "Tintentod" entführt werden, sind die wundervollen Protagonisten das Herzstück der Geschichte. Neben der tapferen Meggie, die durch ihre Liebe zu Büchern, ihrem großen Herz und ihrem Mut eine wunderbare Identifikationsperson für den jungen, abenteuerlustigen Leser darstellt, stehen vor allem ihr Vater Mo und der geheimnisvolle Staubfinger im Mittelpunkt des ersten Teils. Vor allem letzterer hat es mir angetan da er, von dem unbändigen Wunsch getrieben, endlich heimkehren zu können, gerne auch mal richtig und falsch verwechselt und man so nie genau weiß, was er als nächstes tun wird. Insbesondere in den folgenden Bänden erscheint er immer mehr als tragischer Held, den man in seiner Ambivalenz und Tiefe einfach lieben muss! Die vielen Einzelpersonen, die aus ihren Welten herausgelesen werden wie zum Beispiel Farid, der unschuldige Besucher aus "1001-Nacht", oder die zarte Tinker Bell aus "Peter Pan" fügen sich wunderbar ins Spektrum der Protagonisten mit ein, genau wie die vielen toll gestalteten Romanfiguren, die wir in den folgenden Bänden kennenlernen. Auch wenn die fantasievoll gewählten Namen wie "Zauberzunge", "Staubfinger", "Capricorn", "Basta", "Speckfürst", "Wolkentänzer", "Rußvogel" oder "Natternkopf" erstmal verwirrend erscheinen, passen sie doch gut in diese verrückte und doch schöne Welt.


"Wenn du ein Buch auf eine Reise mitnimmst", hatte Mo gesagt, als er ihr das erste in die Kiste gelegt hatte, "dann geschieht etwas Seltsames. Das Buch wird anfangen, deine Erinnerungen zu sammeln. Du wirst es später nur aufschlagen müssen und schon wirst du wieder dort sein, wo du zuerst darin gelesen hast. Schon mit den ersten Wörtern wird alles zurückkommen: die Bilder, die Gerüche, das Eis, das du beim Lesen gegessen hast... Glaub mir, Bücher sind wie Fliegenpapier. An nichts haften Erinnerungen so gut wie an bedruckten Seiten."
"Vermutlich hatte er damit Recht. Doch Meggie nahm ihre Bücher noch aus einem anderen Grund auf jede Reise mit. Sie waren ihr Zuhause in der Fremde -vertraute Stimmen, Freunde, die sich nie mit ihr stritten, kluge, mächtige Freunde, verwegen und mit allen Wassern der Welt gewaschen, weit gereist, abenteuererprobt. Ihre Bücher munterten sie auf, wenn sie traurig war, und vertrieben ihr die Langeweile."


Die Autorin hat ein gutes Händchen dafür, die richtige Mischung aus wunderschön und unheimlich zu finden, sodass es Kinder aber auch Erwachsene beim Lesen angenehm gruselt. Die düstere, zum Teil gefährliche Tintenwelt übt auf junge wie alte Leser eine unheimliche Faszination aus und durch peppige Ideen, wird es nie langweilig, egal was auch passiert. Zwischen den Zeilen geht es hier um Fantasie, die Flucht vor der Realität und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, seine Heimat zu finden und verlorene Lieben wieder zutreffen. So begleitet uns auch in schwierigen Situationen immer das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, sodass sich das Buch vor allem in der kalten Jahreszeit gut lesen lässt. Im Laufe der Trilogie wird Meggie älter und gewinnt allerlei Erfahrungen dazu, sodass sich auch die Themen und der Erzählton ein wenig verändern. Es geht plötzlich auch um Liebe, die Kämpfe werden blutiger und die Erzählweise erwachsener. Nichtdestotrotz bleibt es eine anrührende, mitreißende Geschichte über das Lesen und die Wichtigkeit von Fantasie im öden Alltag, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.


"Nichts verscheuchte böse Träume schneller als das Rascheln von bedrucktem Papier."



Fazit:


In dieser anrührenden, mitreißenden Geschichte verbinden sich Fantasie und Realität zu einem magischen Abenteuer und bringen einen Schwung märchenhafter, detailliert gestalteter Figuren, dunkle Gefahren und schillernde Träume ins durchschnittliche Leben der bücherliebenden Protagonistin.
Eine Hommage an das Lesen, die die Herzen aller Fantasy-Fans erweichen wird.

Veröffentlicht am 09.11.2024

Ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität

WANT
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In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen ...

In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen Welt und knüpft damit an Nancy Fridays "My Secret Garden" (1973) an, um zu beleuchten, was sich seit diesem epochalen Werk in der weiblichen Sexualität verändert hat – und was nicht.

Die eingesendeten Berichte stammen von Frauen verschiedenen Alters mit den unterschiedlichsten ethnischen, sozioökonomischen, kulturellen und religiösen Hintergründen, aus verschiedenen Lebensphasen und -formen, in unterschiedlichsten Partnerschaften mit und ohne Kinder. Man erkennt sofort, dass sich große Mühe gegeben wurde, die gesamte Bandbreite an weiblich gelesenen Personen abzudecken und kann nicht umhin, den Mut der Frauen zu bewundern, die auf Andersons Aufruf reagiert haben. Die Briefe selbst bieten intime Einblicke in das Innenleben der Frauen, insbesondere dort, wo reflektiert wird, warum bestimmte Fantasien bestehen und wie die Autorinnen selbst dazu stehen. Besonders spannend waren zum Beispiel auch die zahlreichen Perspektiven von queeren Menschen in homophoben Ländern oder behinderten Frauen, die im Alltag oft infantilisiert werden.

Naturgemäß sind die einzelnen Berichte in unterschiedlichem Stil, Umfang und literarischer Qualität verfasst. Während manche Frauen seitenweise in die Tiefe gehen, ausführliche Szenarien bildhaft beschreiben, konzentrieren sich manche Beiträge auf die Gefühlsebene und wieder andere Autorinnen beschränken sich auf wenige Sätze. Doch das spielt im Endeffekt keine Rolle, denn statt um literarische Qualität geht es hier vielmehr um die authentische und unzensierte Darstellung weiblicher Sehnsüchte, die sowohl Fantasie als auch Realität beleuchten und in ihrer Direktheit erfrischend enttabuisierend wirken.

Um die Lesbarkeit der einzelnen Einsendungen zu verbessern, hat die Editorin die Briefe in grobe Kategorien eingeteilt, die sie jeweils mit mal persönlichen, mal allgemeinen hinführenden Bemerkungen und nicht selten mit Triggerwarnungen einleitet. Obwohl die Intros bewusst kurz gehalten sind, um die Beiträge für sich sprechen zu lassen, hätte ich es an dieser Stelle interessant gefunden, weitere Informationen zur Psychologie der Fantasien mit einzubinden und das Buch somit von einer reinen Sammlung zu einem richtigen Sachbuch zu erheben. Denn so setzt trotz der Vielfalt der Beiträge irgendwann auf den 400 Seiten eine gewisse Sättigung ein. Ich verstehe, dass die Autorin möglichst viele Briefe aufgreifen wollte und sich damit schwer tat, auszuwählen welche Fantasien nun einen Mehrwert für die LeserInnen haben und welche nicht (denn kann man das überhaupt pauschal entscheiden??). Fest steht allerdings, dass 100 Seiten weniger mit einer gezielteren Auswahl der Beiträge auch ausgereicht hätten.

Dennoch bietet "Want" eine umfangreiche und lesenswerte Sammlung, die neben den Fantasien Themen wie Intimität, Lust, Ängste, Verwundbarkeit, Unsicherheit, Liebe und Selbstermächtigung erforscht. In ihrem Vorwort betont Anderson das Ziel, Scham rund um Sexualität abzubauen und Frauen eine Stimme zu geben. Das ist ihr in "Want" ganz wunderbar gelungen – das Lesen hat etwas sehr Befreiendes und schafft ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität. Zum Abschluss der Rezension allerdings noch der kurze Tipp, dieses Buch (und besonders nicht das Hörbuch) in der Öffentlichkeit zu lesen, wenn man kein besonders gutes Poker-Face hat! 😂

"In unserer Gesellschaft werden Frauen oft in Schubladen gesteckt und auf bestimmte Identitäten und Rollen reduziert - die verführerische Sexpartnerin, die liebevolle Mutter, die smarte Karrierefrau -, aber die hier versammelten Fantasien belegen, dass keine Frau nur eine einzige Identität besitzt."


Fazit


"Want" ist eine erfrischend enttabuisierende Lektüre, die durch ihre Authentizität fesselt und eine befreiende Offenheit über weibliche Sexualität vermittelt.

Veröffentlicht am 09.11.2024

Ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität

WANT
0

In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen ...

In "Want" versammelt die Aktivistin und Schauspielerin Gillian Anderson (zum Beispiel bekannt für ihre Rolle der Jean Milburn aus der Serie "Sex Education") anonyme Sexfantasien von Frauen aus der ganzen Welt und knüpft damit an Nancy Fridays "My Secret Garden" (1973) an, um zu beleuchten, was sich seit diesem epochalen Werk in der weiblichen Sexualität verändert hat – und was nicht.

Die eingesendeten Berichte stammen von Frauen verschiedenen Alters mit den unterschiedlichsten ethnischen, sozioökonomischen, kulturellen und religiösen Hintergründen, aus verschiedenen Lebensphasen und -formen, in unterschiedlichsten Partnerschaften mit und ohne Kinder. Man erkennt sofort, dass sich große Mühe gegeben wurde, die gesamte Bandbreite an weiblich gelesenen Personen abzudecken und kann nicht umhin, den Mut der Frauen zu bewundern, die auf Andersons Aufruf reagiert haben. Die Briefe selbst bieten intime Einblicke in das Innenleben der Frauen, insbesondere dort, wo reflektiert wird, warum bestimmte Fantasien bestehen und wie die Autorinnen selbst dazu stehen. Besonders spannend waren zum Beispiel auch die zahlreichen Perspektiven von queeren Menschen in homophoben Ländern oder behinderten Frauen, die im Alltag oft infantilisiert werden.

Naturgemäß sind die einzelnen Berichte in unterschiedlichem Stil, Umfang und literarischer Qualität verfasst. Während manche Frauen seitenweise in die Tiefe gehen, ausführliche Szenarien bildhaft beschreiben, konzentrieren sich manche Beiträge auf die Gefühlsebene und wieder andere Autorinnen beschränken sich auf wenige Sätze. Doch das spielt im Endeffekt keine Rolle, denn statt um literarische Qualität geht es hier vielmehr um die authentische und unzensierte Darstellung weiblicher Sehnsüchte, die sowohl Fantasie als auch Realität beleuchten und in ihrer Direktheit erfrischend enttabuisierend wirken.

Um die Lesbarkeit der einzelnen Einsendungen zu verbessern, hat die Editorin die Briefe in grobe Kategorien eingeteilt, die sie jeweils mit mal persönlichen, mal allgemeinen hinführenden Bemerkungen und nicht selten mit Triggerwarnungen einleitet. Obwohl die Intros bewusst kurz gehalten sind, um die Beiträge für sich sprechen zu lassen, hätte ich es an dieser Stelle interessant gefunden, weitere Informationen zur Psychologie der Fantasien mit einzubinden und das Buch somit von einer reinen Sammlung zu einem richtigen Sachbuch zu erheben. Denn so setzt trotz der Vielfalt der Beiträge irgendwann auf den 400 Seiten eine gewisse Sättigung ein. Ich verstehe, dass die Autorin möglichst viele Briefe aufgreifen wollte und sich damit schwer tat, auszuwählen welche Fantasien nun einen Mehrwert für die LeserInnen haben und welche nicht (denn kann man das überhaupt pauschal entscheiden??). Fest steht allerdings, dass 100 Seiten weniger mit einer gezielteren Auswahl der Beiträge auch ausgereicht hätten.

Dennoch bietet "Want" eine umfangreiche und lesenswerte Sammlung, die neben den Fantasien Themen wie Intimität, Lust, Ängste, Verwundbarkeit, Unsicherheit, Liebe und Selbstermächtigung erforscht. In ihrem Vorwort betont Anderson das Ziel, Scham rund um Sexualität abzubauen und Frauen eine Stimme zu geben. Das ist ihr in "Want" ganz wunderbar gelungen – das Lesen hat etwas sehr Befreiendes und schafft ein offenes, faszinierendes Panorama der weiblichen Sexualität. Zum Abschluss der Rezension allerdings noch der kurze Tipp, dieses Buch (und besonders nicht das Hörbuch) in der Öffentlichkeit zu lesen, wenn man kein besonders gutes Poker-Face hat! 😂

"In unserer Gesellschaft werden Frauen oft in Schubladen gesteckt und auf bestimmte Identitäten und Rollen reduziert - die verführerische Sexpartnerin, die liebevolle Mutter, die smarte Karrierefrau -, aber die hier versammelten Fantasien belegen, dass keine Frau nur eine einzige Identität besitzt."


Fazit


"Want" ist eine erfrischend enttabuisierende Lektüre, die durch ihre Authentizität fesselt und eine befreiende Offenheit über weibliche Sexualität vermittelt.