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Veröffentlicht am 07.09.2023

- New-Food-Thriller mit diversen Längen und einigen Schwächen -

Der Skandal
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T. S. Orgel - Der Skandal
(Heyne Verlag)

- New-Food-Thriller mit diversen Längen und einigen Schwächen -

Berlin in der nahen Zukunft, zu einer nicht näher bestimmten Zeit im Winter. Mit einer erschütternden ...

T. S. Orgel - Der Skandal
(Heyne Verlag)

- New-Food-Thriller mit diversen Längen und einigen Schwächen -

Berlin in der nahen Zukunft, zu einer nicht näher bestimmten Zeit im Winter. Mit einer erschütternden Erkenntnis im Gepäck macht sich Journalist Peter Heigen auf den Weg zu seiner Freundin Lisa. Dort kommt er allerdings nicht an. Stattdessen landet Peter, nach einem vorsätzlich an ihm verursachten Unfall, schwer verletzt im Krankenhaus. War dies eine Warnung oder hatte man ihn gar töten wollen? Als Peters Schwester Anna Heigen, eine ruhelose Weltenbummlerin, von dem Unfall ihres Bruders erfährt, reist sie sofort an, um gemeinsam mit Peters Freundin Lisa Dorner für ihn da zu sein. Anna, die in der nun verwaisten Wohnung ihres Bruders unterkommt, lässt sich in der Folge schnell in den Bann von Lisas und Peters Aktivistengruppe ziehen. Eine neuartige Hirn- und Nervenkrankheit ist aufgetreten. Offensichtlich sind die Krankheits- und Todesfälle auf künstlich gezüchtetes Laborfleisch, welches eigentlich als Heilsbringer für die gesamte Ernährungswirtschaft dienen sollte, zurückzuführen. In dem weltweit agierenden Großkonzern Light Foods und deren CEO Dan Light ist schnell ein Sündenbock gefunden...und schon ist er perfekt: Der Skandal!

Hinter dem Pseudonym T. S. Orgel verbirgt sich das Brüderpaar Thomas ( 1973 in Görlitz) und Stephan Orgel ( 1976 in Görlitz), welches Fanatstikfreunde unter anderem von den erfolgreichen Romanserien "Orks vs. Zwerge" und "Die Blausteinkriege" her kennen dürften. Mit ihrem neuen Biothriller "Der Skandal" haben sich der Grafikdesigner und der Verlagskaufmann erstmals auf fremdes Terrain begeben und sich dem durchaus interessanten, wie aktuellen Thema in-vitro-Fleisch angenommen. Im Stile Marc Elsbergs oder Andreas Brandhorsts entwerfen die beiden Schriftsteller auf 448 Seiten, ein durchaus brisantes Szenario. Die Geschichte galoppiert anfangs geradezu über die Buchseiten des rasanten Biothrillers. Die beiden Autoren binden die Gegebenheiten der jeweiligen Situationen und Lokalitäten geschickt in ihre Geschichte ein. Sie kehren dabei ohne viel Geschwafel direkt wieder zum Kern der Geschichte zurück. Doch genau diesen Aspekt lassen Thomas und Stephan Orgel ab einem gewissen Zeitpunkt nahezu vollkommen außer Acht, was daraufhin in einem kontraproduktiven Effekt mündet. Der Spannungsbogen wird aufgeweicht, ja regelrecht platt getreten und unnötig in die Länge gezogen. Weit über 250 Seiten lang geschieht wenig bis gar nichts. Der gemächlich und unaufgeregt vor sich hin plätschernde Aufbau stört gleichermaßen Lesefluss, wie Spannung und erstickt den anfänglichen Lesespaß im Nu.

Eine wirklich stichhaltige und nachvollziehbare Erklärung, warum die Firma Light Foods in Verdacht geraten ist, erfolgt auch bis Seite 250 nicht. Da ist es doch sehr verwunderlich, dass sich die, ansonsten recht intelligent wirkende Anna Heigen, aufgrund haltloser Behauptungen, von der Aktivistengruppe zu einer hirnrissigen und hochkriminellen Aktion anstiften lässt, auf die sie trotz jeglicher fehlender Kausalitäten prompt eingeht. Dass dieser Schuss nach hinten losgehen muss, ist so klar, wie das Amen in der Kirche. Befremdlich fand ich ebenfalls den Aspekt, dass Anna hunderte Seiten lang nicht an ihren, schwerverletzt im Krankenhaus liegenden Bruder denkt, für den sie das irrsinnige Wagnis, das schnell im Gefängnis enden kann, auf sich nimmt.

Obschon mir der harmonische, bildhaft ausstaffierte Schreibstil der beiden Autoren durchaus zusagt, wirkt der "Der Skandal" auf mich stoisch runtergerasselt und in den Raum geworfene Informationen uninteressant. Es wird das Gebaren der Fleischindustrie thematisiert, welches bereits in zigtausend Talkshows mindestens ebenso oft durchgekaut wurde. Flair und Atmosphäre entwickeln sich in dieser Weise kaum. Auch der anfängliche "grüne Weltverbesserungsflair", welcher mit dem erhobenen Zeigefinger gegen den Fleischkonsum wettert, macht die dünne Ausgangslage nicht besser. Das Autorenteam T. S. Orgel geht mir hier zu energisch auf das allgemeine Essverhalten, Zusatzstoffe im Essen, Fleischersatz aus dem Labor und sonstiges Food Engineering ein, was mir persönlich die Leselaune etwas vergällte. Das Personal ist überschaubar und authentisch gezeichnet, doch die sprunghafte Erzählweise, bei der man als Leser nicht immer sofort mitkommt, war mitunter harter Tobak. Vielleicht ging es ja nur mir so, doch ich wusste häufiger gar nicht mehr, wo sich das ganze überhaupt abspielte. Die Recherchen zu "Der Skandal" sind gut, die Pointen eher flach. Dabei bedienen sich Thomas und Stephan Orgel sämtlicher Klischees, was mit der Zeit regelrecht nervtötend wirkt. Ihr Biothriller lebt von der Konversation, kommt aber erst nach 300 Seiten wieder so richtig in Fahrt. "Der Skandal" schaut somit für mein Befinden leider nicht großartig über den Tellerrand einer Fernsehfilmproduktion der Öffentlich-rechtlichen hinaus. Schade!

(Janko)

https://ts-orgel.de/tso/
https://www.facebook.com/tsorgelautor
https://www.instagram.com/tsorgel/

Brutalität/Gewalt: 17/100
Spannung: 57/100
Action: 35/100
Unterhaltung: 63/100
Anspruch: 29/100
Atmosphäre: 40/100
Emotion: 35/100
Humor: 02/100
Sex/Obszönität: 05/100

https://lackoflies.com - Wertung: 62/100

T. S. Orgel - Der Skandal
Heyne Verlag
Biothriller
ISBN: 978-3-453-32210-3
448 Seiten
Paperback
Erscheinungstermin: 12.07.2023
EUR 16,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
eBook (epub) ISBN: 978-3-641-28941-6
Erscheinungstermin: 12.07.2023
EUR 11,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

Hörbuch Download ISBN: 978-3-8371-6303-2
Erscheinungstermin: 10.07.2023
EUR 25,95 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Der Skandal" beim Heyne Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Der-Skandal/T-S-Orgel/Heyne/e601358.rhd

Leseprobe: https://www.penguin.de/leseprobe/Der-Skandal/leseprobe_9783453322103.pdf

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Veröffentlicht am 23.06.2023

- bizarre Dystopie mit langatmigen Durststrecken -

Kälte
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Tom Rob Smith - Kälte
(Heyne Verlag)

- bizarre Dystopie mit langatmigen Durststrecken -

Lissabon, Portugal, in naher Zukunft. Die New Yorker Medizinstudentin Liza macht mit ihrer Familie eine Stadtführung ...

Tom Rob Smith - Kälte
(Heyne Verlag)

- bizarre Dystopie mit langatmigen Durststrecken -

Lissabon, Portugal, in naher Zukunft. Die New Yorker Medizinstudentin Liza macht mit ihrer Familie eine Stadtführung durch Portugals Hauptstadt. Bei einer kurzen Verschnaufpause trifft sie auf den jungen Reiseführer Atto, der Liza unentgeltlich auf eine Sonnenuntergangsfahrt auf dem Rio Tejo einlädt. Als sie nach der Fahrt wieder am Pier anlanden, bemerken die beiden, dass die Praça do Comércio menschenleer ist, die anderen Boote unvertäut im Hafen treiben und ihre Handys nicht mehr funktionieren. Plötzlich tauchen am Himmel lauter helle Punkte auf, die sich als Raumschiffarmada herausstellen. Die Menschheit dreht daraufhin vollends durch und verstopft die Straßen. Unfälle geschehen, es wird geplündert, gerangelt, getreten, geschlagen. Alles gerät außer Rand und Band. Der Flughafen wird geschlossen, die Armee schießt auf jeden, der sich nähert. So bleibt Liza und ihrer Familie keine Möglichkeit mehr, das Land Richtung USA zu verlassen. Doch die Botschaft der Außerirdischen weist ohnehin in eine gänzlich andere Richtung: Die Menschheit solle sich innerhalb von 30 Tagen auf den Kontinent Antarktika begeben. Dem kältesten, windigsten und lebensfeindlichsten Kontinent auf dem gesamten Planeten. Wer es bis dahin nicht schafft, wird vernichtet.

Tom Rob Smith ist ein wahnsinnig guter Erzähler. Das hat er bereits mit seiner dreiteiligen Erfolgsserie um den ehemaligen MGB Agenten Leo Stepanowitsch Demidov bewiesen. Selbst unwichtig erscheinenden Nichtigkeiten haucht der, 1979 in London geborene Schriftsteller, Drehbuchautor und Fernsehproduzent, in einer intelligenten, niveauvollen und flamboyanten Erzählkunst, Leben ein. Allerdings wechselt Tom Rob Smith, in seinem neuesten Roman "Kälte", für meinen Geschmack, etwas zu abrupt die Themenfelder. Auch der Notwendigkeit, auf Teufel komm raus in die Antarktis ausweichen zu müssen, hätte der Brite gerne eine plausible Erklärung folgen und somit mehr Nachdruck verleihen dürfen. Einen Grund dafür nennt er nämlich nicht. Eine solch kriegerische Spezies wie sie der Mensch darstellt, ließe sich sicherlich nicht so mir-nichts-dir-nichts von seinem geliebten und gelobten Land vertreiben und seien die Folgen für seine Spezies auch noch so katastrophal. Das utopische und zukunftsorientierte Gedankenkonstrukt gerät im weiteren Verlauf der Story leider zu einer bizarren Dystopie mit enormen Durchhängern, was sich äußerst negativ auf die anfängliche Spannung auswirkt.

Neben etlichen Fremden gelingt Liza, ihrer kleinen Schwester Emma und Atto die Überfahrt an Bord des Supertankers Axios. Doch in der Antarktis angekommen, merken alle recht schnell, dass ihre Kleidung gegen die starken Winde und die Temperaturen von unter -50° Celsius keinen ausreichenden Schutz bieten. Viele der Abermillionen an Menschen, die von Bord der unzähligen angelandeten Schiffe an Land gehen, sterben bereits nach kurzer Zeit. Etliche fallen ins eisige Wasser, andere fallen den frostklirrenden Temperaturen zum Opfer. Ein Kampf ums Überleben im ewigen Eis beginnt.

Das Leben und Wirken der Protagonisten stellt sich schon ein wenig skurril, konstruiert und an den Haaren herbeigezogen dar. Das muss man schon abkönnen. Der vollkommen überzeichnete, 464 Seiten umfassende Plot zu "Kälte", welcher im englischen Original Anfang 2023 unter dem Titel "Cold People" erschien, geht vielleicht gerade deswegen nicht so recht an mich. Verhalten und Kommunikation der einzelnen Charaktere sind für mich ebenfalls nicht immer stimmig. Hier bleibt mir deutlich zu viel Authentizität auf der Strecke. Die Geschichte ist zum Teil widersprüchlich, zieht sich, wie ein frisch verdauter Kaugummi, lässt sich aber, trotz seiner Widrigkeiten recht gut lesen, das muss man Tom Rob Smith schon lassen. Dennoch kommt innerhalb der lahmen Schreckensvision selten Atmosphäre, Spannung oder Action auf.

Nach einem Sprung ins Jahr 2043 nimmt der komplexe, literarische Trip im ewigen Eis, abermals eine deutliche Wende. Besser wird er dadurch allerdings nicht! Zwei Millionen Überlebende, die sich 20 Jahre nach der Verbannung auf insgesamt drei Siedlungen aufgeteilt haben, meistern ihr Leben unter den extremen Umständen so gut es geht. Atto und Liza leben in Hope Town ein hartes und entbehrungsreiches Leben. Nur den eisadaptierten Kindern aus McMurdo Citys Kältemenschen-Projekt scheint die Kälte, aufgrund der dort durchgeführten Genmanipulationen, nichts auszumachen. Sie sollen den Fortbestand der menschlichen Rasse sichern. So wie Attos und Lizas gemeinsame Tochter Echo. Die immer radikalere Vorgehensweise innerhalb der geheimen, experimentellen Genveränderung in McMurdo City hält unvorhersehbare Nebenwirkungen bereit und schnell gerät eine neue Variante der Eisadaptierten mit den restlichen Bewohnern der Siedlungen in eine blutige Fede um Leben und Tod.

(Janko)

https://tomrobsmith.com/
https://www.facebook.com/tom.r.smith.92
https://www.instagram.com/tomrobsmith/

Brutalität/Gewalt: 26/100
Spannung: 62/100
Action: 52/100
Unterhaltung: 70/100
Anspruch: 23/100
Atmosphäre: 57/100
Emotion: 52/100
Humor: 03/100
Sex/Obszönität: 02/100

https://www.lackoflies.com - Wertung: 64/100

Tom Rob Smith - Kälte
Heyne Verlag
SciFi-Thriller
ISBN-13: 978-3-453-27413-6
464 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
Originaltitel: Cold People
Aus dem Englischen von Michael Pfingstl
Erscheinungstermin: 12.04.2023
EUR 22,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-29481-6
Erscheinungstermin: 01.02.2023
EUR 13,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Kälte" beim Heyne Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Kaelte/Tom-Rob-Smith/Heyne/e612360.rhd

Leseprobe: https://www.penguinrandomhouse.de/leseprobe/Kaelte/leseprobe_9783453274136.pdf

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Veröffentlicht am 20.05.2022

Gustaf Skördeman - Geiger

Geiger
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Gustaf Skördeman - Geiger
(Lübbe Belletristik)

- nüchterner, staubtrockener und langatmiger Polit- und Geheimdienst-Thriller -

Sommer 2020 am Mälaren, dem drittgrößten See Schwedens. Nach einem kurzen ...

Gustaf Skördeman - Geiger
(Lübbe Belletristik)

- nüchterner, staubtrockener und langatmiger Polit- und Geheimdienst-Thriller -

Sommer 2020 am Mälaren, dem drittgrößten See Schwedens. Nach einem kurzen Besuch ihrer Töchter Lotta und Malin, samt deren Familien, erhält Agneta Broman einen Anruf. Der Anrufer stellt lediglich das einzelne Wort "Geiger" als Frage und legt sofort wieder auf. Das nimmt Agneta zum Anlass, sich im Anschluss an das kurze Telefonat ihres Ehemannes Stellan Broman, einem ehemaligen und sehr beliebten Fernsehmoderator, zu entledigen. Ihr ganzes Leben lang hat sich Agneta auf diesen Auftrag vorbereitet. Und weitere Leichen werden folgen, denn Operation "Geiger" hat begonnen…

Das Original des, 1965 in Nordschweden geborenen Schriftstellers, Drehbuchschreibers, Regisseurs und Filmproduzenten Gustaf Skördeman, das in Schweden im Jahre 2020, ebenfalls unter den Titel "Geiger" erschien, ist sein schriftstellerisches Erstlingswerk. Nüchtern, leblos und trocken zeichnet Skördeman die Geschichte des kalten Krieges nach, die Gepflogenheiten der High Society in Schweden, der Politik, der ausschweifenden Partys, des Lobbyismus und der Abläufe beim BND in Pullach. Alles bleibt grau in grau, wie das durchgeweichte Feuilleton einer Tageszeitung, an einem regnerischen Novembermorgen, in einem x-beliebigen Stadtpark. Der Autor kaut sämtliche Eventualitäten bis zum Erbrechen durch, wiederholt sich zigmal, reitet permanent auf den immer gleichen Themen herum und zieht von einer Belanglosigkeit zur nächsten. Immer wieder geht es um Partys mit diversen Promis, Fernsehleuten, Politikern, Unternehmern und Wissenschaftlern. Das Ganze in Dauerrotation. Die Charaktere bleiben blass und die Emotionalität somit komplett auf der Strecke. Lokalkolorit selbstredend Fehlanzeige! Action und Spannung werden hunderte Seiten lang auf ein absolutes Minimum reduziert. Der Roman mag ja durchaus seine spannenden Momente haben, ist aber stellenweise ähnlich interessant verfasst, wie das Bürgerliche Gesetzbuch. Aufs Wesentliche komprimiert, wäre das 495-Seiten-Werk "Geiger" sicherlich mit der Hälfte der Seiten ausgekommen.

Die, von Minderwertigkeitsgefühlen und Problemen mit ihrem Ego geplagte Kriminalkommissarin Sara Nowak, die normalerweise im Rotlichtmilieu ermittelt, kennt Familie Broman seit ihrer Kindheit. Als Sara von Stellans Tod erfährt, beginnt sie, gegen den Willen ihrer Vorgesetzten, mit den Ermittlungen in dessen Umfeld. Irgendwann bröckelt die Fassade des beliebten Fernsehmoderatoren "Onkel Stellan", wie ihn ganz Schweden nannte. Was Sara Nowak nach und nach aufzudecken beginnt, hätte sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Sara stößt bei ihren Ermittlungen auf widerwärtige Skandale, schamlose Ungeheuerlichkeiten und skrupellose Amoral, die sie immer mal wieder die Beherrschung verlieren lassen, was hier und da, sehr zum Leidwesen ihres Dienstherrn, schon mal in kleineren bis größeren Gewaltexzessen mündet. War Stellan Broman etwa in Stasi-Angelegenheiten verwickelt? War er ein Inoffizieller Mitarbeiter? Ein IM? Ein Spion? Und warum wurde er von seiner Frau Agneta, deren Verhalten oftmals unprofessionell, riskant und unlogisch erscheint, so mir nichts, dir nichts ins Jenseits befördert?

Gustaf Skördeman, der heute mit seiner Frau und den beiden Kindern in Stockholm lebt, hat mit "Geiger" einen nur bedingt spannenden Polit- und Geheimdienst-Thriller verfasst, dem es obendrein noch deutlich an Leben, Flair und Charisma fehlt. Wie ein frisch verdauter Kaugummi, zieht sich bereits die Einleitung in die Länge. Die langwierigen Investigationen nehmen sich aus, wie eine Art Faktencheck ohne Kulisse. Alles wirkt anstrengend und dröge, was das Gelesene, wie flüchtigen Rauch sofort wieder in alle Himmelsrichtungen verfliegen lässt. Die Geschichte um "Onkel Stellan", die im weitesten Sinne den palästinensischen Terroristen Abu Rasil, ehemalige Funktionäre der DDR, die ehemalige Sowjetunion und diverse Terroristengruppen umfasst, sowie Thematiken rund um Spionage, den kalte Krieg, die NATO und den Warschauer Pakt, aber auch Prostitution und Missbrauch behandelt, wirkt teilweise an den Haaren herbeigezogen. Ich kann den Hype um dieses Erstlingswerk des schwedischen Autoren Gustaf Skördeman, mit seinem resignierenden, leicht melancholischen Unterton daher auch beim besten Willen nicht nachvollziehen und werde seine Trilogie mitnichten weiterverfolgen. Wenn erst im zweiten Drittel Action aufkommt, ist das für mein Empfinden einfach zu wenig!

(Janko)

https://www.facebook.com/gustaf.skordeman

Brutalität/Gewalt: 26/100
Spannung: 58/100
Action: 53/100
Unterhaltung: 64/100
Anspruch: 29/100
Humor: 00/100
Sex/Obszönität: 12/100

https://www.lackoflies.com - Wertung: 65/100

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Veröffentlicht am 18.05.2024

Ray Nayler - Die Stimme der Kraken

Die Stimme der Kraken
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Ray Nayler - Die Stimme der Kraken
(Tropen Verlag)

- abstraktes und anspruchsvolles Essay über Kommunikation, Bewusstsein und neuronale Netze -

Bezirk 3, der Autonomen Handelszone Ho Chi Minh, irgendwann ...

Ray Nayler - Die Stimme der Kraken
(Tropen Verlag)

- abstraktes und anspruchsvolles Essay über Kommunikation, Bewusstsein und neuronale Netze -

Bezirk 3, der Autonomen Handelszone Ho Chi Minh, irgendwann in einer dystopischen, wenig schmeichelhaften Zukunft. Bei einem Geschäftsessen erzählt der ehemalige Tauchlehrer Lawrence einer Mitarbeiterin von DIANIMA, wie er und sein damaliger Kollege Son, während eines Tauchgangs zu einem Wrack im Archipel Con Dao, einen Kunden verloren hat. Jemand oder etwas hatte Selbigen im Wrack eingeklemmt und ihn seiner gesamten Ausrüstung beraubt. Des Atemreglers, der Sauerstoffflasche, der Tauchmaske. Jedes Mal, wenn Lawrence an den Vorfall dachte, war er sich sicher, dass nicht er etwas gesehen hatte, sondern dass vielmehr ihn etwas gesehen hatte. Drei Monate später ging die Evakuierung der Inselgruppe, samt ihres Wasserschutzgebietes los, auf der Lawrence zu der Zeit einen Tauchladen betrieb. Unmittelbar nach dem Geschäftsessen fällt Lawrence einem Anschlag zum Opfer.

In Zeiten von KI gesteuerten, autonomen Maschinen, Gesichts- und Stimmenabglanz, Sprengwespen, 3D-Projektionen, Palimpscreens, Rikscha-Drohnen, Flüssigkontrollsystemen und Nanoreinigern, wird Dr. Ha Nguyen zum Forschungsvorposten Con Dao eingeladen, um einen freilebenden, kommunikativen Oktopus zu studieren. Der internationale Technologiekonzern DIANIMA, kaufte die Inselgruppe, um den Forschungsstützpunkt zu errichten, der mit allen erdenklichen Mitteln verteidigt wird. Hier soll Dr. Ha Nguyen, gemeinsam mit dem KI-Androiden Evrim, dessen Künstliche Intelligenz die vollständige, wachsende Komplexität des menschlichen Geistes nachbildet, sowie der Sicherheitsbeauftragten Altantsetseg, Forschung an einem, im Schiffswrack vor Con Dao lebenden Oktopus betreiben, um die komplexe, vielschichtige Sprache der Kraken zu verstehen und zu erlernen. Mit einem Tauchroboter rücken sie dem Kraken immer wieder auf die Pelle, bis der Krake von sich aus an Land kommt und tatsächlich über Symbole mit ihnen zu kommunizieren beginnt. Doch wie werden sich diese Ergebnisse, wenn sie erstmals publik werden (mit all ihren gierigen, halsabschneiderischen und ausbeuterischen Folgeerscheinungen), auf die Population der Kraken an sich auswirken?

"Das Großartige und das Schreckliche an der Menschheit ist: Wir werden immer das tun, wozu wir in der Lage sind." Zitat S. 50

Der 1976 in Québec, Kanada geborene Schriftsteller Ray Nayler, hat in seinem abstrakten und anspruchsvollen Essay "Die Stimme der Kraken", interessante technologische und neurologische Überlegungsansätze verarbeitet. Er stellt Fragen über Kommunikation, Bewusstsein und neuronale Netze. Was ist die genaue Definition von Bewusstsein, wie kann man es messen und wie kann man es nachweisen? Wo fängt ein Bewusstsein an? Was ist Sozialität? Wer hier allerdings einen waschechten Wissenschaftsthriller erwartet hat, wird bitter enttäuscht sein, denn "Die Stimme der Kraken" ist vielmehr eine philosophische Betrachtung mit esoterischem Sachbuchcharakter, eingebunden in ein vages Hard SF-Gewand. Nayler liefert durchaus interessante Gedankenspiele zur Gesamtheit von Körper, Geist und Seele, geht in seiner ausufernden Fantasie auf die Komplexität und Wertigkeit von Mensch und Tier ein, auf Ethik, Moral, Rechtschaffenheit, das Leben an sich und das Gewimmel aus programmierten Impulsen, die sich endlos wiederholen. Neuronen, Konnektome, KI. Was daraus letzten Endes erwächst, wie damit umzugehen, wie es zu regulieren, und wie damit zu leben ist. Der kanadische Autor vergleicht die Persönlichkeit und Kreativität des Individuums von Mensch, Tier und KI, vergisst darüber jedoch eine konsequente Handlung in seinem Roman aufzubauen und seinen Plot mit Leben zu füllen. Die gesamte Thematik wirft einen tiefen esoterischen Schatten und ist mir persönlich zu theoretisch umgesetzt, um ernsthaft Spannung oder einen dynamischen Flow zu generieren. Jedes Kapitel wird durch wissenschaftliche Aussagen, Blickpunkte oder Gedankenspiele aus den fiktiven Büchern von Dr. Ha Nguyen oder Dr. Arnkatla Mínervudóttir-Chan eingeleitet, bietet letzten Endes aber wenig Neuerungen. In Naylers vielschichtigem Epos "Die Stimme der Kraken" geht es aber auch um die Rekonstruktion des Geistes, mit all seinen Erinnerungen, bis ins allerkleinste Detail, die erschreckend schnell voranschreitende Ausbeutung der Meere, um Ökonomie und Algorithmen, sowie die moderne Sklaverei der Arbeitswelt.

Eiko, der nach seiner Entführung aus der Autonomen Handelszone Ho Chi Minh, als Sklave auf dem KI gesteuerten Fischtrawler "Sea Wolf" arbeiten muss, wollte sich in Ho Chi Minh eigentlich einen gut bezahlten Job als Programmierer bei der Firma DIANIMA sichern. Nun muss er Fische ausnehmen und schockgefrieren. Tagein, tagaus. Ohne Aussicht auf ein Ende. Er und seine knapp 20 Kameraden werden von bewaffneten Söldnern beaufsichtigt. Eine Flucht scheint unmöglich. Sein Freund Son, ebenfalls Sklave auf dem autonomen Fischtrawler, erzählt Eiko von einem Seeungeheuer, das vor Con Dao immer wieder Menschen angegriffen und getötet hat. Das sei Sons Meinung nach auch der eigentliche Grund für den Kauf des Archipels durch die DIANIMA und der Grund für die Vertreibung der Bevölkerung, sowie die anschließende Evakuierung der Inselgruppe. Als die Sklaven eine Meuterei anzetteln und gegen die KI antreten, trifft sie alsbald eine bittere Erkenntnis und die Crew muss sich eingestehen, dass sie sich mit ihrem Aufstand gegen die "Sea Wolf" tief in den eigenen Finger geschnitten hat.

Ray Nayler wirft immer wieder interessante Fakten, Thesen und philosophische Betrachtungen über den Sinn von Sprache, Buchstaben und Symbolen ein und wie wir uns dadurch von den unterschiedlichen Kommunikationsebenen der Flora und Fauna unterscheiden. Er beleuchtet dabei die Kommunikationsarten, sowie die Evolution verschiedener Kopffüßer, nutzt hierbei hin und wieder Fremdwörter aus Medizin und Wissenschaft, die nicht unbedingt jedermanns Vokabular entsprechen dürften und ist daher auch nicht durchgehend leicht zu lesen. "Die Stimme der Kraken" ist schon ein sehr kopflastiges Buch geworden, das nicht jedermanns Sache sein dürfte. Mir persönlich ist das Verständnis und Hineindenken in Lerneffekte, Handlungen und Kommunikation, letztlich in die Stimme der Kraken, ein wenig zu konstruiert, zu theoretisch und zu abstrakt arrangiert. Nayler, der heute mit Frau und Tochter in Washington D.C. lebt, interpretiert ein bisschen zu viel vages Gedankengut in den "Geist" und die Kommunikation der Kraken hinein. Ich weiß um die Recherche, die vielen Stunden und die damit verbundene Arbeit, die Ray Nayler in seinen Roman gesteckt hat. Für einen belletristischen Roman herrscht mir hier definitiv zu viel Spekulation und eindeutig zu wenig Handlung. Sein 2020 im Original erschienener Debütroman wirkt dadurch regelrecht zerstückelt. Schade eigentlich!

(Janko)

https://www.raynayler.net/
https://www.facebook.com/raynayler/
https://www.instagram.com/raynayler/

Brutalität/Gewalt: 37/100
Spannung: 30/100
Action: 28/100
Unterhaltung: 51/100
Anspruch: 50/100
Atmosphäre: 38/100
Emotion: 29/100
Humor: 03/100
Sex/Obszönität: 07/100

https://www.lackoflies.com" target="_blank">https://www.lackoflies.com - Wertung: 42/100

https://www.lackoflies.com" target="_blank">https://www.lackoflies.com - Altersempfehlung: ab 25 Jahren (aufgrund der anspruchsvollen und abstrakten wissenschaftlichen Thematik)

Ray Nayler - Die Stimme der Kraken
Tropen Verlag
SciFi/Fantasy/Öko-Thriller
ISBN: 978-3-608-50013-4
464 Seiten
Gebundene Ausgabe mit Farbschnitt
Originaltitel: The Mountain in the Sea (2020)
Aus dem amerikanischen Englisch von Benjamin Mildner
Erscheinungstermin: 20.04.2024
EUR 26,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-608-12249-7
Erscheinungstermin: 20.04.2024
EUR 20,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

ISBN Hörbuch Download (Ungekürzte Lesung mit David Nathan): 978-3-7424-3176-9
Erscheinungstermin: 20.04.2024
EUR 25,95 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Die Stimme der Kraken" beim Tropen Verlag: https://www.klett-cotta.de/produkt/ray-nayler-die-stimme-der-kraken-9783608500134-t-8556" target="_blank">https://www.klett-cotta.de/produkt/ray-nayler-die-stimme-der-kraken-9783608500134-t-8556

Leseprobe: https://www.klett-cotta.de/filesmedia/reading_samples/4215.pdf

Hörprobe: https://www.der-audio-verlag.de/app/uploads/2024/03/9783742431769.mp3

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Veröffentlicht am 10.11.2024

Frank Schätzing - Helden

Helden
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Frank Schätzing - Helden
(Kiepenheuer & Witsch)

- ausschweifend strapaziöses Historien-Epos -

Wie ich es hasse, ein Buch abzubrechen! Doch die Lektüre der ersten 365 Seiten zu "Helden" war mir dermaßen ...

Frank Schätzing - Helden
(Kiepenheuer & Witsch)

- ausschweifend strapaziöses Historien-Epos -

Wie ich es hasse, ein Buch abzubrechen! Doch die Lektüre der ersten 365 Seiten zu "Helden" war mir dermaßen anstrengend, dass ich mich dazu gezwungen sah, diesen bitteren Schritt zu gehen. Dem Roman mangelt es an Flair, Charisma und Cozyness. Kein Wunder, wenn man sich als Leser nach 330 Seiten fragt, worauf der Autor eigentlich hinaus will und vor allem Dingen, wann die Geschichte denn endlich loszugehen gedenkt! Frank Schätzing kommt im zweiten Teil der "Jacop der Fuchs"-Trilogie einfach nicht auf den Punkt und entwickelt keinerlei Storyboard mit erzählerischem Flow (außer seiner ausufernden, gleichwohl entbehrlichen geschichtlichen Abhandlungen der englischen, wie französischen Geschichte, deren Herrscher, deren Kriege, sowie deren gegenseitigen Ausbeutungen). Die Handlung, die sich eigentlich mit Jacop der Fuchs und seinem Umfeld befassen sollte, dreht sich fast ausschließlich um die Kölner Handlungsbeziehungen des 13. Jahrhunderts, die damalige wirtschaftliche Lage, die finanziellen Geschicke, den Klüngel und das Bankwesen. Dabei hat Schätzing offenbar das Kölner Stadtarchiv auf links gedreht. Doch alles bleibt seltsam monoton, ermüdend und belanglos, auch wenn der Autor seinen Kontext wie gewohnt mit intelligentem Wortwitz angereichert hat. Der gesamte Dunstkreis, in dem sich "Helden" abspielt, ist zäh wie ein frisch verdauter Kaugummi. Für mich persönlich nahezu unlesbar und das mit Abstand schlechteste, weil hoffnungslos überladene Buch des deutschen Bestsellerautors.

Der 1957 in Köln geborene Allrounder Frank Schätzing steigt mit seinem neuen historischen Roman "Helden" im Prinzip da ein, wo er vor knapp drei Dekaden mit "Tod und Teufel" aufgehört hat. Die Verschwörung um den Mord am ersten Dombaumeister des Kölner Doms, Meister Gerhard Morart zwar unlängst aufgedeckt, die Täter jedoch nicht öffentlich beim Namen genannt, besteht für Jacop, Jaspar, Goddert und Richmodis noch immer Gefahr für Leib und Leben. Die getroffene Absprache mit den Overstolzen auf wackligen Beinen, müssen sie nach wie vor auf der Hut sein. In einem wirtschaftlich aufstrebenden, mittelalterlichen Köln, in dem der Klerus seine Vormachtstellung allmählich gegenüber Handelswaren und Devisen einzubüßen droht, erhält Jacop der Fuchs die Chance sein Leben endlich in geordnete Bahnen zu lenken. Während die Patrizier eifrig an ihren Handelsstrategien feilen, erhält der ehemalige Herumtreiber, Gaukler und Dieb das Angebot von eben jenen Patriziern zum Kaufmann ausgebildet zu werden. Wissbegierig wie er ist, saugt Jacop alles geflissentlich in sich auf. Dabei ergeht er sich jedoch in endlosen Ergüssen über seine Vergangenheit, seinen jetzigen Platz im Leben und über seine Zukunft. Ein Wiedersehen mit Jaspar Rodenkirchen, Goddert von Weiden, seiner Tochter Richmodis, Erzbischof und Landesherr Konrad von Hochstaden, der reichen Patrizierfamilie der Overstolzen, sowie dem Hünen und Auftragsmörder Urquhart von Monadhliath, das Jacop auf Handlungsreisen von Köln über Frankreich, England und Schottland bis nach Wales führt.

Auf der einen Seite muss man Frank Schätzing zugestehen, dass er sein 1040 Pagina zählendes Epos auf ein äußerst hohes Niveau gehoben hat, auf der anderen Seite ist das dargebrachte Material einfach "too much" für den Gelegenheits-, bzw. den Otto-Normalleser. Schätzing nutzt eine fantasiegeschwängerte, blumig-verschnörkelte, metaphorisch eingefärbte und gehoben stilisierte Rhetorik, die sich an Begrifflichkeiten und Gepflogenheiten der mittelalterlichen Zeit satt frisst. Seine bildgewaltige, mit einem Wahnsinnsaufwand recherchierte Erzählkunst, ist zweifelsohne dazu prädestiniert, eine tiefgehende Atmosphäre der damaligen Zeit heraufzubeschwören, in die der Leser immersiv abzugleiten vermag. Jeder Satz ist geistreich mit Bedacht gewählt, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, jeder Kontext feinfühlig gesponnen und verwebt, was jedoch vollkommen überladen und extrem ausladend wirkt. Schätzing kommt vom 100stel ins 1.000stel und verlangt seinen Lesern ein hohes Maß an Allgemeinbildung, sowie ausgedehnte Französisch- und Latein-Kenntnisse ab. Es ist dieser, vor Stolz gebrüstete, anspruchsvolle und mit unterschwelligem Humor garnierte Stil, für den ihn seine Leser lieben, der aber nicht immer leicht verständlich daherkommt und folglich auch nicht jedermanns Sache sein dürfte. Dies sind nun mal die Hauptattribute, welche die komplexen, literarischen Träumereien von Frank Schätzing begleiten, die selbige so lebendig und so unendlich lesenswert machen, könnte man argumentieren. Auch ich habe diese stilistischen Stärken an seinen früheren Werken sehr genossen, doch war mir das selbstgelobhudelte, halb geschichtlich fundierte, halb fiktionale Kauderwelsch im Falle von "Helden" ungewöhnlich mühsam zu ertragen. Ich hätte beileibe nicht damit gerechnet, dass es derart katastrophal und nichtssagend ausfallen würde.

Schätzings kunstfertige, mondäne und kenntnisreiche Wortwahl ist in etliche Handlungsstränge eingebettet, die jedoch leichtfertig dazu neigen, den Leser anzustrengen, zu verwirren und ihn den allgemeingültigen roten Faden vermissen zu lassen. Auch das reichhaltige Personal, dem Schätzing zum Entree des Wälzers ein beschreibendes Glossar spendierte, macht die Sache nur unwesentlich besser, denn die Charaktere bleiben so farblos wie Quellwasser. Der deutsche Romancier schiebt immer wieder philosophische Betrachtungen, zeitgenössische Floskeln und althergebrachte Lebensweisheiten in das episch aufgeblasene, geschichtsträchtige Konstrukt einer ganzen Epoche ein und macht dabei zu viele Baustellen auf einmal auf. Vollkommen belanglose Unterhaltungen werden aufs äußerste gedehnt, Gedankengänge zu Tode durchexerziert und die Nerven der Leser qualvoll überstrapaziert. Schätzing bauscht sein historisches Epos nachgerade künstlich auf, und philosophiert nicht selten am Kernpunkt des Geschehens vorbei. Hat der Autor hier etwa zu viel gewollt? Ich denke schon, denn ein gestraffter Plot hätte dem gehemmten Lesefluss sicherlich so einige Dämme davongespült. Störend empfand ich ebenfalls, dass der Erzähler, für seine 30 Jahre später erscheinende Fortsetzung zu "Tod und Teufel" (1995), gänzlich andere Stilmittel in Sprache, Aufbau und Symbolik verwendet. Was ist nur aus der behaglichen Gemütlichkeit, der durchgängigen Spannung und der großartigen Aura von "Tod und Teufel" vor drei Dekaden geworden? "Lautlos" habe ich geliebt, "Der Schwarm" ist heute noch mein All-Time-Fave, "Limit" war grandios, "Breaking News" aufgrund der komplexen Thematik nicht gerade einfach, das Wissenschaftlich fundierte "Nachrichten aus einem unbekannten Universum" zum Nachdenken anregend und "Die Tyrannei des Schmetterlings" über Paralleluniversen und die Gefahren der KI schon recht kompliziert. Aber was sich Frank Schätzing dabei gedacht, "Helden" derart aufzublasen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Ein dritter Teil der "Jacop der Fuchs"-Trilogie? Für mich in jedem Fall geschenkt!

(Janko)

https://www.frank-schaetzing.com
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Brutalität/Gewalt: 21/100
Spannung: 26/100
Action: 23/100
Unterhaltung: 44/100
Anspruch: 68/100
Atmosphäre: 40/100
Emotion: 16/100
Humor: 11/100
Sex/Obszönität: 10/100

LACK OF LIES - Wertung: 31/100

LACK OF LIES - Altersempfehlung ab 21 Jahren (aufgrund der gehobenen Sprache, der häufigen Verwendung von Fremdwörtern, sowie des allgemeinen Verständnisses von Begriffen und Kontext)

Frank Schätzing - Helden
Kiepenheuer & Witsch
Mittelalter-Roman
Buchreihe: Jacop der Fuchs-Trilogie (Teil 2)
ISBN: 978-3-462-00097-9
1040 Seiten
Gebundene Ausgabe
Erscheinungstermin: 16.10.2024
EUR 36,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-462-30262-2
Erscheinungstermin: 16.10.2024
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"Helden" bei Kiepenheuer & Witsch: https://www.kiwi-verlag.de/buch/frank-schaetzing-helden-9783462000979

Leseprobe: https://www.book2look.com/book/9783462000979

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