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Veröffentlicht am 16.11.2024

Authentisch und sehr wertvoll für Hinterbliebene nach Suizid

Von dem, der bleibt
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"Von dem, der bleibt" von Matteo B. Bianchi ist ein zutiefst berührendes Buch eines Hinterbliebenen nach Suizid. Eines "Überlebenden", wie der Autor sich selbst treffend bezeichnet. Schon der Titel des ...

"Von dem, der bleibt" von Matteo B. Bianchi ist ein zutiefst berührendes Buch eines Hinterbliebenen nach Suizid. Eines "Überlebenden", wie der Autor sich selbst treffend bezeichnet. Schon der Titel des Buches drückt so viel aus. Einer ist gegangen, es ist der Ex-Freund des Autors, der kurz nach dem Ende der mehrjährigen Beziehung sein Leben aus eigenem Entschluss beendet hat, in der ehemals gemeinsamen Wohnung. Einer bleibt auf dieser Erde, zuerst einmal in tiefster Verzweiflung. Er hat den anderen, den ehemals Geliebten, tot aufgefunden und sein Leben wurde zutiefst erschüttert durch diese Erfahrung.

In vielen kurzen Kapiteln lässt uns der Autor einfühlsam und authentisch an seinem Weg als Überlebender nach Suizid teilhaben. Wir erleben mit, wie die Zeit unmittelbar danach für ihn war, die Kontakte mit anderen Menschen, was hilfreich war und was weniger. Die große Schuldfrage, die über allem hängt, und die einem von innen, aus dem eigenen Kopf, und oft auch von außen, von anderen, entgegen geschleudert wird. Welche Unterstützungsmöglichkeiten im Bereich Selbsthilfe und Therapie für Überlebende nach Suizid es in Italien gibt (sehr wenige) und wie der Autor dennoch seinen Weg geht, das Trauma bewältigt und sich für ein weiteres Leben in Liebe und Kontakt zu anderen Menschen bewusst entscheidet. Wo sich Verbindungen mit anderen Menschen ergeben und wo das Trauma zwischen ihnen steht, zumindest erst einmal.

Das Buch ist unglaublich gut geschrieben, mit sehr treffenden Worten und Formulierungen, und offenbar ebenso gut übersetzt, denn man merkt dem Buch überhaupt nicht an, dass es eine Übersetzung aus dem Italienisch ist. Der sehr sympathische, liebevolle und reflektierte Mensch, der der Autor ist, kommt einem beim Lesen gefühlt sehr nahe. Damit rührt das Buch zu Tränen, und lässt aber gleichzeitig auch viel Raum für Hoffnung. In all der Dunkelheit ist auch so viel Licht und Liebe, in der Persönlichkeit des Autors, aber auch in so einigen Begegnungen, die im Buch vorkommen.

Ich habe selbst meinen Vater durch Suizid verloren und genau so ein Buch hätte ich mir in der Zeit danach gewünscht. Noch jetzt, nach mehr als zwei Jahrzehnten, habe ich mich beim Lesen unglaublich verstanden und dadurch in dieser Erfahrung weniger alleine gefühlt. Hier ist jemand, der etwas Ähnliches erlebt hat und so treffende Worte für all die Gefühlsfacetten findet, die damit verbunden sind. Fast jeden Satz im Buch hätte ich unterstreichen und groß "Ja, so ist es!" dazu schreiben kann.

Ich empfehle das Buch also von ganzem Herzen allen, die selbst so eine Erfahrung gemacht haben und Trost suchen, aber auch allen, die im therapeutischen oder sozialen Bereich arbeiten und jenen, die generell mitfühlende Menschen sind und sich dafür interessieren, wie es sich anfühlen kann, die Erfahrung gemacht zu haben, nach einem Suizid der Mensch zu sein, der hier bleibt auf dieser Erde, trotz allem. Danke, Matteo B. Bianchi, dass du geblieben bist und deine Geschichte mit uns teilst!

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Veröffentlicht am 10.11.2024

Ein wunderschönes Buch voll mit Begegnungen von Menschen, die sich mit dem Tod beschäftigen

Reden wir übers Sterben
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"Reden wir übers Sterben" von Petra Bartoli y Eckert ist trotz oder vielleicht sogar auch wegen des Themas und der dadurch inspirierten besonderen Gestaltung ein wunderschönes Buch. Das beginnt schon mit ...

"Reden wir übers Sterben" von Petra Bartoli y Eckert ist trotz oder vielleicht sogar auch wegen des Themas und der dadurch inspirierten besonderen Gestaltung ein wunderschönes Buch. Das beginnt schon mit dem einladenden Titelbild und zieht sich durch das ganze Buch.

Nachdem ihr Vater, zu dem die Autorin eine schwierige Beziehung hatte, gestorben war und sie am Ende noch ihren Frieden mit ihm gefunden hatte, beschließt sie, den Münchner Jakobsweg zu gehen, um ihre Trauer zu verarbeiten. Auf dem Weg möchte sie, teilweise geplant, teilweise spontan, mit Menschen über das oft tabuisierte Thema Tod ins Gespräch kommen.

Gleich zu Beginn werden wir im ersten Kapitel eingeladen, schon "am Anfang über das Ende" nachzudenken. Über unsere Haltung zum Thema Tod und wie sehr wir uns diesem Thema im alltäglichen Leben stellen oder es eher verdrängen. Dem folgen wunderschöne, kontemplative Landschafts- und Naturbilder vom Jakobsweg. Sofort hat mich diese Stimmung beim Lesen in das Buch gezogen und neugieriger gemacht.

Passend dazu heißt das nächste Kapitel "Die Sinne geschärft" - ja, das wurden sie definitiv durch diese einstimmenden Worte und die Bilder, auch bei mir als Leserin. Die Autorin selbst ist schon vor dem Beginn der Wanderung mit offenen Augen durch die Welt gegangen und hat darauf geachtet, wo sie Hinweise auf das Thema Tod und Trauer bekommt, und tatsächlich, wenn man hinschaut, finden sich diese an vielen Orten, z.B. Bestattungsunternehmen, Letzte-Hilfe-Kurse an der Volkshochschule, ein Studiengang Perimortale Wissenschaften und so einiges mehr.

Das erste längere Gespräch, das die Autorin zum Thema Tod und Trauer führt, ist mit einer Autorenkollegin, die ihre Schwester durch Suizid verloren hat. Berührend erleben wir mit, wie die Interviewte schließlich zu ihrer ganz persönlichen Akzeptanz dieser traurigen Entscheidung gefunden hat.

Und dann geht es auch schon los auf den Jakobsweg. Abwechselnd erleben wir die Abenteuer der Autorin auf dem Weg - von wunderschönen Ausblicken über den Bodensee bis hin zu Blasen an den Füßen und plötzlich einsetzendem Starkregen - und lesen eingebettet darin über ihre Begegnungen mit ganz besonderen Menschen und ihrem Zugang zum Tod: einer Bildhauerin, die sich auf Erinnerungskunst spezialisiert hat, einer Bestatterin, einer Trauerrednerin, einem Freitodbegleiter, einem Hospizbegleiter, einigen zufällige Weggefährten und Mitpilgern und noch so einigen mehr. Alle Begegnungen sind sehr interessant und berührend geschildert und es sind alles sympathische und reflektierte Menschen, die oft durch persönliche Wendungen und Schicksalsschläge diesen beruflichen Weg für sich gefunden haben.

Insgesamt ist es ein stilles, nachdenkliches und dabei so wohltuendes Buch. Eines, das keine Ratschläge gibt, wie man selbst mit Tod und Trauer umgehen soll, aber dafür ganz viele Impulse von anderen Menschen und ihrem ganz individuellen Umgang mit dem Thema.

Was es hingegen eher nicht ist: ein Buch der Aufarbeitung der Beziehung der Autorin zu ihrem verstorbenen Vater. Diese Erfahrung hatte zwar die Entscheidung, den Jakobsweg zu gehen und die Gespräche zu führen, ausgelöst, ist aber später nur mehr am Rande Thema.

Ich kann es allen Menschen, die sich im Leben früher oder später mit dem Thema Tod und Sterben auseinandersetzen müssen - und das sind letztlich wir alle - von Herzen empfehlen und es wird einen besonderen Platz in meinem Bücherregal bekommen.

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Veröffentlicht am 05.11.2024

Liebevolle Einführung in das Thema

Die Kunst der Hexerei
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"Die Kunst der Hexerei" von Iris Panhans, online als Vollmondfüchsin bekannt, ist ein sehr liebevoll und behutsam geschriebenes und wunderschön gestaltetes Büchlein zur Einführung in die Hexerei. Es geht ...

"Die Kunst der Hexerei" von Iris Panhans, online als Vollmondfüchsin bekannt, ist ein sehr liebevoll und behutsam geschriebenes und wunderschön gestaltetes Büchlein zur Einführung in die Hexerei. Es geht dabei um den bedachten Umgang mit den Energien, die nach diesem Glauben allem innewohnen: Menschen, Tieren, Pflanzen, der Natur und den Elementen.

In einem sehr persönlichen und zugewandten Stil lässt die Autorin uns an ihrer persönlichen Erfahrung mit Magie teilhaben. Es ist, wie wenn sie Interessierte an der Hand nimmt zu einer kleinen gemeinsamen Erkundungstour in diese Weltsicht und Lebensweise.

Schon in den Buchklappen finden sich spannende Informationen zur magischen Wirkung der verschiedenen Farben, zu Sigillen zum Nachzeichnen, zur magischen Wirkung von Pflanzen und eine kurze Basics-Einkaufsliste sowie ein wunderschönes Lesezeichen zum Herausschneiden.

Das Buch selbst beginnt mit einer Einführung in die Lebenseinstellung und den Glauben einer modernen Hexe, dabei werden auch die Parallelen zu der uralten und international verbreiteten Welt des Glaubens an Energien, ob nun Hexerei, Wicca, Schamanismus oder anders genannt, erklärt. Dabei räumt die Autorin auch mit verbreiteten Vorurteilen auf und macht auch die Grenzen der Hexerei klar (z.B. dass es damit natürlich nicht möglich sein wird, auf einem Besen herumzufliegen).

Danach geht es an die Grundlagen, praxisorientiert beinhaltet dieses Kapitel ein spannendes Experiment mit den eigenen Handflächen, um einen ersten Einblick darin zu gewinnen, Energien zu spüren. Danach geht es um äußere Energiequellen wie Pflanzen, Kräuter, Steine und Farben, den Mond und die Elemente und das Arbeiten mit Entitäten, letzteres jedoch, wie die Autorin klar betont, nur für Fortgeschrittene. Auch hier zeigt sich wieder der achtsame und bedachte Zugang der Autorin zu ihrem Thema, von dem sie begeistert ist, in das sie einführen, aber mit dem sie auch niemanden überfordern möchte.

Schließlich werden in den darauffolgenden Kapiteln einige Zauber und Rituale dargestellt, zu Themen wie Wohnungsschutz, Auflösung von Negativität oder Selbstliebe. Und am Ende des Buches finden sich noch ein paar Räuchermischungen.

Mir persönlich gefällt der liebevolle, pragmatische und achtsame Zugang der Autorin sehr gut und ich kann das Buch allen, die eine humorvolle und persönliche Einführung in dieses Thema suchen oder sich allgemein für den bewussten Umgang mit Energien, das Setzen von Intentionen und eine tiefere Verbindung zur Natur interessieren, sehr empfehlen.

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Veröffentlicht am 05.11.2024

Wunderschön gestaltetes vegetarisches Kochbuch mit saisonalen Rezepten

Lovis kocht
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Lovis Messerschmidt teilt schon seit längerem ihre Leidenschaft für Kochen und gutes Essen auf Instagram mit vielen Interessierten. Oft danach gefragt, hat sie sich nun entschlossen, ein Kochbuch mit ihren ...

Lovis Messerschmidt teilt schon seit längerem ihre Leidenschaft für Kochen und gutes Essen auf Instagram mit vielen Interessierten. Oft danach gefragt, hat sie sich nun entschlossen, ein Kochbuch mit ihren eigenen Rezepten herauszubringen, und dieses ist wirklich gelungen: wunderschön gestaltet, mit vielen Bildern und persönlichen Worten und aus hochwertigen Materialien.

Das Kochbuch beinhaltet ausschließlich vegetarische (und einige vegane) Rezepte und gliedert sich nach den Jahreszeiten in "Frühling", "Sommer", "Herbst" und "Winter". Das macht saisonales Kochen sehr einfach.

Im "Frühling" gibt es bunte Rezepte mit frischem Grün wie z.B. Gartensalat mit eingelegten Radieschen, Brennesselsuppe, Whipped Ricotta mit grünem Spargel und gepickeltem Rhabarber oder auch eine Nachspeise wie Rhabarbergrütze mit Grießklößchen und Grundzepte für Vanillesauce und Brioche. Auch einfache und kindertaugliche Rezepte wie Spaghetti mit Erbsen und Zitrone sind dabei.

Im "Sommer" gibt es frische Rezepte wie z.B. Gurkensuppe mit Pfifferlingen, Burrata mit Erdbeeren und Kapern-Basilikum-Marinade, Gartenrisotto mit pochierten Eiern oder Pfirsichkuchen und Johannisbeertarte.

Im "Herbst" gibt es gemütliche Rezepte wie French Toast mit Birnen, Feigen-Ziegenkäse-Tarte, Spinat-Ricotta-Lasagne und auch einige etwas Exoterischere wie Perlcouscous mit Trauben, Pistazien und Feta oder indisch inspiriertes Aloo Masala mit Spinat und Butter-Naan. Insgesamt sind aber fast alle Rezepte so, dass sich die Zutaten dafür in jedem gut sortierten, größeren Supermarkt finden und leicht nachkochen lassen.

Im "Winter" gibt es Wärmendes wie Borschtsch, mehrere Wintersalate, Kartoffelgratin mit Bergkäse und danach Pflaumenknödel mit Mohn und Quark oder Creme-Fraiche-Schokokuchen.

Besonders mag ich an dem Kochbuch, das jedem Rezept eine Doppelseite gewidmet ist: links das Rezept und rechts ein ansprechendes Foto der fertigen Speise. Das macht es mir viel leichter, zu gustieren und ein Gefühl dafür zu bekommen, was ich gerade ausprobieren möchte.

Lovis hat selbst drei Kinder. Ist es ein Familienkochbuch? Nicht explizit, obwohl sich einige Rezepte darin finden, die den meisten Kindern schmecken. Bei den anderen Rezepten hängt es davon ab, was für Kinder man hat: meine sehr experimentierfreudige Tochter würde wohl fast alles davon essen; Kinder, die sonst eher nur Nudeln mit Butter essen, wohl weniger.

Insgesamt ist es eine bunte Mischung von mitteleuropäischen Rezepten und Gerichten aus aller Welt. Ich empfehle es also insbesondere Menschen, die Freude an einem wunderschön gestalteten Kochbuch haben und offen für vielfältige, internationale, aber unkompliziert zu kochende Rezepte sind, und sich gerne inspirieren lassen.

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Veröffentlicht am 30.10.2024

Authentisch und spannend geschriebener Roman über Gewalt in der Familie

Die Nacht der Bärin
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Vor kurzem habe ich das Buch "Die Nacht der Bärin" von Kira Mohn fertig gelesen und es schwingt noch immer stark bei mir emotional nach. Es regt zu Gedanken an über Familien, Gewalt, Traumata und die transgenerationale ...

Vor kurzem habe ich das Buch "Die Nacht der Bärin" von Kira Mohn fertig gelesen und es schwingt noch immer stark bei mir emotional nach. Es regt zu Gedanken an über Familien, Gewalt, Traumata und die transgenerationale Weitergabe davon. Darüber, ob und in welchem Ausmaß Eltern es ihren Kindern schulden, offen über die eigene Familiengeschichte mit all ihren Problemen zu reden, auch deshalb, damit sich destruktive Muster vielleicht nicht so leicht völlig unerkannt weitergeben und fortsetzen können.

"Die Nacht der Bärin" spielt auf zwei Zeitebenen. Auf der einen erleben wir die 26-jährige Jule in der heutigen Zeit. Jule ist in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen, Vater und Mutter führen eine harmonische Beziehung und auch sie hat als Kind bei ihnen Geborgenheit erlebt und kann auch als Erwachsene bei Schwierigkeiten jederzeit ins Elternhaus zurückkehren und dort Schutz und Unterstützung bekommen. Über ihre eigene Kindheit und Vergangenheit hat die Mutter aber nie viel erzählt, auch hat Jule weder Großeltern mütterlicherseits noch sonstige Verwandte von der Seite ihrer Mutter jemals kennen gelernt. Von der Oma mütterlicherseits weiß sie nur durch deren Briefe und Postkarten, sie hat sie nie getroffen.

Jule ist seit drei Jahren in einer Beziehung mit Jasper und dachte bis kurzem, selbst ebenfalls in einer guten Beziehung zu sein. Bis letztlich ein Streit zwischen Jasper und ihr völlig eskalierte und Jasper körperliche Gewalt gegen sie anwandte, in einem Ausmaß, dass Jule noch Tage danach Schmerzen verspürt. Danach ist Jule zu ihren Eltern geflüchtet und seitdem bombardiert Jasper sie mit Kurznachrichten und Anrufen und versucht, sie zu überzeugen, ihm noch eine Chance zu geben, da es ja nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen sei und ihm so leid tue. Jule weiß nicht, was sie tun soll... auf der einen Seite sind da die Erinnerungen an drei Jahre weitgehend schöne Beziehung, soll sie die wegwerfen? Auf der anderen Seite völlig überraschende heftige körperliche Gewalt gegen sie.

Jule befindet sich also bei ihren Eltern, als die Mutter, Anna, auf einmal einen Anruf erhält, dass ihre eigene Mutter, Jules Oma, die diese nie kennen gelernt hat, verstorben sei. Anna wirkt völlig verstört und Jule wird klar, dass es hier so einiges an Familiengeschichte zu geben scheint, von der sie nichts weiß. Sie überredet die Mutter, mit ihr gemeinsam zum Haus der verstorbenen Oma zu fahren und hofft auf Antworten.

Das ist der Beginn des ersten Erzählstranges. Im zweiten Erzählstrang, vor über 30 Jahren, erleben wir die Kindheit von Jules Mutter Anna und deren Schwester Maja mit. Diese Kindheit ist von heftiger familiärer Gewalt geprägt, der Vater verprügelt regelmäßig sowohl seine Frau als auch die beiden Töchter, jedes kleinste Vergehen wird mit drakonischen Maßnahmen vergolten. Besonders Anna, die ältere der beiden Mädchen, eine starke Persönlichkeit, die sich nicht brechen lassen will, trifft es besonders heftig. Und die Mutter sitzt daneben und schaut zu, nie schützt sie ihre Töchter. Nur die Verbindung zur Natur, zum Wald und zum See, und ihre innige Schwesternbeziehung mit einer gemeinsamen Fantasiewelt geben den Mädchen ein bisschen Halt, erstmal zumindest.

Ich habe dieses Buch atemlos gelesen. Es ist unglaublich gut geschrieben, man merkt, dass die Autorin ihr Handwerk versteht, sowohl, was den literarischen Aspekt und die Handlungs- und Figurenentwicklung angeht, als auch so authentisch, wie sie das Thema psychologisch angeht. Hier schreibt eine, die weiß und nachfühlen kann, wie es sich anfühlt, Opfer, Täter oder Zeuge familiärer Gewalt zu sein. Eine, die genau weiß, wie sich diese Dynamik schrittweise verstärkt und die Opfer immer mehr entmächtigt, sodass sie sich am Ende in einer sehr hilflos erscheinenden Situation befinden. Wie perfide die Täter dabei nicht nur die körperliche Integrität, sondern auch auf der psychischen Ebene den Selbstwert der Opfer völlig zerstören - bezeichnenderweise beginnen die Kapitel oft mit Aussagen des Täters wie "Deine bescheuerten Freundinnen haben in diesem Haus nichts zu suchen" oder "Wenn du mich lieben würdest, müsste ich dir nicht ständig alles sagen".

Es ist kein "schönes" Buch, dafür ist das Thema zu heftig, aber es ist ein sehr gutes Buch.

Absolute Leseempfehlung für alle, die nicht nur ein spannendes Buch lesen möchten, sondern vor allem auch bereit sind, sich tiefgehend und authentisch mit dem Thema familiäre Gewalt, Traumatisierung und transgenerationale Weitergabe von familiären Mustern zu beschäftigen.

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